Dörscheid
Steiler Hang, Schmerzen in der Achillessehne, ein purzelnder Eimer: Die harte Arbeit in der Weinlese
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Christian Muders bei der Arbeit im Weinberg.
Marvin Conradi

Wein ist nicht nur ein Genussmittel, hierzulande ist er Kulturgut. Die Arbeit der Winzerinnen und Winzer fasziniert viele. Unser Reporter Marvin Conradi hat jetzt nicht nur einen halben Tag lang im Steilhang als Erntehelfer mitgeholfen, sondern sich auch mit dem weiteren Ablauf der Weinherstellung beschäftigt. Beim Weingut Fetz in Dörscheid am Mittelrhein warf er einen Blick hinter die Kulissen.

Lesezeit 5 Minuten

Eine kleine, enge Straße, ein wunderschöner Blick über das Mittelrheintal und ein steiler Hang, der hinunter zu den Weinreben führt: Wer Höhenangst hat, sollte sich besser nicht dorthin trauen. Insgesamt sechs Erntekräfte haben heute damit offenbar kein größeres Problem, sie helfen in den Weinbergen des Weinguts Fetz in Dörscheid (Rhein-Lahn-Kreis) im Mittelrheintal aus. Die Besetzung ist stets unterschiedlich, erzählt Christian Muders. Der 32-Jährige besitzt seit dem Jahr 2021 Anteile am Weingut und ist für den Weinan- und -ausbau verantwortlich. Miteigentümer und Namensgeber des Weinguts ist Heinz-Uwe Fetz. Die Traubenlese im Herbst ist die entscheidende Phase im Jahreslauf der Winzerinnen und Winzer – und harte Arbeit, wie unser Reporter zu spüren bekam. Einen halben Tag lang packte er mit an.

Eine große Einweisung von Muders gibt es nicht. Ganz kurz erklärt er, dass man die faulen und verschimmelten Trauben aussortieren muss und die gesunden in einen Eimer werfen soll. Mit einer Leseschere und besagtem Eimer geht es also hinein in den Steilhang – am besten zunächst langsam. Auch wenn es von hinten einen Stups von einer Fellnase setzt – die rumänische Hütehündin Lana ist immer mit Christian Muders zusammen bei der Weinlese dabei, liegt schon mal demonstrativ mitten im Weg oder jagt Hasen.

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Christian Muders präsentiert den bisherigen Ernteerfolg.
Marvin Conradi

Die Stimmung ist familiär. Das Weingut Fetz besteht schon seit dem Jahr 1976. Heinz-Uwe Fetz, inzwischen 61 Jahre alt, erweiterte es bis zum Jahr 2021 Stück für Stück und baute eine über die Region bekannte Brennerei an. Zu Beginn war das Unternehmen von Fetz noch auf weitere Landwirtschaft und Weinbau ausgelegt. Letztlich entschied er sich dazu, sich nur noch um den Weinanbau zu kümmern. Das Weingut in Dörscheid wird ergänzt durch die kleine Brennerei sowie eine Vinothek. Die Brüder von Fetz betreiben ein eigenes Hotel, in dem auch die Weine des Weinguts verkostet werden. „Das ist schon eine Besonderheit und im Mittelrheintal einzigartig“, sagt der 61-Jährige, der zudem auf den naheliegenden Rheinsteig verweist. Pro Jahr werden rund 30.000 bis 40.000 Weinflaschen verkauft, je nach Jahrgang, betont Fetz.

Mit Wanderschuhen und ganz viel Vorsicht

Der Weg hinunter in den Dörscheider Steilhang ist anstrengend. Ein falscher Schritt oder ein unglückliches Wegrutschen auf dem nassen Untergrund würde dazu führen, dass man mehrere Meter den Abhang herunterstürzen würde. Mit Wanderschuhen und langsamem Abtasten kann aber auch diese Hürde überwunden werden.

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Die Erntehelfer konnten zahlreiche Trauben lesen.
Marvin Conradi

Jetzt stellt sich allerdings die Frage: Wo stellt man eigentlich den Eimer in diesem Gefälle hin, ohne dass er mitsamt den Trauben den Hang herunterfällt? Die erste Idee: mitten in den Hang. Der Eimer hält auch kurz, ehe er nach einer falschen Bewegung aber mitsamt den Trauben gen Abhang purzelt. Einer der Erntehelfer sagt trocken: „Mach' dir keinen Kopf, das ist jedem von uns schon passiert.“ Schnell die Trauben wieder aufgesammelt, und schon findet der Traubeneimer einen neuen Platz zwischen den Weinreben.

Manche Winzer erleben eine problematische Lese

Die Weinlese des Jahres 2024 im Mittelrheintal fiel sehr unterschiedlich aus: „Von der ganzen Bandbreite war alles dabei“, erklärt Fetz und verweist auf verschiedene Kollegen im Mittelrheintal, die aufgrund der drastischen Spätfröste Ende April bis zu 75 Prozent ihrer Ernte verloren haben. Für ihre Arbeit bekommen die Erntehelfer den Mindestlohn, weswegen es für den 61-Jährigen fatal wäre, wenn dieser weiter steigen würde. Steigen die Kosten, müsste der Wein für einen höheren Preis an den Kunden verkauft werden, damit sich die ganze Arbeit finanziell rentiert. Zudem fordert Fetz, der auch Weinbaupräsident am Mittelrhein ist, die Politik dazu auf, die Steillagen weiter zu fördern, da der biodiverse Mehrwert extrem wichtig sei.

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Abraham Rexhepi ist der einzige festangestellt Mitarbeiter im Weingut Fetz.
Marvin Conradi

Die Arbeitsbelastung für den Rücken im Steilhang hält sich derweil in Grenzen, auch wenn sich dieser ab und zu durchaus bemerkbar macht. Viel schlimmer ist die Beanspruchung für die Achillessehne. Aufgrund der stehenden Arbeit im Gefälle wird der Bereich um die Fußgelenke ganz besonders belastet. Hier hilft es entweder, die Beine mal auszustrecken, oder die Arbeit sitzend auszuüben – auf dem nassen Boden.

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Heinz-Uwe Fetz zeigt er die Edelstahltanks des Weinguts.
Marvin Conradi

Egal wie – die kleine Kaffeepause mit belegten Brötchen und Kuchen, für die die Zeit inzwischen gekommen ist, tut gut. In der Pause ist auch Zeit für ein bisschen Smalltalk mit den Kollegen. Neben Muders und Fetz ist der Kosovare Abraham Rexhepi der einzige Festangestellte, der bereits seit dem Kosovokrieg im Weingut Fetz mitarbeitet. Die restlichen Erntehelfer ergeben sich von Tag zu Tag meist zufällig. „Üblicherweise sind wir von 8 bis 17 Uhr im Hang“, erklärt Muders.

Wie es mit den Trauben nach der Lese weitergeht

Weiter geht's. Die gepflückten Trauben werden zunächst oben am Hang in zwei große Bottiche geschüttet. Wenn diese voll sind, fährt Muders sie zum naheliegenden Weingut, wo diese weiter verarbeitet werden. Die Trauben werden schonend per Förderband in die Kelter befüllt und über vier Stunden sanft ausgepresst. Der daraus entstandene Most wird durch natürliche Sedimentation über 24 Stunden von den Trubstoffen geklärt. Dieser wird dann in das Gärgebinde (Edelstahltank oder Holzfass) gepumpt und vergärt dort mit weinbergseigenen Hefen, was man im Fachjargon Spontangärung nennt. Der Wein reift nach Gärende, meist um Weihnachten, auf der Hefe und wird nach einmaliger Filtration im darauffolgenden Frühjahr/Sommer gefüllt. Nach einer Filtration erfolgt die erste Füllung des Jahrgangs 24 je nach Rebsorte also im März und April. Beim Riesling wird es meist Sommer.

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Von den Weinbergen in Dörscheid hat man einen wunderbaren Blick auf die Schönburg. Direkt am Rhein erkennt man das Rhinelander Stadion in Oberwesel.
Marvin Conradi

Ein halber Tag im Steilhang reicht, um herauszufinden, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine harte Sache handelt, die nicht für jedermann ist. Die beiden Winzer Fetz und Muders wissen das – es gibt schon seit vielen Jahren Probleme, Erntehelfer zu finden. Weintrinker, auch neue, hingegen finden sich zum Glück leichter. Muders gibt Neulingen einen Rat mit: „Mit Vernunft und Spaß ganz viel in den Weinbaugebieten probieren. Ich glaube, wir Winzer sind über jeden Gast froh, der auf den Hof kommt und ein wenig Interesse mitbringt“, sagt der 32-Jährige und betont: „Gerade Weintrinker sollten die unverwechselbaren Steillagen des Mittelrheins bei jedem Schluck zu schätzen wissen. Denn die sind einzigartig!“

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