Rechtsanwalt Giesen stammt aus Koblenz, wurde 1990 ein für Personal und Haushalt zuständiger Abteilungsleiter in einem sächsischen Ministerium und danach für zwölf Jahre Sächsischer Datenschutzbeauftragter. In einem Beitrag für unsere Zeitung setzt er sich mit Fall auseinander.
Die Regierungen des Bundes und der Länder dürfen einige „politische“ Beamte (eigentlich ein Widerspruch in sich) haben, die ihnen helfen, als Verwaltungsspitze die Gesetze anzuwenden und zugleich ihre politischen Vorstellungen umzusetzen. Das nennt man die Kunst der Regierenden. Ihr Recht, solche Beamten in den „einstweiligen Ruhestand“ zu versetzen, ist ein besonderes Privileg. Es setzt aber, so das Bundesverwaltungsgericht, immer voraus, dass sie das Vertrauen in den einzelnen Beamten verloren haben. Warum das so ist, müssen sie nicht begründen. Der betroffene Beamte geht in einen besonderen „Ruhestand“: Er darf kein anderes öffentliches Vollzeitamt bekleiden, denn er muss sich bereithalten, auf (wiederum begründungsfreien) Wunsch seines Dienstherrn reaktiviert zu werden, also sein früheres Amt oder ein vergleichbares Amt wieder anzutreten. Deshalb bekommt er eine staatliche Versorgung. Diese wird zwar gekürzt, wenn der Betroffene seinen Wartestand/Ruhestand mit jederzeit zu beendender, bezahlter Tätigkeit ausfüllt. Es bleibt ihm aber ein Sockelbetrag. Das alles ergibt sich aus einfachen beamtenrechtlichen Vorschriften des Bundes und des Landes.
Ein Staatssekretär, der zum Oberbürgermeister ernannt wird, wechselt auf eigenen Wunsch vom Landesdienst in den Kommunaldienst. Das ist eine normale Versetzung, bei der Versorgungsbezüge nicht anfallen. Wünsche zu höheren Einkünften sind dem Beamtenrecht unbekannt. Denn die Besoldung jedes Beamten ist ohne Ansehen der Person gesetzlich geregelt. Mit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand – terminlich nahtlos vor der bereits durch Wahlentscheidung gesicherten Berufung zum Oberbürgermeister von Koblenz – hat der damalige Staatssekretär formell den Status des „einstweiligen Ruhestandes“ erhalten. Aber es war ersichtlich für ihn selbst, für den Ministerpräsidenten und für dessen Berater, dass er diesen Status nicht ausfüllen konnte, weil er ein neues öffentliches Amt übernahm und sich eben nicht zur Reaktivierung bereithielt. Ein eklatanter Formenmissbrauch.
Mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wurde nach Absicht der Handelnden der Sockelbetrag fällig. War absehbar, dass der Beamte nicht in den Ruhestand, sondern unverzüglich in ein anderes, seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nehmendes öffentliches Amt wechselt, war das flagrant rechtswidrig und deshalb sogar ausnahmsweise nichtig, weil es den Handelnden nur auf diese rechtswidrigen Zahlungen ankam.
Der Koblenzer Jurist Thomas Giesen ist Experte für Beamten-, Straf- und Datenschutzrecht. In seinem Gastbeitrag analysiert er den Rechtsfall
Hofmann-Göttig.
Wer die Vermögensinteressen eines Landes zu wahren hat – das sind jedenfalls die Ministerpräsidenten und die Staatssekretäre und ihre Berater – macht sich in einer solchen Situation wegen Veruntreuung nach Paragraf 266 Strafgesetzbuch strafbar. Die Verjährungsfrist beginnt mit der letzten Zahlung; erst dann endet die Tat. (Ein Hartz-IV-Empfänger, der falsche Angaben macht und so den Staat um etwa 300.000 Euro „erleichtert“, hat mit Freiheitsstrafe von etwa drei Jahren zu rechnen.) Wer es als Zuständiger unterlässt, diese Zahlungen mit Zinsen zurückzuverlangen, macht sich ebenfalls strafbar.
Dass der Landtag solche Fragen nicht öffentlich, sondern „vertraulich“ behandelt, zeigt ein schweres Fehlverständnis: Der Datenschutz schützt nicht das amtliche Handeln der Amtsträger, sondern die Privatsphäre. Hier handelt es sich um Informationen zum Missbrauch des „öffentlichen“ Amtes im „öffentlichen“ Dienst: Die Täter waren amtlich tätig, mögen sie nun auch mittelbar privat betroffen sein. Die Öffentlichkeit hat ein rechtsstaatlich geschütztes Interesse an diesen Informationen. Dagegen sprechende interne Vorschriften des Landtages müssen sofort geändert werden.