Mainz – Der Seniorensport in Rheinland-Pfalz boomt: Nach Angaben des Landessportbundes verzeichneten die Vereine 2010 die meisten Neuzugänge in der Generation 60 plus. Der demografische Wandel ist möglicherweise nicht der einzige Grund für diese Entwicklung.
Gymnastik, Ballspiele und Seniorentanz – einige Sportvereine in Rheinland-Pfalz haben ihr Angebot für ältere Menschen ausgebaut. Der Grund: Immer mehr Senioren zieht es in die Vereine. 7000 Neuzugänge verzeichnete der Landessportbund in der Gruppe der über 61-Jährigen. In keiner anderen Altersklasse sind mehr Mitglieder hinzugekommen.
Der Sportbund Rheinland vergibt mittlerweile das Zertifikat „Seniorenfreundlicher Sportverein“. Viele glauben, dass der demografische Wandel diese Entwicklung angetrieben hat. Landessportbund-Sprecher Jochen Dick sieht noch einen weiteren Grund: Hinter den Zuwächsen stehe ein neues Gesundheitsbewusstsein der älteren Generation.
Der Landessportbund Rheinland-Pfalz in Mainz sieht Senioren klar auf dem Vormarsch: Die Altersklasse der über 61-Jährigen sei in diesem Jahr am meisten gewachsen, heißt es in einer Bestandserhebung für das Jahr 2010: 7000 neue Mitglieder zählen die Vereine in dieser Gruppe. Im Vergleich dazu nimmt die Zahl der Vereinsmitglieder zwischen 27 und 40 Jahren kontinuierlich ab. Hier sind sind 7000 Mitgliedschaften weniger als im Vorjahr zu verzeichnen. Verantwortlich dafür sind laut Landessportbund Anforderungen von Familie und Beruf, die sich an die Jüngeren stellten.
Der Trend, dass immer mehr ältere Menschen in die Sportvereine eintreten, zeichnet sich in den Zahlen des Landessportbundes bereits seit zehn Jahren ab. Seit dem Jahr 2000 sei die Gruppe der über 61- Jährigen um 64.000 Mitglieder gewachsen. Von „fitten Alten und fetten Jungen“ spreche man bereits mancherorts, sagt der Sprecher des Landessportbundes, Dick. Denn für ihn ist diese Entwicklung nicht allein auf den demografischen Wandel zurückzuführen. In den Zahlen drücke sich auch ein neues Gesundheitsbewusstsein der Älteren aus.
„Wenn im Ruhestand mehr Zeit da ist, lernen viele die Vorteile von Bewegung kennen“, sagt Dick. In den vergangenen Jahren hätten sich außerdem Sportarten verbreitet, die bis ins hohe Alter betrieben werden könnten, wie zum Beispiel Nordic Walking. „Viele Senioren haben erkannt, dass sie mit Sport gesünder durch das Alter kommen und länger leben“, berichtet Dick. Das schlage sich eben auch in den Mitgliederzahlen der Vereine nieder.
Viele Ältere treibe der Wunsch an, jung zu bleiben, glaubt Elisabeth Scherer-Laut von der Landesseniorenvertretung Rheinland- Pfalz in Mainz. Natürlich bewegten sich auch gerade die Älteren, die Sport bereits in jüngeren Jahren zu ihrer Gewohnheit gemacht hätten. Ein wichtiger Faktor sei aber auch die Geselligkeit: „Die Senioren kommen in Kontakt mit anderen Menschen. Das ist besser als allein zu Hause zu sitzen.“
Etwa ein Drittel der rund 3300 Vereine im Sportbund Rheinland (Koblenz) hat spezielle Angebote im Seniorensport – laut dem Leiter der Abteilung „Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport“, Benno Müller, vermutlich sogar noch mehr. Denn die letzte Erhebung dazu ist inzwischen etwa acht Jahre alt. Seither habe der Verband eine Vielzahl von Übungsleitern für den Seniorensport ausgebildet, berichtet Müller. Im Jahr gebe es dafür rund 30 Lehrgänge. „Die sind immer ausgebucht.“
Seit zehn Jahren wird laut Müller beim Sportbund ein spezielles Augenmerk auf Aktivitäten für Ältere gelegt. Dazu gehöre nun auch, dass Vereine für ihre Angebote ausgezeichnet würden. Das Gütesiegel „Seniorenfreundlicher Sportverein“ ist nach Verbandsangaben bundesweit einmalig. Dabei sei der Seniorensport angesichts des demografischen Wandels eine der großen Zukunftsaufgaben der Verbände, der Anteil der Älteren werde auch in den Vereinen immer größer.
Seit 2009 hätten bislang 50 Sportvereine das Zertifikat erhalten, berichtet Müller. Die Auszeichnung gilt für drei Jahre, danach kann sie neu beantragt werden. Eine der Voraussetzungen: Der Verein muss mindestens einen ausgebildeten Seniorenberater haben. „Er soll auch die passiven Vereinsmitglieder wieder zur aktiven Teilnahme motivieren“, erklärt Müller. Seit 2002 seien beim Sportbund 750 solcher Berater ausgebildet worden.
Zum Seniorensport gehöre Gymnastik oder die Rückenschule. Auch Seniorentanz zählt oft zum Programm. „Viele kommen aber aus dem Ballsport“, sagt der Experte mit Blick auf den Volkssport Fußball. Deshalb müsse es für diese Teilnehmer auch kleinere Ballspiele geben, „aber in einer viel, viel geringeren Intensität“.
„Mittlerweile machen auch hochbetagte Menschen noch Sport“, weiß Müller. So gebe es etwa von der Deutschen Sporthochschule in Köln das Projekt „fit für 100 – Bewegungsangebote für Hochaltrige“. Dabei ginge es dann beispielsweise auch um Bewegungen im Sitzen, wenn die Menschen im Rollstuhl säßen oder bettlägerig seien.
Nach Angaben des Sportbundes Pfalz in Kaiserslautern ist der Anteil der Senioren an der Mitgliederschaft der Sportvereine in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. 1985 lag er in der Pfalz noch bei gut sechs Prozent, in diesem Jahr sind es schon fast 17 Prozent. Der Breitensportreferent des Verbandes, Rainer Seitz, führt das vor allem auf die demografische Entwicklung zurück, die sich in diesen Zahlen widerspiegele.
Für die Vereine bedeute das, dass sie verstärkt auch spezielle Angebote für ältere Menschen entwickeln müssten. „Das wird immer mehr kommen, da bin ich mir sicher“, sagt Seitz. Derzeit stellten viele Vereine bei ihren Marketing-Aktivitäten vor allem den Aktivensport und den Jugendsport in den Mittelpunkt.
Ein Patentrezept für passende Senioren-Angebote gebe es nicht, glaubt Seitz. „Das muss jeder Verein letztlich individuell für sich herausfinden.“
Zu den Vorreitern im Bereich Seniorensport zählt Seitz zum Beispiel den TuS Diedesfeld in Neustadt an der Weinstraße. Dort ist zum Beispiel der Verantwortliche für den Seniorensport auch im Vorstand des Vereins vertreten. Es gibt eine ganze Reihe spezieller Angebote für Senioren, unter anderem auch eine Bauchtanzgruppe. Außerdem gibt es einen „Ältestenrat“. „Der ist das Herz des Vereins, der uns mit Rat und Tat zur Seite steht“, sagt der 1. Vorsitzende des Vereins, Alejandro Montaner.
In Trier im Verein FSV Trier-Tarforst wird Seniorensport auch zunehmend bedeutender. „Immer mehr ältere Menschen wollen sich fit halten“, sagt Übungsleiterin Elfie Schwarz. Sie legten auch Wert darauf, beim Training richtig gefordert zu werden. Der Verein, der insgesamt 1400 Mitglieder zählt, bietet für Senioren bereits zwei eigene Sportgruppen an. Unter dem Stichwort „Ganzkörpertraining“ treffen sich rund 50 Senioren einmal wöchentlich in einer eigenen Fitnesshalle. „Wir machen Gymnastik und verschiedene Übungen zum Muskelaufbau“, sagt Schwarz. Die Gruppen seien immer voll.
Die 41- bis 60-Jährigen machten bereits 18 Prozent der Vereinsmitglieder aus. Bei den 61- bis 99-Jährigen seien es 8 Prozent, sagt Schwarz. Der Anteil der Älteren nehme seit Jahren kontinuierlich zu. Neben den eigenen Seniorensport-Gruppen machten ältere Menschen gerne auch beim Nordic-Walken und Laufen mit.
Björn Schaffrinna (dpa)