Rheinland-Pfalz
RZ-INTERVIEW: Piratenchef-Chef ist "nur Handlanger der Basis"

Das neue Führungsteam der Landespiraten: der Vorsitzende Heiko Müller aus Koblenz (rechts) und Klaus Brand aus Kirchheimbolanden

Sascha Ditscher

Rheinland-Pfalz. Erst während des Landesparteitags der Piraten in Montabaur entschloss sich der 39-jährige Koblenzer Heiko Müller zu einer Kandidatur für den Landesvorsitz. Die Basis dankte es ihm mit einem klaren Ja. Im Interview mit unserer Zeitung verrät er, wie er die Zusammenarbeit mit der Basis verbessern will und wofür die Piraten inhaltlich stehen.

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Rheinland-Pfalz. Erst während des Landesparteitags der Piraten in Montabaur entschloss sich der 39-jährige Koblenzer Heiko Müller zu einer Kandidatur für den Landesvorsitz – weil ihn einige Piraten darum gebeten hatten. Die Basis dankte es ihm mit einem klaren Ja im zweiten Wahlgang.

Im Interview mit unserer Zeitung verrät er, wie er die Zusammenarbeit mit der Basis verbessern will und wofür die Piraten inhaltlich stehen.

Gratulation: Sie sind der neue Handlanger des Basiswillens – so hat ein Pirat die Rolle des Vorsitzenden beschrieben.

Das ist treffend beschrieben.

Offenbar hat der Vorstand zuletzt aber einige Probleme mit der Basis gehabt. Wie wollen Sie diese lösen?

Einmal arbeiten wir daran, Meinungsfindungstools zu entwickeln. Da gibt es zwar schon die Software Liquid Feedback. Aber die ist in erster Linie dazu gedacht, Anträge zu bearbeiten. Für die Meinungsfindung eignet sie sich weniger. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir bei der Suche nach einem geeigneten Werkzeug vorankommen. Wir haben dazu in Rheinland-Pfalz eigens eine Arbeitsgemeinschaft gegründet.

Müssen Sie dieses Problem nicht schnell in den Griff bekommen, um über Inhalte reden zu können?

Nein. Da sollten wir uns wesentlich mehr Zeit lassen. Denn gerade wenn man versucht, mit technokratischen Mitteln ein soziales Problem zu lösen, dann landet man sehr schnell in einer Sackgasse und richtet mehr Schaden an.

Gäbe es denn eine Alternative jenseits der virtuellen Welt?

Ja. Für mich sind die lokalen Stammtische ein zentraler Bestandteil der piratischen Arbeit in Rheinland-Pfalz. Dort und auch bei den Arbeitstreffen werden die Anträge erarbeitet, über die dann bei den Parteitagen abgestimmt wird.

Beim Parteitag drehte sich viel um Differenzen zwischen Piraten. Wie wollen Sie es schaffen, dass es künftig mehr um Inhalte geht?

Das bedingt sich gegenseitig. Wenn es zwischen den Piraten persönlich nicht stimmt, ist es sehr schwer, inhaltlich zusammenzuarbeiten. Das kann eine Gruppe dann auch auseinanderreißen. Daran müssen wir arbeiten.

Wie wollen Sie erreichen, dass sich Mitglieder nicht mehr vor allem im Netz persönlich bekriegen?

In erster Linie handelte es sich bei diesen persönlichen Differenzen um Einzelfälle, die aber auf die ganze Partei ausstrahlen können. Das kann dazu führen, dass sich andere nicht mehr an Diskussionen auf Mailinglisten beteiligen wollen. Das müssen wir verhindern. Eine Möglichkeit wäre es, eine Moderation für solche Foren einzuführen, um zu unterbinden, dass hier über die Strenge geschlagen wird. Vor allem sollten wir jedoch mehr auf persönliche Treffen setzen. Die Mailingliste wird als einzige Kommunikationsstruktur bei 1100 Mitgliedern nicht ausreichen.

Kommen wir zu Inhalten. Was ist Ihre Position beispielsweise beim Thema Nürburgring?

Wir wollen, dass die bisherigen Vorkommnisse inklusive aller Verträge offengelegt werden. Denn es sieht so aus, als ob dort sehr viel falsch gelaufen ist. Wenn dort mehrere Millionen in den Sand gesetzt wurden, ohne dass dabei ein greifbares Ergebnis für die Menschen in der Region zu sehen ist, dann stellen sich für uns einige Fragen: Wie können wir so etwas zukünftig verhindern? Welche Strukturen stecken dahinter? Wer hat davon profitiert? Denn die Millionen sind ja nicht verbrannt. Sie gehören jetzt jemand anderem.

Sie fordern mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz. Das heißt?

Man sollte beispielsweise mehr auf Bürgerbefragungen setzen. Dafür ist aber wichtig, dass die Bürger die nötigen Informationen über Verträge und Hintergründe eines Projektes bekommen. Das ist etwas, was in Rheinland-Pfalz oft nicht funktioniert. Ein Beispiel ist das neue ECE-Center auf dem Koblenzer Zentralplatz. Dadurch werden künftig 50 Prozent der Einzelhandelsfläche in der Stadt im Besitz der ECE sein. Das ist ein Machtpotenzial, das in einer Stadt wie Koblenz sehr gefährlich ist.

Werden Sie sich auch bei anderen Themen positionieren oder ist dies das alleinige Recht der Basis?

Meist gebe ich nur das weiter, was die Basis möchte. Meine persönliche Meinung spielt generell keine Rolle. Denn ich will meine Funktion als Vorsitzender nicht ausnutzen, um Meinungen in der Partei zu beeinflussen. Das sollte weiterhin basisdemokratisch geschehen.

Schwächt Sie das nicht?

Generell sind die Vorsitzenden der Piraten schwächer als die von anderen Parteien.

Reicht der Atem der hiesigen Piraten bis zur Landtagswahl 2016?

Entscheidend ist, wie wir bei der Bundestagswahl abschneiden. Ich gehe davon aus, dass wir die 5-Prozent-Hürde überspringen werden. In Rheinland-Pfalz liegen wir in Umfragen meist zwischen 5 und 6 Prozent. Ob das bis 2016 so bleibt, mag ich nicht prognostizieren.

Ist es ein Zeichen des Konservatismus bei den Piraten, dass Sie als langjähriges Vorstandsmitglied erneut zum Chef gewählt wurden?

(lacht) Daran müssen wir dringend etwas ändern. Ich bin keiner, der auf Konstanz im Vorstand Wert legt. Ich habe mich wie andere dafür eingesetzt, dass wir rotieren und auf neue Köpfe und Ideen setzen. Ich habe mich zur Kandidatur deshalb bereit erklärt, weil mich die Basis darum gebeten hat.

Das Gespräch führte Christian Kunst

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