Bundesgerichtshof bestätigt Haftstrafen und stellt klar: "Hells Angels MC Bonn" mit Klubhaus im Kreis Neuwied war eine kriminelle Vereinigung
Spektakulärer Rockerprozess in Koblenz: Chefs der „Höllenengel“ endgültig verurteilt
Razzia auf dem Gelände der „Höllenengel“ im Kreis Neuwied: Es ist seit dem Verbot der „Hells Angels MC Bonn“ im Jahr 2016 beschlagnahmt. Darüber wird vor Gericht noch gestritten. Die Chefs der kriminellen Vereinigung sind jetzt aber rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. Die „Höllenengel“ mit ihrem früheren Klubhaus im Kreis Neuwied haben jahrelang Gerichte beschäftigt. Jetzt kann unter den spektakulären Koblenzer Rockerprozess immerhin in vier Fällen ein dicker Schlussstrich gezogen werden: Die Urteile des Landgerichts gegen vier frühere Mitglieder der verbotenen kriminellen Vereinigung „Hells Angels MC Bonn“ sind jetzt rechtskräftig. Die Revision von früheren Mitgliedern des verbotenen Motorradklubs scheiterte vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

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Drei Männer, darunter der Boss aus dem Kreis Neuwied sowie sein Bruder und Vize, wurden wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und unerlaubtem Waffenbesitz zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Der frühere Chef des verbotenen Motorradklubs kassiert endgültig eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Sein sogenannter „Vice President“ sowie der für die Disziplin zuständige „Sergeant at Arms“ wurden zu je zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Ein vierter „Höllenengel“ kommt mit einer Bewährungsstrafe (ein Jahr und sechs Monate) davon. Nach Kenntnis des Koblenzer Oberstaatsanwalts Thorsten Kahl ist mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung erstmals in Deutschland eine regionale Organisation der Hells Angels als kriminelle Vereinigung verurteilt worden.

Der frühere Rockerchef war 2015 bei einer bundesweiten Razzia gegen die Rockerszene verhaftet worden und saß danach bereits 898 Tage hinter Gittern. Er war der Letzte, der während des Prozesses noch lange in Untersuchungshaft saß. Wie Oberstaatsanwalt Kahl sagt, werden die rechtskräftig zu Haftstrafen Verurteilten zum Strafantritt geladen. Ob die drei Männer die Haft aber antreten müssen, hänge davon ab, wie hoch die jeweilige Freiheitsstrafe nach Abzug der verbüßten Untersuchungshaft noch ist. Danach werde geprüft, ob eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Anträge dazu werden erwartet.

Jahrelanger Prozess

Die letzten Urteile in diesem umfangreichen Verfahren waren erst zweieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses im Juni 2018 gefallen, nicht wie zunächst noch erwartet Ende 2016. Alle Angeklagten gehörten dem straff organisierten „Hells Angels Motorradclub Bonn“ an. Sie frönten aber nicht nur ihrem teuren Motorradsport, sondern lieferten sich in ihren szenetypischen Kutten teils auch heftige Revierkämpfe mit konkurrierenden Rockerklubs. Sie trafen sich im (später beschlagnahmten) Klubhaus in Neustadt-Unterelsaff (Kreis Neuwied) auf einem riesigen Gelände mit altem Bahnhof, Grillhütte und Pool. Dort wurde zeitweise auch ein Waffenarsenal gelagert. Die Vorwürfe der Koblenzer Staatsanwaltschaft gegen neun Mitglieder füllten im Juli 2015 eine Anklage von 400 Seiten. Dazu gehörten damals 18 Bände Hauptakten sowie noch etwa 100 Personen- und Fallakten. Sechs Angeklagte saßen damals in Untersuchungshaft.

Ebenfalls ungewöhnlich im Verfahren: Um die Rocker zu überführen, gründete das Landeskriminalamt den Pseudo-Motorradklub „Schnelles Helles“, dem auch verdeckte Ermittler der Landeskriminalämter von Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und des Bundeskriminalamts angehörten. Damit wollten Fahnder testen, ob die Rocker den neuen Klub dulden. Als man eine Verbotsverfügung erhielt, sah man seinen Auftrag als erfüllt an.

Auf Dauer verboten

Mit den früheren „Höllenengeln“ müssen sich auch Verwaltungsgerichte seit Jahren beschäftigen. Nachdem der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Rocker vom Verein „Hells Angels MC Bonn“ als kriminelle Vereinigung im November 2016 verboten hatte, wehrten sich 14 frühere Mitglieder dagegen. Aber sie scheiterten im Dezember 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig. „Das Verbot gilt unbefristet“, betonte ein Gerichtssprecher.

Das bestätigte Vereinsverbot des Bundesinnenministeriums hatte das von Minister Roger Lewentz (SPD) abgelöst, das der im März 2016 vor einer Razzia verfügte. Aber dieses hatte das Oberverwaltungsgericht in Koblenz gekippt. Weil der Klub nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in NRW Machtansprüche in Revierkämpfen durchsetzen wollte, sei nicht Lewentz, sondern der Bund für ein Verbot zuständig. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sprach Lewentz von einem „Erfolg im Kampf gegen organisierte Kriminalität“.

Für vier ehemalige „Höllenengel“ ist der Fall strafrechtlich nun größtenteils abgeschlossen. Gegen andere laufen aber noch Verfahren, wie die Staatsanwaltschaft bestätigt. Und auch der Streit ums ehemalige Klubhaus samt Gelände dauert an, das der Staat nach der OVG-Entscheidung zunächst zurückgeben musste, aber dann wieder versiegelte. Den Schlüssel dafür hat seit Jahren der Bund in der Hand. Aber die Klagen dagegen laufen – wie schon bei der Verfügung des Landes – stets gegen die Kreisverwaltung Neuwied als Vollstreckungsbehörde. Bei ihr landen neben dem Ärger auch noch Kosten, auf denen sie teils sitzen bleibt. In dem noch laufenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Koblenz geht es um die Frage, ob das große Gelände bei der Beschlagnahme im November 2016 bereits wieder Privatbesitz war, „also der Bund zu spät kam“, oder ob es doch noch dem Vermögen des verbotenen Vereins anzurechnen war, wie der Bonner Anwalt Andreas Gronimus sagt. Er vertritt die ehemaligen „Höllenengel“ seit Jahren vor Verwaltungsgerichten.

Von Ursula Samary

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