Westerburg/Koblenz – Draußen, auf dem Flur des Landgerichts Koblenz, humpelt das Opfer des Überfalls auf und ab. Der 48-Jährige schweigt, der Kopf gesenkt, die Augen traurig. Drinnen, in Saal 128, treibt einer der Männer, die ihn mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen haben sollen, seine Späße.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner
Der Türke (25) schnappt sich zu Prozessende ein Mikro, johlt „Hallo?!„, grinst in den Saal. Er ist bester Laune, obwohl er keinen Grund dazu hat.
Am zweiten Tag im Prozess um den Baseballschläger-Überfall von Westerburg wurde klar: Der angeklagte Türke ist ein Mensch mit mangelnder Empathie, krimineller Vergangenheit, ohne Ausbildung und Job. Laut Anklage besuchten er und ein mitangeklagter Pole (22) am Abend des 2. Dezember 2012 eine Disco in Westerburg, danach verprügelten sie grundlos den 48-Jährigen. Tatvorwurf: versuchter Totschlag.
Der 25-Jährige wurde am 5. Dezember gegen 6 Uhr morgens festgenommen. Laut seinem Anwalt Marc Roos öffneten fünf Elitepolizisten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) die Wohnung des Türken, überrumpelten und fesselten ihn. Er lag noch im Bett, trug nur Boxershorts.
Im Prozess berichteten Polizisten, wie sich der 25-Jährige nach seiner Festnahme verhielt. Er herrschte sie auf der Wache an: „Ihr schreibt, was ich sage!“ Er erklärte, er sei Muslim – vor Jahrhunderten seien Muslime von Christen verfolgt worden, jetzt seien die Muslime an der Reihe. Er trug den Polizisten auf, sie sollten sich im Internet-Lexikon Wikipedia über den Islam fortbilden. Und er beschimpfte sogar die Haftrichterin in Koblenz, sie habe keine Ahnung und wohl auch keinen Sex.
Das bisherige Leben des Türken verlief laut einem Gutachter so: Er blieb in der Grundschule dreimal sitzen, verließ die Hauptschule nach der sechsten Klasse ohne Abschluss. Er selbst prahlt: „Ich war der Schlimmste!" Mal arbeitete er, mal nicht. Aber stets schnupfte er Kokain, nahm Amphetamine und trank viel Alkohol. Um richtig betrunken zu werden, benötigt er nach eigenen Angaben eine Flasche Whiskey. Er hat laut dem Gutachter ein überhöhtes Selbstwertgefühl, narzisstische, paranoide Züge und befindet sich am Rande einer Persönlichkeitsstörung.
Der Vater des 25-Jährigen sitzt im Gefängnis. Das Landgericht Koblenz verurteilte ihn 2009 wegen versuchten Mordes zu neun Jahren Haft. Er hatte in Hachenburg mit einem Küchenmesser auf seine Tochter eingestochen. Er schämte sich, da sie mit einem verheirateten Mann liiert war.
Auch der Angeklagte ist vorbestraft. Unter anderem weil er mehrfach ohne Führerschein Auto fuhr, an der Tankstelle in Westerburg und Rennerod tankte – und dann nicht bezahlte. Weil er seine Ex-Verlobte mit dem Tod bedrohte und ankündigte, er publiziere ihre Nacktbilder auf Facebook, wenn sie ihm nicht 1000 Euro zahlt.
Der 25-Jährige und sein mutmaßlicher Komplize sind nicht nur wegen versuchten Totschlags angeklagt, sondern auch wegen mehrerer Diebstähle. Laut Anklage brachen sie im November und Dezember 2012 mehrere Fahrzeuge auf, entwendeten Radios und andere Wertgegenstände. Die Tatorte waren Höhn, Rennerod, Stahlhofen, Westerburg und Westernohe. Beide Angeklagte haben diese Taten bereits gestanden. Der Prozess geht am Mittwoch weiter, dann fällt möglicherweise das Urteil.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner