Wahlalter bereits ab 16, begrenzte Amtszeiten für Ministerpräsidenten und einfache Bürgerbeteiligung: In den vergangenen Jahren kursierten in Mainz viele Vorschläge, die rheinland-pfälzische Verfassung zu modernisieren. Nun ist klar: Erst einmal wird gar nichts passieren. Für die Verfassungsänderung braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit im Landtag. Regierungsfraktionen und die größte Oppositionsfraktion CDU sind also gegenseitig aufeinander angewiesen. Doch die Gespräche sind gescheitert, die Verfassungsänderung – zumindest vorerst – vom Tisch. Die CDU macht die Ampel für das Scheitern verantwortlich – und erhebt schwere Vorwürfe.
Es geht um die Auflösung des Parlaments
Das sei eine „vertane Chance“ zum Schutz der Demokratie, sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, Helmut Martin, am Mittwoch in Mainz. Der Ampel sei es wichtiger, den Koalitionsfrieden aufgrund von Meinungsunterschieden zu wahren, als die Verfassung weiterzuentwickeln. Der CDU ging es dabei vor allem um ihre Idee, die Auflösung des Parlaments zu erschweren. Aktuell sei dies bereits mit einer einfachen Mehrheit der Mitglieder möglich.
Um einen Missbrauch der Regierungsmehrheit auszuschließen, solle künftig dafür eine Zweidrittel-Mehrheit gelten. Aktuell gebe es im Landtag eine große Mehrheit demokratischer Parteien, um das Parlament und die Demokratie zu stärken, sagte Martin. Niemand wisse, wie das nach der nächsten Landtagswahl aussehe. Martin spielte darauf an, dass aus seiner Sicht undemokratische Parteien künftig womöglich ein Drittel der Abgeordneten stellen könnten – und damit Änderungen unmöglich machten.
CDU: Ampel hat Absprachen gebrochen
Der CDU-Fraktionsvize wirft der Ampel auch vor, Absprachen gebrochen zu haben. Am Ende der Gespräche über eine Verfassungsänderung soll es eine Einigung gegeben haben, im Rechtsausschuss über eine Reform zu diskutieren. Zunächst habe die Ampel zugesagt, dann eine Kehrtwende gemacht, nachdem die Ampel im Bund davon abgerückt war, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen, sagte Martin. Dasselbe hatte sich die Mainzer Koalition auch in Rheinland-Pfalz vorgenommen.
Was die Koalition zu den Vorwürfen sagt
Bei den Grünen klingt der Vorgang etwas anders: „Wir haben mehrere Gespräche mit der CDU-Fraktion geführt und konnten uns nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Carl-Bernhard von Heusinger. Die Tür zuschlagen für künftige Gespräche will er aber nicht. Die Grünen könnten sich vorstellen, in der nächsten Wahlperiode „umfangreich über Änderungen der Landesverfassung zu diskutieren“.
FDP-Fraktionschef Philipp Fernis wird deutlicher: Ernsthafte Diskussionen seien mit der CDU nicht möglich gewesen. „Daher ergibt es auch keinen Sinn, sich in Unterausschüssen weiter mit der CDU darüber zu unterhalten.“ Den Christdemokraten stehe es frei, jederzeit Änderungsvorschläge in den Landtag einzubringen, sagte Fernis. „Aber ob das je passieren wird, ist fraglich. Das wäre nämlich mit ernsthafter politischer Arbeit verbunden.“
Das Scheitern begann mit dem Streit ums Wahlalter
Der Streit um die Verfassungsänderung hat eine längere Vorgeschichte. Im vergangenen Jahr war zunächst die Ampel-Koalition vorgeprescht und hatte im Landtag noch vor der Kommunal- und Europawahlen das Wahlalter auf 16 senken wollen. CDU, AfD und Freie Wähler stimmten jedoch dagegen.
Wenige Monate später machte die CDU selbst einen umfassenden Vorschlag, die Verfassung zu ändern. Die Christdemokraten forderten damals etwa, die Amtszeit künftiger Ministerpräsidenten zu begrenzen. Von der Idee versprach sich die CDU freiere Entscheidungen, weil die Politik dann nicht mehr so sehr von „persönlichen Wiederwahlüberlegungen“ geprägt sei. Die SPD sah dies als „pure Provokation“ – man sehe weder Sinn noch Notwendigkeit für die Beschränkung der Amtszeit von Ministerpräsidenten.
Es reicht nicht für kleinsten gemeinsamen Nenner
Die größten Projekte der größten Parteien waren damit schon im Vorhinein abgeräumt. Nun ist aber klar, dass man sich auch trotz Gemeinsamkeiten nicht auf den kleinsten Nenner wird einigen können. Die Ampel gibt damit auch ihr Koalitionsziel auf, den Klimaschutz als Staatsziel in der Verfassung zu verankern.
Martin appellierte am Mittwoch an die Ampel: „Es ist nicht zu spät“, gemeinsam zu überlegen, was gut für Rheinland-Pfalz sei. Dass man gemeinsam schauen müsse, wie die „demokratischen Herzkammern“ besser geschützt werden könnten, habe er bei einer Reise nach Polen gesehen. Die zwischenzeitlich abgewählte PiS-Regierung habe gezeigt, wie man einen intakten Rechtsstaat auf die schiefe Bahn führen könne.