Rheinland-Pfalz
Schritt für Schritt: Was (Fern-)Wandern in Rheinland-Pfalz ausmacht
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Unterwegs auf dem Moselsteig: Der Wanderweg mit einer Gesamtlänge von gut 360 Kilometern punktet mit landschaftlich besonders reizvollen Etappen. Er kann auch im europäischen Vergleich mithalten.
Jens Weber

Zu Fuß unterwegs in der Natur zu sein, das lieben viele Menschen. Und Rheinland-Pfalz gilt als wanderbares Land, hier gibt es Tausende gut ausgeschilderte Kilometer, die unter die Sohlen genommen werden wollen. Anlässlich des Tags des Wanderns am 14. Mai spricht unsere Zeitung mit einer Expertin über die Faszination des (Weit-)Wanderns.

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Einen Fuß vor den nächsten, immer der Nase nach – und idealerweise den Wegmarkierungen am Wegesrand: Wer wandert, will in der Natur unterwegs sein, Geist und Körper etwas Gutes tun. Hierfür gibt es in Rheinland-Pfalz jede Menge Möglichkeiten. Sei es auf Rundwegen, sei es auf der Strecke. Besonders Letzteres finde Liane Jordan reizvoll. Von A nach B unterwegs zu sein, schätzt die Wanderexpertin. Sie ist für den Deutschen Wanderverband tätig und spricht anlässlich des Tags des Wanderns am 14. Mai mit unserer Zeitung genau darüber: übers Wandern. Über die Lust am Gehen. Über die Philosophie des Vorankommens. Und über den wirtschaftlichen Faktor des Wanderns.

Der Deutsche Wanderverband hat seinen Sitz zwar in Kassel, er hat Rheinland-Pfalz jedoch vielerorts seine Stempel aufgedrückt, die mehr als willkommen sind. Der Verein zertifiziert Wanderwege: Wenn irgendwo vom „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ die Rede ist, wurde die Strecke von Liane Jordan beziehungsweise ihren Kolleginnen und Kollegen anhand diverser Kriterien ausgezeichnet, die ein Wandererlebnis garantieren wollen: viele naturbelassene Wege, abwechslungsreiche Naturschönheiten beispielsweise.

Qualitätssiegel für Routen

Durch Rheinland-Pfalz führen etliche dieser Qualitätswege: Aktuell gibt es zwölf teils länderübergreifende Fernwanderwege sowie rund 300 zertifizierte Rundwanderwege, teilt die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH (RPT) mit. Insgesamt vermarktet sie Wanderwege mit einer Gesamtlänge von etwa 3300 Kilometern. Neben dem Deutschen Wanderverband vergibt auch das Deutsche Wanderinstitut unter dem Namen „Premiumwanderweg“ Qualitätssiegel.

Als besondere Perle in Rheinland-Pfalz gilt etwa der Moselsteig, der, vom Deutschen Wanderverband als „Leading Quality Trail“ ausgezeichnet, auch im europäischen Vergleich punkten kann. Mitte April feierte der Steig mit seinen 365 Kilometern von Perl bis Koblenz zehnten Geburtstag. Er gehört somit zu den jüngeren Fernwanderwegen in Deutschland, hat sich aber bereits zum Klassiker aufgeschwungen, meint Liane Jordan. „Der Weg ist ein Magnet“, sagt die 43-Jährige.

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Liane Jordan ist beim Deutschen Wanderverband unter anderem für das Qualitätsmanagement Wanderbares Deutschland verantwortlich und koordiniert die Zertifizierung von Wanderwegen.
Jens Kuhr

Er zieht Menschen aus ganz Deutschland in die Moselregion. Jordan leitet beim Wanderverband das Qualitätsmanagement, koordiniert unter anderem die Zertifikatsvergabe, gibt Schulungen, hält Vorträge zum Thema und ist überall in Deutschland schon in Wanderschuhen unterwegs gewesen.

Dem Fernwandern schreibt die Expertin eine besondere Faszination zu: „Ich gehe von einem Punkt zum nächsten, erreiche am Ende eine Einkehr oder eine Unterkunft und wandere von dort weiter. Das hat etwas Ursprüngliches im Vergleich zu einer Rundtour. Die hat klar auch ihre Reize, aber eine Streckenwanderung hat eine ganz andere Philosophie des Vorankommens“, beschreibt Jordan.

Auf der Suche nach kürzeren Wegen

Diese Philosophie sei auf den „großen Nummern“ des Wanderns wie etwa den europäischen Fernwanderwegen vom Nordkap bis Sizilien oder Pilgerwegen wie dem Jakobsweg natürlich noch einmal deutlich ausgeprägter. „Solche Wege gehen viele Menschen – aber die Mehrheit der Wandernden ist klar auf der Suche nach kürzeren Wegen“, sagt die Expertin.

Es ist bereichernd, wenn man unterwegs ist und irgendwann sein Ziel sieht – oder sich umdreht und in der Ferne einen Turm erblickt und weiß: Den habe ich vor Stunden passiert. Das ist das erhebende Gefühl.

Liane Jordan

Rundwege wie hierzulande die Traumschleifen, Seitensprünge oder Traumpfade sind gefragt, ebenso Tagestouren oder auch einmal ein verlängertes Wanderwochenende, um ein paar Etappen eines Fernwanderwegs wie Mosel- oder Rheinsteig zu gehen. „Da kommt das Gefühl des Streckenwanderns ebenfalls auf“, meint Jordan. Wie sie es beschreibt? „Erhebend.“ Es sei bereichernd, „wenn man unterwegs ist und irgendwann sein Ziel sieht – oder sich umdreht und in der Ferne einen Turm erblickt und weiß: Den habe ich vor Stunden passiert. Das ist das erhebende Gefühl.“

Wirtschaftlich große Bedeutung

Ein Gefühl, das viele Menschen suchen: Corona hat dem Wandern einen Schub gegeben, der sich laut Liane Jordan zwar abgeflaut hat, tendenziell sei die Nachfrage aber nach wie vor da. Auch für den Tourismus in Rheinland-Pfalz spielt der Bereich „Natur & Aktiv“ eine wichtige Rolle. Er ist als eines von vier strategischen Geschäftsfeldern definiert, wie die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH mitteilt.

Generell seien Outdoor-Aktivitäten – und damit auch das Wandern – von großer Bedeutung für den Tourismus in Rheinland-Pfalz, erklärt RTP-Sprecherin Christina Ihrlich. Genaue Zahlen zu dieser Aussage lassen sich indes nicht liefern, da nicht erhoben wird, wie viele der 8,5 Millionen Menschen, die laut Statistischem Landesamt im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz übernachteten, als Wandertouristen kamen. Aus – teils repräsentativen – Befragungen wissen die Touristiker allerdings, dass das Interesse am Wandern in Rheinland-Pfalz ausgeprägt ist.

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Wandern ist eine beliebte Beschäftigung im Urlaub oder in der Freizeit. In Rheinland-Pfalz finden sich Wanderwege mit einer Gesamtlänge von mehr als 6000 Kilometern.
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Generell gilt Wandern als Wirtschaftsfaktor. Laut den aktuellen Zahlen des jährlich veröffentlichen Wandermonitors der Ostfalia-Hochschule geben Wanderer im Schnitt jährlich 11,2 Milliarden Euro aus. Diese Summe sei auf ganz Deutschland bezogen, „es lassen sich natürlich hier auch Ableitungen für Rheinland-Pfalz ziehen“, informiert RPT.

Die meisten der Wandernden bevorzugen übrigens Touren zwischen 12 und 14 Kilometer Länge und wandern am liebsten zwischen vier und fünf Stunden am Tag, erklärt Liane Jordan. Aus Befragungen des Deutschen Wanderverbands geht demnach auch hervor: Viele der Wandernden möchten zwischendurch in einem Café oder Gasthof einkehren oder am Ende eines Wandertags wissen, wo sich in einer Pension oder einem Hotel ein Bett für die Nacht findet.

Eine Frage der Verpflegung ...

Als eine der größten Herausforderungen für Fernwanderwege bezeichnet Jordan daher die touristische Infrastruktur entlang der Strecke beziehungsweise an den Etappenenden: Der Fachkräftemangel macht bekanntermaßen auch nicht vor dem Gastgewerbe halt. „Viele Betriebe können Öffnungszeiten nicht mehr garantieren, öffnen beispielsweise erst abends. Dann ist alles geschlossen, wenn Wanderer am Nachmittag einkehren wollen. Diese Entwicklung nimmt zu, das merken wir vom Verband extrem“, sagt Jordan.

... und der Unterkunft

Wobei Einkehren am Ende einer Tour das eine ist, die Frage nach der Übernachtung am Ende eines Tages eine ganz andere: Findet sich am Tagesziel kein Bett mehr, muss ein Transfer organisiert werden. Das sei eine Herausforderung für Wandernde. Und die Wegeverantwortlichen wiederum stünden in Zeiten dieses strukturellen Wandels vor der schwierigen Frage, wie man die Streckenwege so nutzbar gestaltet, dass man sie als Wanderangebot bewerben könne.

Der Deutsche Wanderverband ist hierzu im Austausch mit Wegverantwortlichen – oft sind es Wandervereine –, das Thema beschäftigt deutschlandweit, wenn auch mit unterschiedlichen Ausprägungen: Um beim Beispiel Moselsteig zu bleiben, meint Jordan: „Dort gibt es viele touristische Orte, die dank der Mosel und des Weins ohnehin gut besucht werden. Wenn das der Fall ist, finden auch Wanderer eine gute Unterkunft.“

Alternative Ideen sind gefragt

An Fernwanderwegen, die durch weniger touristisch erschlossene Gegenden führen, könne es infrastrukturell aber inzwischen anders aussehen. Jordan nennt den Eifelsteig als Beispiel, vor allem den nördlichen Teil. Auch im Pfälzer Wald, eigentlich bekannt für seine Hüttenkultur, nehme das Angebot leicht ab. Gar nicht erst zu sprechen von Regionen wie der Uckermark beispielsweise oder der Lüneburger Heide, wo es „wunderschöne Landschaft“ gibt – aber eben keine Einkehrmöglichkeiten mehr.

Eine Lösung können alternative Verpflegungsstationen am Wegesrand sein: Automaten beispielsweise, wie sie in etlichen kleineren Ortschaften ohnehin schon für die Nahversorgung auftauchen, oder auch Erdkühlschränke. „Da kann man ja auch kreativ sein“, meint Jordan. Kürzlich war sie für einige Tage privat im Saarland unterwegs, wo die Frage der Verpflegung entlang von Wanderstrecken die Verantwortlichen auch beschäftigt – und wo man bereits vermehrt auf Apfelschorle, Müsliriegel und mehr als Erfrischung für unterwegs aus dem Automaten setzt. Auf diese alternativen Verpflegungsstellen werde inzwischen auch in Broschüren und digitalen Informationen zum Wanderweg hingewiesen: „Richtig so“, meint die Expertin.

Die Frage, wie Wanderwege nachhaltiger und resilienter werden können, damit sie Extremwetter halbwegs unbeschadet überstehen, ist auch für uns vom Verband und unsere Wegepartner ein großes Thema.

Liane Jordan

Sich zeitnah über Lücken im Weg zu informieren, sei enorm wichtig. Sei es, wenn es um Lücken in der Versorgung geht, sei es, wenn sich sonst etwas an der Strecke ändert – wenn eine Etappe gesperrt ist beispielsweise. Oder wenn sich das Landschaftsbild wegen Sturmschäden oder Windkraftanlagen ändert. Oder weil der Borkenkäfer zugeschlagen hat und dafür etwa wie im Westerwald oder im Sauerland Hügel um Hügel abgeholzt werden musste. Jordan nennt auch den Ahrtalweg als Beispiel dafür, wie äußere Einflüsse Wanderstrecken zusetzen können.

Extremwetter setzt Wegen zu

„Die Frage, wie Wanderwege nachhaltiger und resilienter werden können, damit sie Extremwetter halbwegs unbeschadet überstehen, ist auch für uns vom Verband und unsere Wegepartner ein großes Thema“, sagt Jordan. Die eine Antwort auf diese komplexe Frage gibt es nicht, es müsse mit den Akteuren vor Ort geschaut werden, was notwendig ist.

Die Expertin nennt allerdings ein Beispiel: Um Bachläufe zu überqueren, könnten schwere Trittsteine im Wasser eine Holzbrücke ersetzen, die bei Hochwasser leicht beschädigt werden könnte. „Das Wichtigste ist allerdings im Fall der Fälle eine zügige Kommunikation, das ist immer unsere klare Empfehlung“, sagt Jordan. Man müsse den Wandernden schnell vermitteln: Du kannst sicher auf dem Weg unterwegs sein, aber diese und jene Etappe musst du aus diesem oder jenem Grund auslassen – oder eine alternative Route nehmen.

Was in Zeiten sozialer Netzwerke eigentlich einfach klingt, ist laut Jordan allerdings gerade wegen anderer digitaler Angebote eine Herausforderung: In Wander-Apps oder auf Wanderportalen kommen solche Informationen oft kurzfristig nicht an – im ärgerlichsten Fall steht der Wanderer also in einer Sackgasse. Ein dicker Minuspunkt beim Wandererlebnis. Dabei ist dieses doch das A und O für alle, die zu Fuß in der Natur unterwegs sind.

Wandern auf dem Eifelsteig
Eine Wandererin schnürt ihre Wanderschuhe.
Henning Kaiser. picture alliance/dpa

Und so ist letztlich auch die Qualität des Wandererlebnisses entscheidend, wenn es um die Zertifizierung eines Wanderweges geht, erklärt Jordan. Sowohl was die Erstauszeichnung angeht als auch die Nachzertifizierung: Alle drei Jahre prüft der Deutsche Wanderverband jeden seiner aktuell fast 360 ausgezeichneten Qualitätswege erneut.

Die Wünsche der Wandernden

Die wichtigsten Kriterien, um ein Qualitätssiegel zu bekommen und zu erhalten, basieren demnach „im Grunde auf den Wünschen der Wandernden“, meint Jordan: Es geht um möglichst naturbelassene Weggründe – viel Waldboden, wenig Asphalt. Es zählen ein gut ausgeschilderter Streckenverlauf, der landschaftliche Abwechslung garantiert: Wald, Gewässer, Fernsichten, naturräumliche Schönheiten oder auch (kultur-)historische wie Ruinen, Burgen oder Parks.

„Ein Wanderweg sollte reizvolle Punkte erschließen, einer meiner Kollegen spricht immer von Wandersehnsuchtsorten. Das finde ich sehr passend“, meint Jordan. Als solche Orte der Sehnsucht definiert der Deutsche Wanderverband insbesondere auch Szenerien, an denen sich Ruhe und Stille in der Natur genießen lassen. Orte, an denen der Alltag irgendwo hinter einem auf dem Weg zurückgeblieben ist. Ob es unterwegs Einkehrmöglichkeiten gibt, ist zwar ein riesiges Thema für den Wandertourismus und allen, die daran beteiligt sind. Auswirkungen auf die Zertifizierung hat dieser, von externen Faktoren abhängende Aspekt allerdings nicht, betont Jordan.

Was sie spannend findet: Die Kriterien des Wanderverbandes gelten in Deutschland und in Europa – und sind trotz landschaftlicher Unterschiede überall anwendbar. „Allein schon Deutschland ist so vielseitig, von Rügen bis Bayern, von der Eifel bis in die Oberlausitz. Trotzdem funktioniert es“, meint Jordan. Denn: Jede Region kann mit dem punkten, was sie ausmacht: der eigenen landschaftlichen Schönheit.

Welche gesellschaftliche Rolle spielt das Wandern?

Mit dem Tag des Wanderns am 14. Mai soll bundesweit darüber informiert werden, wie vielseitig das Wandern ist und welche gesellschaftliche Rolle es spielt: Ehrenamtliche Strukturen und aktive Wandervereine, die unter dem Dach des Deutschen Wanderverbands organisiert sind, haben eine große Bedeutung. Um sie hervorheben, wird der Aktionstag seit 2014 begangen. Bundesweit bieten Vereine und Initiativen Veranstaltungen zu Themen wie Wandern, Wegepflege Naturschutz, Gesundheit und mehr an. Weitere Informationen unter www.wanderverband.deame

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