„Fassungslos – sprachlos – hilflos“: Drei Worte stehen auf einer Seite im Kondolenzbuch für die getötete zwölfjährige Luise in der evangelischen Kirche Freudenberg. Sie drücken gut aus, was viele Menschen in der kleinen Stadt bei Siegen in Nordrhein-Westfalen gerade fühlen – und auch im rheinland-pfälzischen Nachbarkreis Altenkirchen, auf dessen Gebiet Luises Leiche gefunden wurde.
Seit dem Wochenende trauert die Region um die zwölfjährige Schülerin, die nach dem Besuch bei einer Freundin auf dem Heimweg in einem Waldstück getötet wurde. Und am Dienstag folgt die schockierende Nachricht: Die mutmaßlichen Täterinnen sind selbst noch Kinder.
Opfer und Täter kannten sich
Zwei Mädchen, 12 und 13 Jahre alt, haben gestanden, Luise mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben. Die Kinder kannten sich. Wer mit den Menschen in der Freudenberger Innenstadt spricht, stößt immer wieder auf die eine Frage: warum? Warum musste die Schülerin sterben? Und warum begingen zwei Kinder wohl eine so grausame Tat? Laut Focus und Bild soll es sich nach einem Streit um eine Art Racheakt gehandelt haben.
Die Ermittlungsbehörden halten sich mit Antworten auf die Fragen sehr zurück. Die mutmaßlichen Täterinnen müssten geschützt werden – gerade weil sie noch Kinder seien, betonte der Leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz, Mario Mannweiler. Nur so viel sagt er: „Was für Kinder möglicherweise ein Motiv ist für eine Tat, würde sich einem Erwachsenen möglicherweise nicht erschließen.“
Strafrechtlich wird der Tod von Luise jedenfalls keine Folgen haben. Kinder unter 14 Jahren sind grundsätzlich nicht strafmündig – selbst bei einem so schlimmen Verbrechen wie Mord oder Totschlag. Die Justiz stößt in solchen Fällen an ihre Grenzen. „Wir legen diesen Fall jetzt in die Hände der Jugendbehörden“, sagte Staatsanwalt Mannweiler. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen seien „in einem geschützten Raum in der Obhut des Jugendamtes“. Nun seien Psychologen, Psychiater und auch die Eltern gefragt. „Die eigentliche Arbeit, die fängt jetzt erst an.“
Dass Kinder unter 14 Jahren Gewalttaten wie schwere Körperverletzung, sexuellen Missbrauch, Totschlag oder Mord begehen, komme eher selten vor, wie etwa Christian Soulier, einer der erfahrensten Mordermittler in Rheinland-Pfalz, unserer Zeitung bestätigt. In 40 Berufsjahren hat der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BdK) in Rheinland-Pfalz schon in viele menschliche Abgründe geschaut.
Die zwölfjährige Luise aus Freudenberg ist brutal erstochen worden. Von „mehreren Messerstichen“ war bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Polizei und der Staatsanwaltschaft Koblenz die Rede. Todesursache: Verbluten.Zwei Mädchen sollen Luise aus Freudenberg erstochen haben: Sie sind unter 14 und noch nicht strafmündig
Doch eine ähnlich gelagerte Tat wie den Fall Luise hat der Leiter der Trierer Mordkommission noch nie erlebt. „Mir fehlt ein Beispiel, in dem Mädchen so gewalttätig gewesen sind“, erklärt Soulier auf Anfrage unserer Zeitung. Bei männlichen Kindern sei das schon mal vorgekommen. „Aber das ist sehr, sehr selten.“
Aber bei 12- und 13-jährigen Mädchen? „Da ist mir keine in Erinnerung.“ Bundesweite Studien liegen ihm dazu nicht vor. Die meisten Gewalttaten werden seiner Erfahrung nach von erwachsenen Männern verübt. „Der Anteil der Frauen an Morden dürfte unter 10 Prozent liegen.“
Von der Tatwaffe fehlt jede Spur
Am Tatort war am Dienstag noch einmal die Polizei im Einsatz. Von der Tatwaffe fehlt noch immer jede Spur. Der Ort, an dem die Leiche von Luise gefunden wurde und wo sie wohl auch getötet wurde, liegt abgelegen im Wald an der Landesgrenze von Rheinland-Pfalz zu Nordrhein-Westfalen. Freudenberg ist einige Kilometer entfernt.
Handys haben hier keinen Empfang. Das Gelände ist unwegsam, nur ein Radweg führt durch das Tal. Eigentlich hätte Luise gar nicht diese Strecke gehen müssen, um nach Hause zu kommen. Was die drei Mädchen hierher geführt hat, auch dazu sagen die Ermittler nichts.