Rheinland-Pfalz
Verliert die Energiewende zunehmend an Akzeptanz?
dpa

Rheinland-Pfalz - Gut drei Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima wird in Deutschland über die Energiewende gestritten. Gerade Rheinland-Pfalz ist wie kein anderes Bundesland in der Frage des Ausbaus erneuerbarer Energie durch Windkraft nach vorn geprescht. Nun soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) modernisiert werden - und damit gerät Rheinland-Pfalz in einen Zwiespalt.

Von unserem Redakteur Volker Boch

Wie unterschiedlich die Interessen von Bund und Land, aber auch von Ökonomie und Ökologie sind, wurde bei einer Fachtagung der Transferstelle Bingen und der landeseigenen Energieagentur Rheinland-Pfalz deutlich. Unter dem Titel „Akzeptanz der Energiewende“ wurde an der FH Bingen diskutiert.

Sind nur Renditen in Gefahr?

Seit 14 Jahren fördert das EEG die Stromerzeugung aus Sonne, Wasser, Wind und Biomasse. Das Gesetz ist in einer Zeit entstanden, in der das wirtschaftliche Interesse an diesem Sektor noch gering war. In den vergangenen Jahren hat sich der Marktbereich jedoch enorm entwickelt, Fukushima hat den Bioenergiesektor zusätzlich stark wachsen lassen. Heute gibt es mehr als 4000 EEG-Vergütungssätze, eine seit 2003 von 0,41 Cent auf heute 6,24 Cent pro Kilowattstunde extrem gestiegene EEG-Umlage und ein Wirrwarr, das niemand mehr durchschaut. Dass sich etwas ändern muss, ist politischer Konsens – die Debatte darüber, wie die Novellierung auszusehen hat, birgt jedoch hohes Konfliktpotenzial. Firmen fürchten um ihre Renditen, die Wirtschaft um Arbeitsplätze, die Politik um ihre Ziele, die Kommunen um Pachterträge.

Als Christian Glenz, Referent des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, in Bingen die Grundzüge der EEG-Reform von Minister Sigmar Gabriel skizziert, lässt sich eine klare Abwehrhaltung im Publikum erkennen. Das Gros der Teilnehmer sind Wirtschaftsvertreter, die um ihre Margen fürchten. „Die Energiewende wird zum Stoppen gebracht“, lautet einer der Vorwürfe an die Bundesregierung. Glenz glaubt dennoch, dass die Wirtschaft die Chance hat, mit dem neuen EEG gute Renditen zu erzielen.

Preissenkungen unrealistisch?

„Ich halte viele Punkte für äußerst problematisch“, sagt dagegen Bernhard Braun, der als energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag an der Tagung teilnimmt und deutlich Position bezieht: „Ich halte die Ziele der Senkung der Preise am Markt für nicht realistisch.“ Braun sitzt nicht nur neben einer für „politische Öffentlichkeitsarbeit“ zuständigen Mitarbeiterin eines großen regionalen Windkraftunternehmens – die Grünen sind offensichtlich generell im engen Schulterschluss mit vielen Firmen, die Gabriels Novelle als Generalangriff auffassen. Die vom Wirtschaftsministerium unterstützte Tagung wird von mehreren Energieunternehmen gesponsert.

Die Aussage, dass wir alle keine Atomkraft mehr wollen, steht. Doch in der Diskussion hinter dieser Feststellung verbirgt sich ein tiefer Graben. In den vergangenen Jahren sind auch in Rheinland-Pfalz viele Vorzeigeprojekte und Impulsentwicklungen entstanden, aber vor allem wurde knallhart Geld verdient dank der per EEG verordneten Abnahmegarantie für grüne Energie. Die Vergütungssätze beispielsweise für private Fotovoltaikanlagen sind von einst mehr als 50 Cent pro Kilowattstunde auf 13 Cent abgesunken, aber dies ist immer noch genug, dass sich viele Bürger Fotovoltaik aufs Dach schrauben lassen – ganz zu schweigen von Investoren, die mit Windkraftparks gute Renditen erwirtschaften. Die Zinssätze auf dem Kapitalmarkt sind so weit unten wie der Preis an der Strombörse, doch nach wie vor stimmen die Gewinne, die dank der Energiewende zu erzielen sind.

„Masterplan Energiewende“ gefordert

Die Frage ist aber, ob die Bevölkerung den Weg weiter mitgehen will angesichts steigender Strompreise und einer zunehmenden Veränderung des Landschaftsbilds. Das strittige Thema EEG gehört gerade für Rheinland-Pfalz zu den spannendsten Politikfeldern der kommenden Monate, denn es stellt die Landesregierung auf den Prüfstand. “Wir haben bei dem Thema in Rheinland-Pfalz keinen einfachen Stand„, sagt Harry Neumann, Landesvorsitzender des BUND. Er ist ein klarer Befürworter einer grundliegenden Energiewende und ein großer Verfechter des Energie-Einsparens. Aber er kritisiert den Weg, den das Land eingeschlagen hat. In Bingen spricht Neumann im Namen mehrerer Naturschutzverbände und fordert erneut einen Masterplan Energiewende, den die Landesregierung allerdings nach wie vor nicht erarbeiten will.

Neumann ist einer der Mahner, die warnen, die Energiewende nicht nur monetär zu betrachten, wie es unter dem Deckmantel der kommunalen Selbstverwaltung in Rheinland-Pfalz häufig geschieht. “Das Land könnte Vorbild sein mit einer neuen Politikkultur„, sagt er mit Blick auf eine mangelhafte Transparenz bei der Umsetzung der Energiewende gerade in Fragen der Genehmigungsverfahren und der Belange des Natur- und Artenschutzes. “Die Landesregierung muss dringend nachsteuern, um die Akzeptanz der Energiewende nicht weiter zu zerstören.„ Es sind Sätze, die weder die Landesregierung noch die Wirtschaft gern hört.

Ängste um die Innovationen

Karl Keilen, Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium, kritisiert, dass die Bundesregierung eine Reform verfolge, die “für die Innovation tödlich„ sei und die positive Entwicklung abwürge. Er geht davon aus, dass der Anteil “grüner" Energie bis 2020 bei 45 bis 50 Prozent liegen würde, falls die EEG-Novelle nicht käme. Langfristig gesehen, sei ein Mix aus Gaskraftwerken und Erneuerbaren um 21 Prozent günstiger als Atomstrom.

Laut Keilen sind die Bürger mehrheitlich dafür, dass die Energiewende schneller vorangetrieben werden soll; für Rheinland-Pfalz gibt es keine belastbaren Umfragewerte. Fest steht vor den Kommunalwahlen jedoch, dass das Thema polarisiert. Gabriels EEG-Reform könnte für die Grünen im Land zum politischen Problem werden.

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