Von unserem Redakteur Dietmar Brück
Nach dieser Umfrage, die die politische Stimmung im Land abbildet, würden die beiden großen Parteien, SPD und CDU, leicht verlieren. Die Sozialdemokraten (auf niedrigem Niveau) mehr als die Christdemokraten (auf hohem Niveau). Kurios ist: Wäre diese Erhebung bereits das Ergebnis der Landtagswahl im März 2016, könnten weder CDU und FDP noch SPD und Grüne regieren. Schwierige Koalitionsbildungen stünden den Rheinland-Pfälzern ins Haus.
Doch wie kommt es zu diesem unerwarteten Trend? Nahezu alle politischen Beobachter sind sich einig, dass im Moment vor allem die Bewältigung der Flüchtlingskrise darüber entscheidet, wie die Arbeit von Politikern bewertet wird. Sind die Bürger unzufrieden mit den Regierenden, hilft dies der politischen Konkurrenz. Misstrauen die Bürger den derzeit agierenden Parteien, bekommen die politischen Kräfte am Rand oder außerhalb des Parlaments Rückenwind.
Bundespolitik wichtiger Faktor
Natürlich wirken sich auch bundespolitische Effekte landespolitisch aus. Die chronische Schwäche der Bundes-SPD zieht die Landes-SPD nach unten. Von der konstanten Stärke der Bundes-CDU profitiert natürlich auch die christdemokratische Landespartei. Prägender für die aktuelle Umfrage dürfte allerdings das Großthema Flüchtlinge sein.
Offenbar dreht sich die Stimmung in Rheinland-Pfalz gerade hin zu kleineren Parteien wie der FDP, die fern des parlamentarisch etablierten Parteienspektrums agieren. Stärkung erfahren aber auch die Kräfte, die als Sammelbecken der Unzufriedenen am rechten und linken Rand dienen.
Beispiel FDP: Die Positionen der Freidemokraten sind in der landespolitischen Debatte bislang kaum vernehmbar. Bei einer stärker menschen- und bürgerrechtlich profilierten liberalen Partei wäre das vielleicht noch anders gewesen. Dazu kommt, dass die FDP sich zwar seit geraumer Zeit auf die magische 5-Prozent-Grenze zubewegt, sie aber als außerparlamentarische Partei keinen Fuß in die aktuellen politischen Debatten bekommt. Ihre wichtigen Protagonisten sind zu wenig sichtbar. Dennoch wären die Liberalen – Stand heute – vermutlich im Landtag. Die Öffnung der deutschen Grenzen durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihr in der eigenen Partei viel Kritik eingetragen. Dadurch kann es durchaus Verschiebungen im bürgerlichen Lager geben.
Beispiel AfD: Im Osten profitiert die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD) schon lange von der Stimmung, die angesichts des großen Zustroms an Flüchtlingen herrscht oder sich erzeugen lässt. Ressentiments gegen Ausländer werden angeheizt, Ängste vor Überfremdung und dem Islam geschürt. Das alles fällt auf fruchtbaren Boden. Allmählich steigt auch die deutlich moderatere rheinland-pfälzische AfD stärker auf die „Asylkrise“ ein. Von „rot-grüner Abschiebungsverweigerung“ ist die Rede. „Asylanträge an der deutschen Grenze“ sollen am besten nicht mehr möglich sein, heißt es. Die Einreise von Asylbewerbern sei zu stoppen.
Auf der anderen Seite fühlen sich die Rechtskonservativen im Land bestätigt, da auch CDU und SPD unter dem Druck der Ereignisse auf eine restriktivere Asylpolitik einschwenken. Die Einführung der Grenzkontrollen wurde als Erfolg gefeiert. Im jüngsten Politrend liegt die AfD bei 4 (statt 3) Prozent. Der Sprung über die 5-Prozent-Hürde ist nicht mehr utopisch – trotz der Abspaltung des wirtschaftsliberalen Flügels.
Beispiel Linke: Seit Jahren ist die rheinland-pfälzische Linke in selbstzerstörerischer Weise mit sich selbst beschäftigt. Politisch ist sie daher – anders als im Saarland oder in Hessen – komplett außen vor. Dennoch wäre sie nach der jüngsten Umfrage im Landtag. Auch die Linken profitieren als größte Oppositionspartei im Bund vom umstrittenen Krisenmanagement der Bundesregierung. Das schlägt anscheinend bis ins Land durch. Zumal Die Linke schon immer auch ein Auffangbecken für Menschen war, die bei einem starken Zustrom von Ausländern um ihre Arbeitsmarktchancen fürchten. Auf diesem Feld betreibt der Landesverband allerdings keine gezielte Stimmungsmache.
Verunsicherung ist groß
Der Politrend belegt, dass die Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen weiter riesengroß ist. Fast die Hälfte der Rheinland-Pfälzer macht sich dennoch Sorgen. Bis tief in bürgerliche, sogar linksliberale Kreise fragen sich Menschen verunsichert, wie der Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge Deutschland verändert. Wird unser Land konservativer und islamischer? Wird es jünger und kinderfreundlicher? Werden Religionskonflikte auf deutschem, gar rheinland-pfälzischem Boden ausgetragen?
Nicht nur CDU-Politiker, auch zahllose SPD-Politiker sind der Meinung, dass gesellschaftliche Spannungen unkalkulierbar würden, wenn 2016 erneut 800 000 bis eine Million Asylbewerber nach Deutschland kämen. Von daher hoffen auch in Rheinland-Pfalz viele Spitzenpolitiker, dass ein dauerhafter europäischer Verteilschlüssel für Entlastung sorgt. Der dafür nötige EU-Kompromiss dürfte politische Schwerstarbeit erfordern. Die rheinland-pfälzische Landtagswahl wird vermutlich nicht unerheblich davon beeinflusst werden, ob Europa zu Humanität und Solidarität findet – auch untereinander. Ansonsten erhält die Befürchtung Nahrung, dass die Parteien am rechten und linken Rand weiter an Zulauf gewinnen.