Betzdorf. Die Stellungnahme eines Personalrats wirft ein neues Licht auf die „Schnitzel-Affäre“ in Betzdorf im Kreis Altenkirchen.
Die Lehrerin Ursula Emde hatte dort im Februar beim gemeinsamen Mittagessen der Schüler versehentlich Schweine- statt Hähnchenfleisch an muslimische Kinder verteilt – und unterrichtet seitdem nicht mehr. Sie sieht sich vom Schulleiter „suspendiert“, ist seit Anfang März aber fortlaufend krankgeschrieben, obwohl Schulbehörde und Schulleitung mehrfach klarstellten, dass die 61-Jährige nicht suspendiert wurde (unsere Zeitung berichtete). Der Bericht des Personalrats zu den Vorgängen, der unserer Zeitung jetzt vorliegt, legt jedoch nahe, dass der Schulleiter zumindest unverhältnismäßig reagierte.
Der Personalrat äußert die Sorge, dass andere Lehrerkollegen deshalb verunsichert sein könnten. Mehrere Eltern muslimischer Kinder hatten sich persönlich bei Schulleiter Alexander Waschow über Ursula Emde beschwert, weil sie nach dem Telefonat einer Mutter mit der Lehrerin den Eindruck hatten, diese nehme die Essensvorschriften für Muslime nicht ernst. Emde hatte in dem Telefonat erklärt, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass an der Schule verschiedene Fleischsorten serviert werden. Als die Lehrerin am folgenden Montag ihren Dienst antreten will, kommt es zum ersten Gespräch mit dem Schulleiter, der Konrektorin und dem Personalrat. Dieser schreibt in seinem Bericht: „Er (der Schulleiter, Anm. d. Red.) sagte (sinngemäß), dass er den Schulfrieden gefährdet sehe, vor allem wenn in dieser prekären Situation Frau Emde unterrichten würde.“
Auf den Personalrat machte Ursula Emde bis dahin den Eindruck, dass sie „die Situation bei Weitem nicht so ernst eingeschätzt hatte wie der Schulleiter, weil sie sich keiner größeren Schuld bewusst zeigte“. Auf die Anordnung des Schulleiters „Jetzt kein Unterricht!“ habe sie ungläubig nachgefragt: „Wie – kein Unterricht? Aber ich muss doch jetzt gleich in meine Klasse.“
Daraufhin habe der Schulleiter noch einmal deutlich „die Suspendierung“ wiederholt. „Frau Emde werde jetzt wegen der prekären Situation vom Unterricht befreit, sie solle auch nicht in der Schule bleiben, sondern sich zu Hause zur Verfügung halten, bis er mit der vorgesetzten Dienstbehörde Kontakt aufnehmen könne, um das weitere Vorgehen zu planen.“
Das Gespräch mit einer Vertreterin der Schulbehörde kann bereits am nächsten Tag stattfinden. Darin weist der Schulleiter laut dem Bericht „deutlich auf die Schwierigkeiten hin, wenn Frau Emde weiterhin an unserer Schule unterrichten würde“. Nach verschiedenen Kommentaren der anderen Teilnehmer soll Schulrätin Hees-Groß den Vorschlag gemacht haben, „dass es für alle Beteiligten am besten wäre, wenn Frau Emde an einer anderen Schule unterrichten würde“. Die einfachste Lösung wäre es, „wenn Frau Emde selbst einen Antrag auf Schulwechsel stellte“. Weil Ursula Emde zunächst nicht reagierte, „war ich nicht sicher, ob sie die Tragweite dieses Vorschlags von Frau Hees-Groß verstanden hatte“, schreibt der Personalrat. Er habe für sie deshalb die wichtigsten Punkte noch einmal wiederholt: Sie solle sich entscheiden, ob sie an der Schule bleiben oder sich um eine Versetzung bemühen will. Daraufhin habe niemand dieser „Übersetzung“ widersprochen, im Gegenteil. Die Schulrätin „stellte in Aussicht, umgehend eine passende neue Schule für Frau Emde zu finden“.
Die Lehrerin erklärte, „dass sie im Moment nicht in der Lage sei, eine sofortige Entscheidung zu treffen“. Alle Beteiligten signalisierten dafür „volles Verständnis“. Man vereinbarte, dass Ursula Emde sich am nächsten Tag telefonisch meldet, um ihre Entscheidung mitzuteilen.
Weil er Zweifel hegte, ob die Lehrerin verstanden hatte, dass es allein ihre Entscheidung sei, ob sie an der Schule bleibt oder wechselt, bekräftige der Personalrat dies noch einmal am Nachmittag in einem Telefongespräch mit der Lehrerin. Ursula Emde interpretierte die Gespräche jedoch anders: Sie fühlte sich, „an der Schule nicht mehr willkommen“, ist „maßlos enttäuscht“ und kommuniziert seither nur noch über den Anwalt, ihren Ehemann, mit der Schulbehörde ADD. Auf mehrere Einladungen zum Gespräch hat sie laut dieser nicht mehr reagiert. Ursula Emde klagt inzwischen gegen ihre Freistellung vom Unterricht, die sie nach wie vor als Suspendierung empfindet.
In seiner „persönlichen Bewertung“ des Vorfalls fügt der Personalrat an, dass die Kollegin seines Wissens „ihren Dienst immer vorschriftsmäßig versehen hat“. Der Fehler bei der Essensausgabe sei damit der erste ihm bekannte Vorfall ihrer Laufbahn.
Es gehöre ferner seit Jahren zur Schulkultur, dass sich streitende Parteien zuerst einmal miteinander aussprechen, etwa an einem runden Tisch. Weiter heißt es: „Ich bedaure, dass es bis heute wegen der Überstürzung der im Einzelnen bekannten Ereignisse nicht zu dieser wichtigen Form der Aussprache und Problembewältigung gekommen ist.“ Wenn diese Vorgehensweise zur Regel würde, „müsste jeder Lehrer damit rechnen, dass er – bei Elternbeschwerden bei der Schulleitung – keine Chance erhält, sein Verhalten im konkreten Fall der Gegenpartei zu erklären“.
Auf Nachfrage unserer Zeitung bei der Schulbehörde, ob sie die Reaktion des Schulleiters für angemessen hält, antwortet diese: „In einer Situation, in der es zu Unstimmigkeiten an einer Schule kommt, ist es immer besser, zunächst ein Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen.“ Viele Situationen ließen sich dadurch lösen.
Die ADD bestreitet, dass der Lehrerin in besagtem Gespräch mit der Schulrätin ein Schulwechsel nahegelegt wurde. Es sei lediglich über „verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit der entstandenen Situation“ gesprochen worden. Die Versetzung eines Lehrers sei „wirklich das allerletzte Mittel, wenn alle anderen Wege gescheitert sind“. Dies sei nach dem ersten Gespräch mit der Lehrerin nicht der Fall gewesen. Man habe sie in weiteren Gesprächsangeboten auch deutlich darauf hingewiesen, dass sie ihren Dienst an der Schule nach ihrer Genesung wieder aufnehmen kann.
Die Bedenken des Personalrats gegen die „Vorgehensweise“ teilt man bei der Schulbehörde nicht. „Die Eltern haben etwas vorgebracht, und natürlich ist es sinnvoll, da zunächst mit allen Beteiligten zu sprechen.“ In einer Schule sei die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrkräften besonders wichtig. Der Fall ist nach wie vor verfahren. Die Lehrerin und ihr Ehemann sind entschlossen, die Affäre vor Gericht auszufechten. Und die ADD dringt auf eine Vermittlung, die immer unwahrscheinlicher erscheint. Im Februar geht Ursula Emde in Pension.
Von unserer Redakteurin Rena Lehmann