Eder: „Schutz Daueraufgabe“
So will das Land Bürger besser vor Hochwasser schützen
Die Folgen eines Starkregens im Industriegebiet von Hochstetten-Dhaun macht die 3D-Simulation deutlich. In kurzer Zeit steht eine Halle knapp 1,30 Meter unter Wasser. Bald sollen die Visualisierung auch für die Bürger zugänglich sein - bis auf das eigene Haus genau.
Simulation "Hydrozwilling Rheinland-Pfalz"

Nach der schrecklichen Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 zog das Land die Lehren aus dem Unglück. Das Klimaschutzministerium legte einen Sieben-Punkte-Plan für mehr Schutz vor Hochwasser auf. Das Konzept wurde nun erweitert. Die Einzelheiten.

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Das Land Rheinland-Pfalz will sich und die Bürgerinnen und Bürger weiter vor Hochwasser und Extremwetterereignissen schützen. Es sei eine „dauerhafte Verpflichtung aus der verheerenden Ahrtal-Katastrophe“ im Juli 2021 mit 136 Toten in Rheinland-Pfalz, vorzusorgen, sagt die rheinland-pfälzische Klimaschutz- und Umweltministerin Katrin Eder (Grüne). Hochwasserschutz und -vorsorge blieben eine Daueraufgabe, einen kompletten Schutz könne es aber nicht geben. Am Mittwoch stellte sie die Erweiterung des im Herbst 2022 vorgestellten Sieben-Punkte-Plans vor. Die einzelnen Punkte:

  • Der Hydrozwilling:

Das Klimaschutzministerium erstellt für 3 Millionen Euro für das ganze Bundesland ein 3D-Simulations- und Visualisierungsmodell für Wassergefahren. Mit dem „Hydrozwilling Rheinland-Pfalz“, der bei der ersten Vorstellung im November 2023 noch „Visdom Rheinland-Pfalz“ hieß, soll jeder Bürger in der letzten Ausbaustufe sehen können, wie sich Starkregen- und Hochwasserereignisse auswirken – bis auf den Straßenzug und das eigene Haus genau. Gibt man eine beliebige Adresse im Bundesland ein, kann schon heute mithilfe des 3D-Simulationssystems die Starkregengefahr berechnet und prognostiziert werden.

Wie Annalena Goll, Referentin für Hochwasserrisikomanagement und Hydrologie im Ministerium, erklärt, sollen die Kommunen im vierten Quartal des Jahres einen Zugang zum System bekommen – zuerst für die Simulierung von Starkregengeschehnissen. Für die Bürger sollen die Modellierungen für Starkregen und Sturzfluten im Frühjahr 2026 kostenlos, aber in einer abgespeckten Version bereitstehen. Auf die Visualisierung von Überschwemmungen sollen die Menschen in Rheinland-Pfalz im Laufe des nächsten Jahres zugreifen können.

Der „Hydrozwilling Rheinland-Pfalz“ ist nach Angaben von Goll, die auch Leiterin des Kompetenzzentrums Hochwasservorsorge und Hochwasserrisikomanagement ist, für die Kommunen kostenlos. Sie können eigene Daten eingeben und somit die Datenbasis der Modelle verbessern. Eder spricht mit Blick auf den Hydrozwilling von einem „Quantensprung“ und ganz praktischer Hilfe für die Bürger. Denn mit dem Modell soll auch die Wirkung möglicher Schutzmaßnahmen (Standorte von Türen und Fenstern etc.) beurteilt werden können. Und: Mit dem 3D-Simulations- und Visualisierungsmodell werden alle Hochwassergefahrenkarten für alle Risikogewässer des Landes neu berechnet. Sie sollen voraussichtlich bis zum Ende des Jahres vorliegen.

  • Hochwasser-Risikocheck online:

Neu ist ein Hochwasser-Risikocheck im Internet, der ab Mitte 2026 gebührenfrei zur Verfügung stehen soll. Er richtet sich vor allem an Hausbesitzer und Mieter, aber auch die Industrie. Das Hochwasserkompetenzzentrum Köln (HKC) baut für Rheinland-Pfalz ein Online-Tool, das eine Bewertung der Gefahr durch ein Hochwasser oder eine Sturzflut anzeigen und konkrete Maßnahmen zur Schadensminimierung bereitstellen soll. Das Tool greift hierbei unter anderem auf die Daten des Hydrozwillings zurück.

  • Satellitenkommunikation für Pegel: 

Während der Flutkatastrophe im Ahrtal waren etliche Wasserpegel ausgefallen, weswegen keine Daten an die Einsatzzentralen geliefert werden konnten. Das Ziel des Klimaschutzministeriums ist eine hochwasserunabhängige, sichere Datenübertragung, auch wenn Telefon- und Mobilfunknetze ausfallen. Hierfür testet das Ministerium seit November 2023 an zwei Pilotstandorten die Satellitenkommunikation: einmal in Bad Bodendorf an der Ahr (Kreis Ahrweiler), einmal in Odenbach am Glan (Kreis Kusel). Die Teststationen lieferten zuverlässig über Satellit Wasserstandsdaten, berichtet Referentin Goll. Die Ergebnisse der Versuche liegen laut Goll im Herbst vor.

Die rheinland-pfälzische Klimaschutz- und Umweltministerin Katrin Eder.
Helmut Fricke/dpa
  • Überprüfung aller RLP-Pegel: 

Derzeit werden alle 175 Landespegel (daneben gibt es noch kommunale) überprüft. Müssen sie wegen eines möglichen Extremhochwassers höhergelegt werden? Muss für den Extremfall ein zweiter Pegel her? Diesen Fragen wird im Ministerium nachgegangen.

  • Berücksichtigung historischer Hochwasser in den Pegelstatistiken: 

Wie Klimaschutzministerin Eder erklärt, würden die Daten historischer Hochwasser in die Berechnung etwa eines HQ 100 und die Darstellung auf der Seite der Hochwasservorhersagezentrale Rheinland-Pfalz auf www.hochwasser.rlp.de einfließen. Hierzu würden historische Wasserstandsmarken umgerechnet. Arbeiten hierfür laufen an der Kyll, Vorbereitungen an der Wied. Neu ist übrigens laut Eder, dass die kommunalen Pegel ebenfalls auf hochwasser.rlp.de abgebildet werden.

HQ 100 steht für ein 100-jährliches Hochwasser, das heißt, eine Überflutung, die im statistischen Mittel alle 100 Jahre auftritt. Nicht abgebildet würden dagegen Daten zu den Werten historischer Ereignisse, an der Ahr zum Beispiel die Fluten 1804 und 1910 – sondern lediglich die Informationen der Pegelstände, seitdem diese im Einsatz sind.

  • Fachberatung Wasserwehr: 

Ein Element des Sieben-Punkte-Plans und wichtig für die kommunalen Einsatzzentralen: die Fachberatung Wasserwehr. Lokale Katastrophenschützer hatten nach der Flut 2021 kritisiert, mit den Rohdaten zur Hochwasserwarnung und -vorhersage teils nur wenig oder gar nichts anfangen zu können – und so letztlich auch nicht die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Eder kündigte deshalb an, bei den Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGDen) im Land jeweils eine Fachberatung Wasserwehr anzusiedeln. Die sechs Stellen, jeweils drei bei der SGD Nord und SGD Süd, blieben lange unbesetzt.

Nun informiert die Grünen-Politikerin, dass fünf der sechs Stellen (drei bei der SGD Nord, zwei bei der SGD Süd) besetzt seien. Die Ausbildung der Kollegen laufe. Die Fachberatung soll eine Scharnierfunktion zwischen Landesamt für Umwelt (LfU) und kommunalem Katastrophenschutz übernehmen. Sie soll die Einsatzkräfte beraten, während einer Hochwasserlage und im Vorfeld. Eine komplette, zu jeder Tag- und Nachtzeit eingerichtete Rufbereitschaft wird es laut Referentin Goll allerdings nicht geben. Eder sagt, dass dies zum Beispiel an diesen sommerlichen Tagen nicht nötig sei. Die Rufbereitschaft werde aber bei besonderen Einsatz- und Hochwasserlagen sichergestellt, so die Mainzerin.

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