In Baumholder haben die USA Logistik, Fernmelder und Artillerie stationiert. Die Einheiten ließen sich vergleichsweise leicht verlegen. Ist der Standort in Rheinland-Pfalz der größte Wackelkandidat?
Das lässt sich nicht an den stationierten Einheiten festmachen. Oberste Priorität bei den US-Militärs hat immer die Einsatzfähigkeit. Und die stellen sie nicht her, indem sie eine Einheit nehmen, an einen Punkt E bringen und dort ein Zeltlager aufbauen. Sie brauchen immer auch Infrastruktur. Und die ist in Rheinland-Pfalz vorhanden, wo sie über Jahrzehnte gewachsen ist. Das finden sie in dieser Form in Polen nicht vor. Deshalb würde ich Baumholder zunächst nicht als Wackelkandidaten bezeichnen. Der Standort war ja schon mal auf dem absteigenden Ast. Und dann sind die strategischen Entscheidungen wieder zurückgedreht worden. Daran sieht man, wie wichtig Baumholder für das US-Militär ist.
US-Medien spekulieren auch darüber, dass eine Schwadron Kampfjets aus Deutschland abgezogen wird. Die gibt es nur in Spangdahlem. Halten Sie das für möglich?
Also eine vernünftige strategische Entscheidung wäre das sicher nicht. Die Schwadron ist vor zehn Jahren nach Spangdahlem verlegt worden. Das hatte ja einen guten Grund. Wenn sie die nach Polen verlegen wollen, brauchen sie schon mal einen ordentlichen Flugplatz. Spangdahlem ist für diesen Einsatzzweck ausgebaut worden. Da sind über die Jahre Milliarden Dollar investiert worden.
Auch die Air Base in Ramstein wird immer wieder genannt.
Das halte ich definitiv für ausgeschlossen. Ramstein ist der Dreh- und Angelpunkt des US-Militärs in Europa und viel zu wichtig. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die USA ihre Europa- und Afrika-Kommandos von Army und Air Force in Deutschland haben. Das zeigt die immense Bedeutung Deutschlands für die Streitkräfte.
Dr. David Sirakov hat Politikwissenschaft und Öffentliches Recht in Trier studiert. Von 2010 bis 2014 war er Studienleiter der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, einer Weiterbildungseinrichtung.US-Experte David Sirakov
Zumal in Weilerbach bei Ramstein für fast 1 Milliarde Dollar ein Militärhospital gebaut wird. Kann man so ein Großprojekt noch stoppen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das einfach so noch mal vom Tisch gewischt wird. Zumal ja schon viele Ausgaben getätigt worden sind und der US-Kongress das Geld bewilligt hat. Aber es geht dabei nicht nur ums Geld. Die Kliniken in Landstuhl und später in Weilerbach haben ja einen ganz konkreten strategischen Auftrag: US-Soldaten sollen dort möglichst schnell versorgt werden können. Das betrifft Einsatzorte in Afrika, das betrifft Einsatzorte im Nahen und Mittleren Osten. Das umfasst theoretisch auch Zentralasien. Das ist ein riesiger geografischer Raum.
Die USA würden sich also ins eigene Knie schießen, wenn sie die Standorte im Land aufgeben?
Strategisch hätte das aus meiner Sicht keinen Mehrwert. US-General a. D. Frederick B. Hodges hat es ja noch viel deutlicher ausgedrückt und gesagt, dass sich die USA mit einem solchen Schritt enorm schwächen würden. Und der muss es als ehemals höchster US-Militär in Deutschland wissen. Zumal die Strukturen ja hervorragend funktionieren. Hinzu kommen die weichen Faktoren. Wenn Sie US-Soldaten treffen, sprechen die immer in den höchsten Tönen von ihrer Zeit in Spangdahlem und in Ramstein. Das zeigt die Wertigkeit von Rheinland-Pfalz als Gastland.
Wie lange würde es denn theoretisch dauern, um Truppen etwa nach Polen zu verlegen?
Das hängt von den Einheiten ab. Wenn die Infrastruktur neu geschaffen werden muss, dauert es mehrere Jahre. Selbst dann, wenn die Polen baurechtliche Fragen abkürzen würden. Das sind ja nicht nur Schießstände. Da müssen ja auch die ganzen Wohnungen gebaut werden. Das, was in Rheinland-Pfalz schon längst vorhanden ist, in Polen nachzubilden, ist in einem absehbaren Zeitraum praktisch unvorstellbar.
Das würde auch ein paar Milliarden Dollar kosten. Zahlen die USA das bei ihrem gewaltigen Verteidigungsetat aus der Portokasse?
Nein. Trump will ja immer den besten Deal für Amerika rausholen, um Geld zu sparen. Da wäre es kontraproduktiv, wenn er dafür in die eigene Tasche greifen müsste. Wenn wir uns Südkorea anschauen, sehen wir, dass er deren Regierung dazu gezwungen hat, die kompletten Gehälter der Zivilangestellten der US-Basen im Land zu übernehmen. Ähnliches droht Japan. Polen müsste also wohl auch tief in die Tasche greifen.
Trumps Ankündigung, die Truppen abzuziehen, ist also eine rein politische Entscheidung?
Ja, es ist eine reine Strafaktion. Wir sind im Wahljahr, und da geht es Trump natürlich auch um Ablenkung von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten. Nach außen hin scheint der US-Präsident ja immer als der mächtigste Mann der Welt. Nach innen ist er es aber nicht.
Benötigt er denn die Zustimmung des Kongresses, um US-Truppen aus Deutschland zu verlegen?
Nicht unbedingt. Das kann er als Oberbefehlshaber weitgehend allein entscheiden. Aber er gerät trotzdem innenpolitisch unter Druck. Da gibt es den Brief der republikanischen Abgeordneten, in dem sie darauf aufmerksam machen, wie wichtig Deutschland als Nato-Partner und Standort für das US-Militär ist. Zudem wollen nun auch Senatoren parteiübergreifend die Möglichkeiten des Präsidenten einschränken. Es gibt also auch in seiner eigenen Partei Gegenwind. Aber ich betone auch, dass man Trump ernst nehmen muss. Er hat zumindest immer versucht umzusetzen, was er angekündigt hat. So sehr sich Land und Kommunen auch für die US-Stützpunkte starkmachen, sind die Schalthebel immer noch im Weißen Haus.
Im November sind in den USA Präsidentschaftswahlen. Lassen Sie uns mal spekulieren: Wird am Ende alles doch nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
Das ist meine Hoffnung. Wenn Sie den Zeitraum betrachten, den eine Truppenverlegung planerisch kosten würde, stellt sich die Frage, was man bis zur Wahl im November überhaupt machen kann. Wenn Donald Trump wiedergewählt wird, dürfte uns das Thema wohl nicht verlassen. Wenn nicht, wird zumindest die 2-Prozent-Diskussion weitergehen. Das frustriert die Amerikaner schon seit Langem.
Das Gespräch führte Dirk Eberz