Es ist einer der wohl meistbenutzten Begriffe von Politikern – und ein Vorhaben, das sich inzwischen fast alle Volksvertreter auf die Fahnen geschrieben haben: die überbordende Bürokratie abbauen. Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung möchte die Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltungen von Bürokratismus entlasten. Ende September stellte Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) ein ganzes Maßnahmenpaket mit 57 Absichten vor. Eines davon: die Zentralisierung von Großraum- und Schwerlasttransporten.
Die Wochen andauernden Genehmigungsverfahren für solche Transporte sollen nach dem Willen der Landesregierung und der rheinland-pfälzischen Wirtschafts- sowie Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) zentralisiert werden – und damit deutlich an Tempo aufnehmen. Wie das Wirtschaftsministerium auf Anfrage bestätigt, soll beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) mit Hauptsitz in Koblenz eine zentrale Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde für Großraum- und Schwertransporte errichtet werden. Für die Übergabe der Aufgabe an den LBM ist das Jahr 2026 anvisiert, teilt eine Sprecherin mit.
Widerstand rührt sich nicht nur bei den Schwertransport-Unternehmen
Das Problem: Gegen die Zentralisierung gibt es massive Widerstände. Von den Unternehmen, von den Kommunen und vom rheinland-pfälzischen Landkreistag. Aktuell zuständig für die Genehmigung der Spezialverkehre sind in Rheinland-Pfalz die Landkreise und Städte. Wirtschaftsministerin Schmitt will an dem Zentralisierungsplan jedenfalls unbedingt festhalten. Dazu später mehr.
Großraum- und Schwerlasttransporte sind das Tagesgeschäft des Unternehmens Herbert Morschhäuser Transport GmbH aus dem beschaulichen Dörth (Rhein-Hunsrück-Kreis). Die Firma mit rund 85 Mitarbeitern und 60 Lkw ist auf offene Transporte mit Tiefladern, also Anhängern von Lastwagen, spezialisiert. Sie befördert überwiegend Maschinen und Anlagen, etwa für die Getränkeindustrie, aber auch Baumaschinen, erklärt Geschäftsführer Sebastian Morschhäuser im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Standorte der Touren von Morschhäuser liegen zu 99 Prozent in Deutschland. Das Schwertransportunternehmen fährt aber auch Ziele in ganz Europa an, von Portugal bis Rumänien, von Griechenland bis Skandinavien, berichtet Morschhäuser. Also ein echter Schwertransportspezialist.

Für die Speditionen sind vorherige Prüfungen und Genehmigungen erforderlich, aus Gründen des Schutzes der Straßeninfrastruktur sowie der Verkehrssicherheit. Für die Anhörungsverfahren und Erlaubnisse sind in Rheinland-Pfalz derzeit die räumlich zuständigen Kreis- oder Stadtverwaltungen verantwortlich. An sie müssen die Transportunternehmen Genehmigungsgebühren zahlen. Die Abgaben richten sich nach den zusätzlichen Abmessungen und Überschreitungen gegenüber normalen Transporten, wie Geschäftsführer Morschhäuser erläutert. Er ergänzt: Über eine Maßtabelle werden verschiedene Faktoren gewichtet, der Preis ist auch abhängig von der Kilometerzahl, den beteiligten Anhörungsstellen und der Dauer der Fahrt.
350 bis 400 Euro Gebühr für 700 Kilometer langen Transportweg
Morschhäuser rechnet vor: Geht es um einen Transfer mit alltäglichen Abmessungen mit einem 700 Kilometer langen Transportweg quer durch Deutschland, und somit durch fünf bis sechs Bundesländer und folglich fünf bis sechs Anhörungsstellen bei den Behörden – bei jedem Bundesland muss ein Antrag gestellt werden –, fallen laut Morschhäuser 350 bis 400 Euro Gebühr an. Den Antrag hierfür stellt der Transportspezialist bei der Kreisverwaltung in Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis).
Die Kreisverwaltung verteilt den Antrag mittels Online-Anhörverfahren an sämtliche beteiligte Anhörungsstellen, bündelt die Stellungnahmen, Morschhäuser bekommt dann von der Verwaltung vor der Fahrt ein zertifiziertes Dokument als elektronisches PDF. Der Unternehmer sagt, dass für die Antragsstellung vier Wochen Vorlauf eingeplant werden müssten. Insgesamt sei die Bearbeitungszeit für Anträge von Großraum- und Schwertransporte zu lange, findet der Experte.
Und wie sieht Morschhäusers Einschätzung in Sachen unnötige Bürokratie aus? Mögliche Spielräume seien in Deutschland nicht gegeben beziehungsweise würden hierzulande im Vergleich mit allen anderen europäischen Nachbarländern nicht ausgenutzt, kritisiert der Unternehmer. Es gebe keine ausreichenden Toleranzen nach oben oder unten. Der Geschäftsführer nennt ein Beispiel: In der Bundesrepublik würde man angehalten und bestraft, wenn man mehr als 5 Prozent zu leicht ist, was eigentlich kein Problem darstelle.
„Wir brauchen schnelle und unkomplizierte Genehmigungen – und sind auf schnelle und unkomplizierte Genehmigungen angewiesen.“
Sebastian Morschhäuser, Geschäftsführer der Herbert Morschhäuser Transport GmbH
Hinzu kämen als Belastung immer wieder Änderungen und immer wieder neue Vorschriften. Morschhäuser sagt: „Immer steigende Anforderungen bei gleichzeitig rückläufigem Personal in den Straßenverkehrsbehörden sind eine schlechte Kombination für unser Unternehmen. Wir brauchen schnelle und unkomplizierte Genehmigungen – und sind auf schnelle und unkomplizierte Genehmigungen angewiesen.“
Eine vom Wirtschaftsministerium geplante Zentralisierung der Genehmigungsverfahren bei einer zentralen Genehmigungsbehörde sieht Morschhäuser kritisch. Und das aus gleich mehreren Gründen: Es stelle sich die Frage, ob eine Überführung in eine zentrale Verwaltung überhaupt machbar sei. Morschhäuser fürchtet, dass dort dann möglicherweise fachfremdes Personal mit fehlender Ortskenntnis sitzt – und dass der direkte Draht, den er aktuell zur Kreisverwaltung in Simmern hat, verloren geht. Mit einem direkten Ansprechpartner seien Rückfragen auch mal schnell und unkompliziert zu klären.
„Das aktuelle Gesamtumfeld aus den vielen Vorschriften und Gesetzen und der schlechten Infrastruktur in Deutschland sind keine guten Voraussetzungen für eine Zentralisierung.“
Sebastian Morschhäuser, Geschäftsführer der Herbert Morschhäuser Transport GmbH
Die Kreisverwaltung bekommt nur von Morschhäuser, wie er berichtet, rund 30.000 Euro im Monat für die Genehmigung von Großraum- und Schwertransporten. Der Geschäftsführer erklärt: „Das aktuelle Gesamtumfeld aus den vielen Vorschriften und Gesetzen und der schlechten Infrastruktur in Deutschland sind keine guten Voraussetzungen für eine Zentralisierung.“

Heftige Gegenwehr gegen die Zentralisierung gibt es aber nicht nur von den Unternehmen, sondern auch von den Kommunen. Marko Boos (SPD) forderte als Landrat des Kreises Mayen-Koblenz Wirtschaftsministerin Schmitt in einem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben von Mitte März „nachdrücklich auf, dieses Vorhaben unverzüglich zu stoppen und stattdessen praktikable Lösungen gemeinsam mit den kommunalen Behörden zu erarbeiten“. Der Landkreis Mayen-Koblenz gehört nach eigenen Angaben mit rund 15.000 Anträgen pro Jahr zu den antragstärksten Kreisen in ganz Rheinland-Pfalz, im Jahr erhält er hierfür rund 1,2 Millionen Euro. Eine nicht unwichtige Einnahmequelle.
Boos brachte in dem Brief eine interkommunale Zusammenarbeit mit anderen Kreisen als „weitaus bessere Lösung“ ins Spiel, „um Effizienz und Qualität zu erhalten, ohne unnötige Verzögerungen und wirtschaftliche Schäden zu verursachen“. Die Landesregierung unterstützt und fördert bereits die interkommunale Zusammenarbeit – zum Beispiel bei gemeinsamen Kfz-Zulassungsstellen. Neue Fusionen oder gar eine Kommunalreform lehnt sie aber ab.
Boos: Zentralisierung würde „Transportwirtschaft massiv belasten“
In der Zuschrift schrieb Boos mit Blick auf die geplante Zentralisierung von „erheblichen Nachteilen“, davon, dass „das geplante Vorhaben bestehende effiziente und regionale Strukturen zerstören, zu erheblichen Verzögerungen in der Antragsbearbeitung führen und die Transportwirtschaft massiv belasten würde“. Aus seiner Sicht würde eine Zentralisierung „keinesfalls zu einer generellen Verfahrensbeschleunigung führen“ – ganz im Gegenteil.
Der Landrat befürchtet, dass bewährte Strukturen abgeschafft würden, es zu einem Kompetenzverlust – Stichwort Wegfall des regionalen Know-hows – und damit zu Verzögerungen kommen könnte. Insgesamt würde der Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz an Attraktivität für Investoren verlieren, mahnt der SPD-Politiker.
Boos warnte in seinem Schreiben an Schmitt außerdem, dass die von der Landesregierung angesetzten 17 Stellen zur Bearbeitung des gesamten Landesaufkommens bei Weitem nicht ausreichen würden. Dieses Problem würde durch den allgemeinen Fachkräftemangel verschärft. Der Landrat verwies darauf, dass bereits jetzt beim LBM nach Ministeriumsangaben erhebliche Personalengpässe bestünden, mit 239 fehlenden Stellen im technischen Bereich und 44 unbesetzten Stellen in der Verwaltung.
Andreas Göbel, geschäftsführender Direktor des Landkreistags, erklärt, dass eine zentrale Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde nicht automatisch dazu führe, dass die Genehmigungen schneller gingen. Göbel fordert, dass man sich die Genehmigungsverfahren selbst anschaut – und diese vereinfacht. Die Politik wolle in diesen Zeiten gern schnelle Antworten geben und vermeintlich einfache Lösungen präsentieren. Ob die Konzepte allerdings geeignet sind, sei eine ganz andere Frage, meint Göbel.

Doch Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt bleibt in der Sache hart. Die Forderung des Landrats nach einem Stopp einer zentralen Erlaubnis- und Genehmigungsbehörde schmettert sie ab, wie aus einem Antwortbrief hervorgeht, der unserer Zeitung ebenfalls vorliegt. Die Ministerin verweist in dem Schreiben auf neun andere Bundesländer mit einer zentralen Dienststelle. Dort gebe es „durchweg positive“ Erfahrungen. Eine von der Verkehrsministerkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe habe denjenigen Ländern ohne eine solche Behörde empfohlen, genau eine solche Institution einzuführen, schreibt die FDP-Politikerin. Den LBM als zentrale Anhörungsbehörde lobt die Liberale. Außerdem versichert Schmitt, dass dem LBM „ausreichend Personal“ für seine zukünftige Aufgabe bereitgestellt würde.
Spannend: Schmitt schreibt: „Darüber hinaus kommt es auf die Ortskenntnis der Genehmigungsbehörde nicht an, da eine Anhörung der örtlichen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden zu erfolgen hat und deren Stellungnahmen in die Bescheide einfließen.“ Bezüglich der Gebühren kündigt die Ministerin an, sie werde prüfen lassen, „inwieweit Sie (also Landrat Boos, Anm. d. Red.) bei Errichtung einer zentralen Stelle am Gebühren aufkommen beteiligt werden können“. Sie verkenne nicht, dass mit den in diesem Bereich eingenommenen Geldern kommunale Aufgaben finanziert würden.

Tritt Fernis oder Becht an? FDP-Machtkampf tobt weiter
Der Machtkampf in der rheinland-pfälzischen FDP ist voll entbrannt. Wirtschaftsministerin Schmitt will Landeschefin werden, bisher als einzige. Kommt es zu weiteren Kandidaturen? Derweil muss Schmitt vor dem Wirtschaftsausschuss Rechenschaft ablegen.
In einer Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung spricht eine Sprecherin in Zusammenhang mit einer zentralen Behörde von Entlastung der Kommunen und Kreise, mehr Effizienz, Beschleunigung der Verfahren und – Entbürokratisierung. Interessant: Die Sprecherin verweist darauf, dass die Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) Rheinland-Pfalz, die Kammern sowie Unternehmer sich „klar“ für eine zentrale Anlaufstelle ausgesprochen hätten. „Eine flächendeckende Kritik der Kommunen an diesem Vorhaben ist der Landesregierung nicht bekannt“, so die Sprecherin von Daniela Schmitt weiter.

Was durfte Ministerin Schmitt – und was nicht?
War das Verhalten der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) und ihres Mannes in Bezug auf erhaltene Förderungen und Auslandsreisen rechtlich einwandfrei? Eine Expertin einer renommierten Kanzlei ordnet den Sachverhalt ein.
Bisher hätten sich nur drei Kreise sowie der Landkreistag gegen die Pläne gewandt. Der Ministerpräsident begrüße übrigens die Initiative der Wirtschaftsministerin und habe diese auch gegenüber der Wirtschaft als wichtige Entbürokratisierungsmaßnahme kommuniziert, sagt die Sprecherin zum Schluss.
Und was sagt der Schwertransport-Experte? Was würde dem Unternehmer im Tagesgeschäft helfen? Sebastian Morschhäuser antwortet mit: Größere Toleranzen, mehr Spielräume, eine mehr „Fünfe gerade sein lassen“-Mentalität.