Schnell steht aber, von Experten wie vom Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg und der Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigt, fest: „Wir besitzen das Original“, das 1961 zu den Prunkstücken des Genfer Autosalons gehörte – das konnte der 52-Jährige unserer Zeitung exklusiv Anfang Juni berichten.
Dass es aber eine gefälschte Doublette geben muss, rief das vom Bundeskriminalamt eingeschaltete LKA in Stuttgart im März auf den Plan. Am 31. Mai gingen die Fahnder mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart bei einer Razzia in einer bekannten Fachfirma in der für Nobelkarossen bekannten Region in die Offensive. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart danach mitgeteilt hat, ließ sie zwei Mercedes 300 SL, ein Chassis Typ 300 SL, ein Gitterrohrrahmen für den Typ 300 SL sowie viele Unterlagen beschlagnahmen.
Seitdem aber hüllt sich die Anklagebehörde in Schweigen, weil die Ermittlungen andauerten. Der Vorwurf dabei: Verdacht des gewerbsmäßigen Betrugs mit dem Verkauf von gefälschten Oldtimern. Die durchsuchte Firma, die alle Vorwürfe vehement bestreitet, soll den Verkauf der mutmaßlichen Doublette vor Jahren vermittelt haben.
Wir sprachen jetzt mit Grieser über den Fall, der plötzlich ein grelles Licht auf einen weithin unbekannten Markt wirft, egal, wie die Ermittlungen enden. Denn dabei geht es auch um millionenschwere Geschäfte. Übrigens laufen vor dem Landgericht Stuttgart derzeit gleich zwei Prozesse, in denen es um Fälschungen geht. Zu den aktuellen Ermittlungen kann Grieser natürlich nichts sagen, aber er kann erklären, wie Fälscher generell vorgehen und auf welche Details er vor einem Kauf achtet.
Herr Grieser, Sie waren auch bei einem der beiden Prozesse anwesend. Um was geht es dabei im Kern?
In diesem Fall streiten zwei Besitzer von 300 SL Roadstern, die die gleiche Fahrgestellnummer haben. Einer gibt an, dass er sein Fahrzeug Anfang der 1970er-Jahre in Thailand gekauft und dann hat überarbeiten lassen. Der andere Besitzer, der beansprucht, das Original zu besitzen, hat seinen 300 SL Roadster 2015 in marodem Zustand aus Frankreich gekauft und dann restaurieren lassen. Beide Fahrzeuge sollen im Abstand von mehreren Jahren auch mal in der Werkstatt der durchsuchten Firma gewesen sein. Aber noch gilt der Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung. Von Spekulationen halte ich gar nichts.
Strafrechtlich muss das Gericht den Fall noch aufklären. Steht für Sie aber ein Fakt bereits fest?
Ja. Nur ein Fahrzeug mit entsprechender Fahrgestellnummer hat das Werk in Stuttgart im Jahr 1957 verlassen. Es handelt sich im Übrigen um die Nummer 198.042 75.00100. Bei dem anderen Verfahren geht es um ein 2007 von einem belgischen Unternehmer erworbenes Fahrzeug, dessen Identität offenbar manipuliert worden sei. Ein vorliegendes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die wahre Identität des Fahrzeugs eine andere ist und dieses 1990 in Aachen gestohlen wurde.
Oldtimer sind für den Inhaber des Unternehmens Depot3 in Mülheim-Kärlich, Ralph Grieser (52), Faszination und Passion pur. Denn diese Welt ist eine von besonderem Sound. Dass glänzender Lack edler Karossen plötzlich aber hässliche Kratzer bekommen kann und auch diese Luxusgüter nicht vor Fälschern ...Krimi um gefälschte Luxus-Oldtimer: Durch Händler aus Mülheim-Kärlich kommt der Betrugsfall ins Rollen
Warum sind Sie so gut informiert?
Im ersten Fall hat der Beklagte Kontakt zu uns aufgenommen, im anderen Fall der Kläger.
Wie gehen Fälscher vor – abseits der konkreten Fälle?
Das identitätsstiftende Merkmal für ein Fahrzeug ist nach Paragraf 59 der Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) der Rahmen des Fahrzeugs. Wenn beide Fahrzeuge die identische Fahrgestellnummer tragen, muss also ein Rahmen demnach manipuliert worden sein. In welcher Absicht auch immer. Anhand des Schlagbilds, das heißt der Form und Geometrie der eingeschlagenen Zahlenfolge, können wir zumindest Indizien für eine Manipulation erkennen.
Bei den 300 SL des Typs W198 waren beispielsweise, abhängig von dem Baujahr und der jeweiligen Nummer, die Fahrgestellnummern an unterschiedlichen Stellen. Der 300 SL Roadster des Baujahrs 1957 trägt die Fahrgestellnummer bis zur Nummer 481 am linken vorderen Längsträger. Ab Nummer 481, also ab der Fahrgestellnummer 198.042 75.00481, sitzt die Fahrgestellnummer auf dem ovalen vorderen Querträger. Die Methode von Fälschern: Sie schleifen die alte, an korrekter Stelle sitzende Fahrgestellnummer weg. Dann wird die Stelle wieder aufgezinnt und die ‚neue‘ Fahrgestellnummer an anderer Stelle eingeschlagen.
Wie oft haben Sie inzwischen solche Manipulationen gesehen?
Bei Modellen des Typs SL 300 habe ich solche oder ähnlich gelagerte Manipulationen bei einer deutlich zweistelligen Zahl gesehen.
Auf was achten Sie noch mit geschultem Blick?
Wenn beispielsweise die 0 zu gerade ist, die Geometrie des Schlagbilds nicht stimmt oder schlichtweg falsche Zahlenfolgen eingeschlagen sind, ist das schon ein sehr deutliches Indiz für eine Manipulation.
Kann ein 300 SL Roadster oder auch ein Flügeltürer komplett aus dem Nichts gebaut werden?
Das ist möglich. Ein Problem gibt es dann, wenn ein so gebautes Auto keine ordnungsgemäße Abnahme durch eine Prüforganisation bekommt und damit illegal am Straßenverkehr teilnimmt. Und zudem vielleicht sogar als Original mit erfundener Geschichte angeboten wird.
Zu Ihnen kommen inzwischen viele aufgeschreckte Oldtimerliebhaber. Was sagen Sie denen, wenn Sie mit Ihrem Team Manipulationen erkennen?
Wir ziehen Sachverständige mit der Spezialisierung auf Autoforensik hinzu. Und dann werden die Besitzer über das Ergebnis der Untersuchung informiert. Ich habe in dem Zusammenhang schon einige unangenehme Gespräche führen müssen.
Geht es dabei nur um die Enttäuschung über den Wertverlust?
Das spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Die Höhe des Verlusts bemisst sich danach, welchen Wert Sie für eine Fälschung definieren, mit der Sie nicht am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, sondern die Sie maximal als Kunstobjekt in Ihren Garten stellen können.
Ein anderer Aspekt betrifft doch dann sicherlich auch das H-Kennzeichen.
Auch das steht auf dem Spiel. Das 1997 eingeführte H-Kennzeichen dürfen Oldtimer ab einem Alter von 30 Jahren nach Vorlage eines Oldtimergutachtens tragen. Für sie gilt eine pauschale jährliche Kfz-Steuer in Höhe von 191,73 Euro. Wer aber unter Vorlage gefälschter Dokumente einem jüngeren Fahrzeug die Identität eines Oldtimers gibt, begeht schlichtweg Steuerhinterziehung. Hinzu kommt noch Urkundenfälschung. Dies muss geahndet werden. Es schadet der gesamten Szene.
Haben Sie eine Ahnung, wo die Doublette Ihres 300 SL abgeblieben ist?
Es gibt eine Vermutung.
Können Sie dazu mehr sagen?
Nein.
Sie haben auch nach der Gewissheit, das Original zu besitzen, viel Zeit in Recherchen investiert. Warum? Sie hätten doch das seltene Exemplar einfach gut verkaufen können.
Ja, das wäre einfach gewesen. Aber: Das historische Kulturgut ist begrenzt, und das ist ein wichtiger Aspekt. Wenn mehr Oldtimer eines Typs auf den Straßen fahren oder in Sammlungen stehen, als jemals in der damaligen Zeit das Werk verlassen haben, schadet dies der ganzen Szene. Und nicht zuletzt jedem Einzelnen, der beim Kauf eines Oldtimers einer Fälschung aufgesessen ist. Wir raten deswegen immer, sich Spezialisten hinzuzunehmen.
Wenn aus betrügerischer Absicht und aus Profitgier heraus ein an sich begrenztes Gut in Form von Kopien vervielfältigt wird, ist das nicht nur schlicht unanständig. Es ist gesetzeswidrig. Die aktuellen Ermittlungen in Stuttgart zeigen denn auch: Strafverfolgungsbehörden gehen bei einem Verdacht nicht mehr von einem Kavaliersdelikt aus, wenn Oldtimer manipuliert werden. Sie prüfen den Fall, egal, wie er am Ende ausgeht. Der aktuelle Vorgang hat die gesamte Szene aufgeschreckt, wie uns berichtet wird.
Das Gespräch führte Ursula Samary