Es kommt nicht selten vor, dass Politiker Fußballvergleiche bemühen. Manchmal zeichnen sie dabei ein schiefes Bild, manchmal sind sie durchaus treffend. Auch Joachim Streit versucht, sein neuestes politisches Projekt in die Fußballwelt zu übertragen. Es gebe den guten deutschen Mittelstürmer, der für die Tore zuständig sei. „Muss nicht schön, aber effektiv sein“, sagt Streit. Er will die Freien Wähler im Land vor dem Abstieg bewahren.
Seit Anfang der Woche ist er wieder da, auf der landespolitischen Bühne. Nur wenige Monate hatte es gedauert, bis in ihm die Gewissheit reifte, dass Europa nur ein kurzer Ausflug sein dürfte. Nicht, weil es Streit in Brüssel nicht gefallen würde. Sein Projekt, die Landespartei Freie Wähler, war kurz nach seiner Wahl ins EU-Parlament vor knapp einem Jahr in die Luft geflogen. Nur zwei Jahre nach dem ersten Einzug in den Landtag sah es aus, als wäre es zugleich der letzte gewesen.
Freien Wähler in Rheinland-Pfalz: Wie der Streit eskalierte
Kleiner Rückblick: Als Streit nach der Europawahl im Sommer den Fraktionsvorsitz der Freien Wähler im Landtag aufgab, zerbrach die Gruppe wenig später an internen Streitigkeiten. Der damalige Parteichef Stephan Wefelscheid wollte Streits Nachfolger werden. Die Fraktion wählte ihn aber nicht. Wefelscheid trat wenig später auch als Parteichef zurück. Im Landtag verlor die Fraktion ihren Status – und damit Geld und Mitarbeiter. Nicht wenige gaben Streit an all dem eine Mitschuld.
Der Eifeler hatte die Landespolitik eigentlich verlassen, weil ihn die Oppositionsbank langweilte. Sein Comeback verbindet Streit deshalb nun nicht nur mit dem Ziel Wiedereinzug in den Landtag. Er will sogar in die Regierung. Sieben Prozent hat er als Ziel ausgerufen – also mehr als bei der Landtagswahl 2021, als es die Freien mit knapp fünf Prozent gerade so schafften. Doch die Zahlen geben derzeit etwas ganz anderes her. In Umfragen der vergangenen Monate liegen die Freien Wähler gerade mal zwischen drei und vier.
Programmatisch will Streit deshalb auffallen. Zwei Ministerien in der Landesregierung sollen abgeschafft werden, kündigt er an. „Die Leute wollen sehen, dass die Treppe von oben gekehrt wird.“ Wie genau das funktionieren soll und um welche Ministerien es geht, behält er noch für sich. Das müsse man dann mit dem späteren Koalitionspartner verhandeln. Streit geht es um die Symbolik, ein bisschen Populismus eben.
Joachim Streit und die Frage nach der Glaubwürdigkeit
Ob seine Wähler ihm das abkaufen, bleibt abzuwarten. Wegen seiner vielen Wechsel – vom Bürgermeister zum Landrat, vom Landrat zum Landtag, vom Landtag ins EU-Parlament und nun wieder zurück – wird sich Streit ohnehin die Frage nach der Glaubwürdigkeit stellen lassen müssen. Die beantwortet er wieder mit Fußball: Er wolle ja nicht den Verein wechseln, sondern nur die Arena. Immerhin kündigt er an, sein Mandat in Brüssel aufzugeben, sollte er in den Landtag gewählt werden. Sorgen aber bereiten ihm diese Fragen eher nicht. Weil er denkt, dass „sein Baby“ ohne ihn sowieso keine Chancen auf der Landesbühne hat.
Und wahrscheinlich stimmt das auch. Die Partei, sie könnte inzwischen auch den Namen „Liste Streit“ tragen. So, wie die Freien Wähler in Bitburg jahrzehntelang zur Wahl antraten. Seit seinem Abgang aus Mainz blieb die Gruppe im Landtag blass. Streit verleiht ihr nun wieder einen anderen Anstrich. Nicht nur, weil er bei seiner „Vorstellung“ schon farblich mit knalligem rosa Anzug auffiel. Seit seinem Abgang fehlte den Freien Wähler die Repräsentationsfigur.

Zuvor war das Projekt Freie Wähler lange Zeit nicht nur Joachim Streit. Auch der langjährige Parteivorsitzende Stephan Wefelscheid hatte seinen Anteil am Erfolg. Mehr als Arbeiter, mehr im Hintergrund als Streit. Lange Zeit ging das – zumindest oberflächlich – gut, bis die Freien Wähler ihren Parteichef im vergangenen Jahr nach heftigen internen Querelen stürzten. Wefelscheid ist noch Mitglied, sitzt für die Freien auch noch im Landtag. Ob er weiter mitspielen darf und will, ist aber noch unklar.
Zwar hieß es diese Woche, er solle zum Team gehören. Wefelscheid aber war davon überrascht worden. Niemand habe mit ihm gesprochen, sagt er. Schon seit Monaten. Weil er in Mainz trotzdem weiter die Fahne für die Freien Wähler hochgehalten habe, sei das respektlos.
„Mein Interesse, mit Streit auf einer Liste anzutreten, geht gegen null.“
Stephan Wefelscheid, früherer Parteivorsitzender der Freien Wähler
„Nachdem ich vom Hof gejagt wurde, habe ich mich auf Koblenz konzentriert“, sagt Wefelscheid. In seiner Heimatstadt wird er bei der Landtagswahl 2026 als Direktkandidat antreten – für die Freien Wähler. Dort rechnet er sich zumindest Außenseiterchancen aus. Aber wird er auch auf der Landesliste mit Streit stehen? „Mein Interesse, mit Streit auf einer Liste anzutreten, geht gegen null“, sagt er. Ganz festlegen, will er sich dann aber doch nicht. Er wolle erst einmal wissen, wo die Freien Wähler jetzt inhaltlich stehen. „Ich stelle meinen Namen nicht für eine Blackbox zur Verfügung.“
Wefelscheid sieht für den großen Streit in der Partei vor einem Jahr vor allem einen Grund: die inhaltliche Verschiebung der Partei nach rechts. Auch Streits erster inhaltlicher Impuls stört Wefelscheid direkt. Dass Streit zwei Ministerien abschaffen wolle, habe er aus der Presse erfahren, sagt Wefelscheid. Mit den Landtagsabgeordneten der Freien Wähler sei das nicht abgesprochen gewesen. Und tatsächlich hatte die Landespartei gerade erst die Schaffung eines neuen, eigenständigen Digitalministeriums gefordert. All das klingt ein bisschen nach den Differenzen von vor einem Jahr. Diesen Ballast wird Streit nicht so leicht abwerfen können.
Im September werden die Freien Wähler in Bitburg entscheiden
Wer ihn nach Wefelscheid fragt, bekommt keine klare Antwort. „Ich mische mich da nicht ein“, sagt er. Platz zwei und drei auf der Landesliste sollen die beiden neuen Parteichefs Christian Zöpfchen und Lisa-Marie Jeckel einnehmen. Dahinter solle ein strikter Regionalproporz folgen, sagt Streit. Die derzeitigen Landtagsabgeordneten Helge Schwab und Patrick Kunz dürften Ambitionen auf einen Wiedereinzug haben. Dann endet die Liste der aussichtsreichen Plätze schon. Wefelscheid stellt noch klar: „Ich lasse mich nicht auf einen hinteren Listenplatz setzen.“ Im September werden die Freien Wähler in Bitburg entscheiden.