Das Persönliche ist an diesem Montagabend mit 140 Gästen im komplett gefüllten Saal der Vulkanbrauerei vermeintlich schnell erzählt: Linda Weis, Landesgeschäftsführerin der Jungen Union, reicht einige vergrößerte Fotos in den Raum, die ihr Gesprächspartner Gordon Schnieder zu eben diesem Zweck ausgesucht hat. Man erfährt so unter anderem, dass er 25 Jahre im Kirchenchor aktiv war, immer am Abend des 23. Dezember mit alten Freunden Siwweströöm (Eifel-Poker) spielt, seinen in Daun absolvierten Wehrdienst bis heute als prägende Zeit sieht und in seinem 1000-Seelen-Heimatort Birresborn das Haus der Eltern übernommen hat.
Lieber Schlager als Pop, lieber „Traumschiff“ als „Tatort“
Außerdem stellt ihm Weis einige Gegensatzfragen, zum Beispiel „Schlager oder Pop?“ Antwort: Schlager. Ferner darf er auf dem heimischen Fernsehbildschirm tendenziell eher das „Traumschiff“ mitverfolgen als den „Tatort“. Gesamteindruck: jemand, dem man ohne Zögern den Wohnungsschlüssel anvertraut, damit er während des Urlaubs die Blumen gießt. Nur dass wir an diesem Abend in der Brauerei eben doch nicht bei einer Kuppel-Show im Privatfernsehen sind, sondern in einem der härtesten Geschäfte des Alltags: der Politik. Warum also dieses persönliche Gesprächsformat?
Wir sind ein knappes Jahr vor der Landtagswahl, und die gewinnt man in Rheinland-Pfalz nur, wenn man „nah bei de Leut“ ist. Diese eherne Feststellung von Kurt Beck gilt immer noch. Und die SPD hatte mit Beck und auch Malu Dreyer über Jahrzehnte wirklich begnadete Menschenfischer an ihrer Spitze, die schon allein deshalb Garanten für Wahlsiege waren. Dass Alexander Schweitzer in dieser Hinsicht ähnlich talentiert ist, ist nicht auszuschließen, muss sich aber noch weisen. Da muss man auch als CDU wohl einfach persönlich werden.

Allein, es wäre unfair – das zeigt sich im Lauf des Abends –, Schnieder ausschließlich solches Kalkül zu unterstellen. Das Sich-Öffnen ist ihm sichtlich ein echtes Anliegen, er kommt mit vielen Details komplett authentisch rüber. Im Haifischbecken Politik ist das grundsätzlich nicht ohne Risiko. In Mendig ist es aber überschaubar, viele Zuhörer sind Parteifreunde oder der Union zugetan. Und exakt hier stößt man auf die zweite Ebene des Abends: Schnieder testet Themen.
Auch das geschieht spielerisch. Das Publikum kann ihm auf Bierdeckeln Fragen stellen. Die Wunsch-Deckel an seinen Bruder Patrick als neuen Bundesverkehrsminister nimmt er noch schmunzelnd entgegen. Aber bei anderen Antworten macht er rhetorisch richtig Druck.
Kommunalfinanzen etwa: Es stelle sich die Frage, ob die jetzige Landesregierung kommunale Selbstverwaltung überhaupt noch wolle oder nicht alles von Mainz aus bestimmen möchte. Lauter Applaus. Schnieder ist Diplom-Finanzwirt. Mit Zahlen kennt er sich aus, er kann den Landeshaushalt in Sekunden bis zur kleinen, nicht gebauten Brücke sehr anschaulich herunterbrechen. „Wir brauchen Vertrauen in die Experten vor Ort und nicht nur Förderschecks“ – das kommt an. An dieser Stelle fühlt man erstmalig die heiße Phase eines Wahlkampfs heraufflimmern.
Ganz viel klassische CDU
Wie auch bei Wehrpflicht, illegaler Migration und doppelter Staatsbürgerschaft. Wobei Schnieder mit der AfD dezidiert nichts zu tun haben möchte: „Es wird keine Zusammenarbeit geben, auch nicht auf kommunaler Ebene.“ Man müsse die Probleme der Menschen lösen und nicht länger die AfD groß reden oder schreiben. Ohne Medienschelte geht es bei den Christdemokraten halt schon seit Helmut Kohl nicht mehr...
Gescholten werden dann auch die „Gleichmacherei in den Schulen“ und die „planlose Konkurspolitik“ bei der Krankenhauslandschaft. Auch das sind sichere Treffer im Saal. Dann ist nach etwa 90 Minuten der letzte Bierdeckel abgearbeitet. Schnieder hat noch etwa 20 Stationen seiner Landesbereisung vor sich. Am Ende wird man ihn besser kennen, aber vor allem wird er wissen, wo man erfolgversprechend „nah bei de Leut“ sein könnte. Sein Eifeler Mineralwasser trinkt er übrigens prinzipiell klassisch, nur mit Sprudel. Und seinem Publikum reicht er ganz viel klassische CDU.