Existenzkampf Inhaber fühlen sich im Stich gelassen und klagen: "Wir können nur sechs Monate verdienen"
Touristik-Kommission zu Besuch: Das Leiden der Hoteliers im Winter
Immer mehr Gastwirte und Hoteliers müssen den Löffel buchstäblich abgeben – auch wenn es ein goldener Kochlöffel ist (das Foto zeigt ein Hotel in Bingen). Vor allen Dingen auf dem Land ist das Sterben der Gastronomie ein Thema. Nun beschäftigt sich auch die Politik damit und sucht nach Lösungen. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. „Der Tourismus braucht lebendige Städte“: Doris Gawel, Geschäftsführerin des Bopparder Rheinhotels Bellevue, sprach den entscheidenden Satz beim Besuch der Enquetekommission Tourismus. Und sie fügte hinzu: Eine Saison, die nur rund sechs Monate dauert, ist zu kurz.

Immer mehr Gastwirte und Hoteliers müssen den Löffel buchstäblich abgeben – auch wenn es ein goldener Kochlöffel ist (das Foto zeigt ein Hotel in Bingen). Vor allen Dingen auf dem Land ist das Sterben der Gastronomie ein Thema. Nun beschäftigt sich auch die Politik damit und sucht nach Lösungen. Foto: dpa
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Die Landtagsabgeordneten der Kommission arbeiten sich derzeit durch die großen Problemthemen des einheimischen Tourismus – das Sterben der Hotellerie und Gastronomie ist eines der drängendsten. Trudel und Klaus Weiler vom Hotel Weinhaus Weiler in Oberwesel sowie Doris und Marek Gawel erläuterten den Politikern die Sorgen der einheimischen Familienbetriebe.

„Wir können nur sechs Monate verdienen“, schilderte Doris Gawel die Situation. Trudel Weiler ergänzte: „Vor allen Dingen kleinere Städte sind im Winter tot, da wollen die Gäste nicht hin.“ Es gebe kaum Veranstaltungen, der Schiffsverkehr ist weitgehend eingestellt, viele Burgen und Schlösser haben geschlossen. „Keiner macht den ersten Schritt, um den Winter zu beleben“, klagte Trudel Weiler.

Doris Gawel erzählte, dass sie als Hotelgeschäftsführerin bereits im Winter eine eigene Kulturreihe im Haus auflegt, um Gäste anzulocken. „Außerdem reduzieren wir im Winter die Preise um 35 Prozent.“ Doch die Hoteliers fühlen sich alleingelassen: Sie sind Gastgeber und keine Veranstalter – und wenn in der Umgebung im Winter nichts los ist, sind sie aufgeschmissen.

Das große Loch im Winter

Stefan Zindler, Geschäftsführer der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH, sieht das Problem. „Das Thema Winter haben wir auf dem Schirm“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. In der neuen Tourismusstrategie des Landes, die derzeit erarbeitet wird, sei das Ausweiten der Saison ein Punkt. „Wir können bei uns keinen Skitourismus bewerben, aber ich sehe Chancen in den Bereichen Genuss und Kultur“, sagte Zindler unserer Zeitung. „Wir müssen auch über unsere Regionalagenturen Orte und Veranstalter motivieren, den Winter zu beleben. Wir wiederum können dies dann vermarkten.“

Trudel Weiler forderte denn auch, antizyklischer zu werben. „Viele Städte und Gemeinden bewerben nur die Großveranstaltungen, an denen wir die Betten ohnehin voll haben und den Leuten absagen müssen.“ Hilfreicher sei es, das Marketing auf Zeiten außerhalb der ohnehin etablierten Veranstaltungen zu konzentrieren.

Viele Dinge können und müssen die Hoteliers selbst anpacken, aber manches liegt außerhalb ihrer Macht. Marek Gawel sprach das Thema Internet an. Vor allen Dingen die internationalen Gäste erwarteten einfach Internet und WLAN mit höchster Geschwindigkeit, sagte Gawel. „Wir in der Peripherie haben aber kein gescheites Netz. Ich kann doch nicht selbst ein Glasfaserkabel ziehen – dafür habe ich nicht das Geld.“

„Nichts los im Mittelrheintal“

Auch arbeitsrechtliche Bestimmungen und Einschränkungen sowie der Mindestlohn stressen die Hoteliers. Eine übermäßige Bürokratisierung beklagen sie ebenfalls bei der Frage der Nachfolge. Es sei schon schwierig genug, junge Leute nach der Ausbildung am Ort zu halten, sagte Doris Gawel: „Hier ist nichts los im Mittelrheintal. Die jungen Leute wollen aber auch Lebensqualität und etwas erleben, also gehen sie weg von hier.“ Und selbst wenn ein Nachfolger Interesse hätte, einen Traditionsbetrieb zu übernehmen, würden hohe Investitionen auf ihn warten, da die Konzession neu beantragt werden und in Sachen Brandschutz alles auf den neuesten Stand gebracht werden müsse, ergänzte Trudel Weiler. Gerade in alteingesessenen Betrieben, die oft in Fachwerkhäusern untergebracht sind, würde das bedeuten, dass sechsstellig investiert werden müsse. „Wo sind die Zuschüsse des Landes?“, fragte Weiler. „Wo ist das Investitionsprogramm des Landes?“

„Wir sehen aber auch, dass sich etwas bewegt“, sagte Doris Gawel, „die Politik will etwas tun, die Burgen werden renoviert, die Buga wird geplant.“ All das seien positive Signale, die die Hoteliers bekommen.

Ellen Demuth (CDU), Vorsitzende der Enquetekommission, sieht im Gespräch mit unserer Zeitung noch einiges an Arbeit: „Zum einen müssen wir die Rahmenbedingungen für den Tourismus verbessern, damit Hoteliers unter besseren Grundvoraussetzungen arbeiten können“, sagte sie und zählte unter anderem schnelle flächendeckende Internetverbindungen auf. „Zum anderen müssen wir Ideen entwickeln, wie wir die umsatzschwachen Wintermonate, die Hoteliers oft an den Rand der finanziellen Existenz bringen, ertragreicher machen können“, sagte sie und ergänzte: „Eine stärkere Ausrichtung und Bewerbung von Geschäftstourismus wäre zum Beispiel jahreszeitlich unabhängig. Des Weiteren sollten wir über die Bewerbung besonderer Natur-, Wander-, Erholungs- und Genusserlebnisse in den Wintermonaten nachdenken.“

Von unserem Reisechef Michael Defrancesco

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