Annette Eiden öffnet ein großes Einmachglas mit Holzspänen und hält ihre Nase darüber. „Die Eiche riecht ein bisschen baufällig, das kommt von der Gerbsäure.“ Dann geht sie zu dem Glas mit Douglasie: „Die riecht richtig gut. Nach Orange.“ Verschiedene Sorten zu riechen – das ist ein Zugang zum Thema Holz im Hunsrücker Holzmuseum in Morbach-Weiperath im Kreis Bernkastel-Wittlich. Man kann es aber auch schmecken, wie ein Stück getrocknete Rinde eines Zimtbaums aus Brasilien – samt Zimtstreuer – zeigt.
Historische Schätze aus Holz
Das Museum in einer früheren Schule und benachbartem alten Bauernhaus birgt viele historische Schätze aus Holz. Werkzeuge und andere Utensilien, die einst zum Alltag vieler Menschen gehörten und heute in Vergessenheit geraten sind. Wie ein „Kappesschneider“: Das ist ein Gerät, mit dem man Kohl schneiden konnte, sagt die Vorsitzende des Hunsrückvereins Morbach, welcher Betreiber des Museums ist. So etwas habe es auch in anderen Regionen früher gegeben.
Und Museumsleiterin Hildegard Nauerth-Mettler verweist auf ein mehr als 100 Jahre altes „Schlotterfass“. Das hölzerne Gefäß mit Wasser habe sich der Bauer an den Gürtel gehängt. Darin lag griffbereit ein Wetzstein, mit dem er die Sense schärfte. Kurios ist auch ein Hundewagengespann, bei dem ein Hund Reisig oder Körbe hinter sich herzog. „Der ortsansässige Metzger ist noch um 1900 mit dem Hundegespann durch die Orte gezogen und hat seine Wurst verkauft“, erzählt Eiden.
Traditionen sollen bewahrt werden
Solche Geschichten und vieles mehr – das will das Holzmuseum in Trägerschaft der Gemeinde Morbach bewahren. „Es geht um Traditionen und das Bewusstsein, wie haben die Menschen hier gelebt?“, sagt die Architektin Eiden. Und zudem um „allgemeingültige Themen, die es genauso im Hunsrück, in der Eifel und in der Pfalz gab“. Wie die Waldbewirtschaftung: „Holzarbeiten gab es schon immer.“ Die bis dahin benutzten Geräte hätten sich nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Einsatz der Motorsäge stark verändert. Das nach Kenntnis der Museumsleitung einzige Holzmuseum in Rheinland-Pfalz ist im waldreichsten Bundesland gut platziert. Dass es in Morbach steht, liegt auch daran, dass die Menschen dort schon seit Jahrhunderten vom Holz und mit dem Holz leben.
„Es gibt eine enge Verbindung zur Holz- und Sägeindustrie, zur verarbeitenden Industrie und zu den Gewerbebetrieben, die sich darauf stützen“, sagt der Morbacher Bürgermeister Andreas Hackethal (CDU). Und nennt als Beispiele dafür einen Blockhäuserbauer und Möbelhäuser. In der Morbacher Sägeindustrie werden laut Hackethal rund eine Million Festmeter im Jahr verarbeitet.
Wald und Natur im Umbruch
Die mit rund 3000 Hektar Wald landesweit drittgrößte waldbesitzende Gemeinde ist auch Sitz der Holzvermarktung Rheinland-Pfalz Südwest, einer von fünf kommunalen Holzvermarktungsorganisationen im Land – und für den Verkauf des Rundholzes von rund 260 Kommunen zuständig. Aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen seien Wald und Natur seit Jahren „im massiven Umbruch“, sagt Hackethal.
Es finde ein Waldumbau statt: Nicht nur die Fichte, die unter Trockenheit und Hitze besonders leidet, sondern auch heimische Arten wie die Buche würden zurückgedrängt. Vor rund 200 Jahren noch war die Fichte „der Brotbaum“ des Hunsrücks, der Eifel und im Westerwald, sagt Eiden im Museum und steht vor einem Teil eines Exemplars, das im Alter von 137 Jahren gefällt worden ist. „Die Fichte hat uns damals gerettet“, betont sie. Die nicht heimische Baumart wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts zur Aufforstung gepflanzt. „Der Wald war damals ziemlich abgeholzt.“
Die Fichte wächst schnell
Im 18. Jahrhundert sei viel Eiche nach Holland geliefert worden, um Schiffe zu bauen. „Man sagte immer: Für ein Schiff geht ein ganzer Wald unter.“ Zudem hatte die Holzkohlegewinnung für die Metallverarbeitung zum massiven Einschlag der Buche geführt. „Dann kamen die Preußen und hatten von einem Baum gehört, der schnell wächst. Das war die Fichte.“
Zu den Highlights im Museum gehört auch der Raum zum Waschen mit Holz. „Das erste Waschmittel ist aus Buchenholzasche entstanden“, erzählt Eiden zwischen Holzbütten und Waschbrettern. Die Asche wurde so lange gekocht, bis das Wasser verdunstet war – und zurück blieb die Pottasche. „Die Pottasche ist durchschlagend in ihrer Wirkung, sie macht weiß“, sagt sie. Um vor dem Waschen Schmutz aus der Kleidung zu klopfen, wurden flache Holzbretter – sogenannte Blauel – benutzt, die von der Form an Tischtennisschläger erinnern.
Auch Handwerk spielt im Museum eine große Rolle: Eine eigene Werkstatt ist für den Stellmacher eingerichtet, der früher Wagenräder aus Holz fertigte. Platz gibt es auch für den Drechsler mit Arbeitsbank sowie für die Besenbinder und Korbflechter. „Hier gab es die Hotten als Rückentragekorb“, sagt Lothar Schneiders vom Hunsrückverein. Sie wurden meist aus Haselnussruten hergestellt. Und die Holzschnitzerei zog früher Künstler nach Morbach.
Das Holzmuseum, das es seit dem Jahr 2000 gibt, ist kein Heimatmuseum, sondern ein Spezialmuseum zum Thema Holz. Es wird ausschließlich von Ehrenamtlichen betrieben. Knapp 90 Menschen seien involviert, sagt Nauerth-Mettler. Unter anderem für das ehrenamtliche Engagement ist das Haus im Mai vom Land Rheinland-Pfalz als Museum des Monats ausgezeichnet worden. Die Ehrung solle speziell kleine und mittlere Museen im Land mit ihren Schätzen in den Vordergrund rücken, hatte das Ministerium mitgeteilt.
Museum des Monats Mai
In Morbach sei knapp die Hälfte der größeren Sägewerksbetriebe in Rheinland-Pfalz angesiedelt, sagt der Geschäftsführer des Verbandes der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz, Clemens Lüken, mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße. Er ist auch Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Sägewerksverbandes. Um 1990 herum habe die Sägeindustrie in Morbach auch bundesweit zu den Größeren gehört.