Niedrige Wasserstände behinderten im April und Mai wieder einmal die Schifffahrt am Mittelrhein. Da es an Schmelzwasser aus den Alpen fehlte und überdies zu wenig für die Jahreszeit regnete, fielen die Pegelstände. Und schon mussten erste Frachter wieder mit verminderter Ladung die Engstellen ober- und unterhalb von Kaub passieren. Dabei warten Industrie, Handel und Binnenschifffahrt seit etlichen Jahren dringend darauf, dass die Fahrrinne der wichtigsten Wasserstraße Deutschlands zwischen Mainz und Koblenz vertieft wird, damit Schiffe mit möglichst viel Ladung auch bei Niedrigwasser fahren können. Wir fragten beim Bundesverkehrsministerium nach dem aktuellen Stand des Vorhabens.
Abladeoptimierung hat höchste Priorität
Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 wurde das Projekt „Abladeoptimierung der Fahrrinnen am Mittelrhein“ in die höchste Kategorie („Vordringlicher Bedarf“) eingestuft. Das im Dezember 2016 in Kraft getretene Bundeswasserstraßenausbaugesetz stellte den Bedarf sogar per Gesetz fest. Ziel ist es, die oberhalb von Mainz und unterhalb von Koblenz freigegebene Fahrrinnentiefe von 2,10 Meter unter dem Gleichwertigen Wasserstand (GlW) auch an den Engstellen zu erreichen. Hier nämlich liegt die Fahrrinnentiefe stellenweise nur bei 1,90 Meter. Um die durchgehende Transportkapazität der Schiffe auf der gesamten Route beispielsweise von Rotterdam bis nach Ludwigshafen und darüber hinaus deutlich zu verbessern, muss also etwas geschehen.
Der Rhein gehört zu den bedeutendsten Wasserstraßen Europas. Im Bereich zwischen Budenheim bei Mainz und St. Goar fahren jährlich Zehntausende Güterschiffe, die zig Millionen Tonnen Ladung transportieren. Der Rhein soll die Transport- und Logistikaufgaben auch in Zukunft bewältigen können – trotz Klimawandel und häufiger Niedrigwasserphasen. Prognosen aus 2016 sagen für den Mittelrheinabschnitt in den kommenden Jahren einen Anstieg der Gütermengen auf mehr als 75 Millionen Tonnen voraus.
Genehmigungsverfahren zieht sich hin
Warum aber das laut Bundesverkehrsministerium „dringendste und wichtigste Wasserstraßenprojekt in Deutschland“ so lange Zeit bis zur Umsetzung braucht, ist die Kardinalfrage. Die Antwort des Ministeriums: „Zeitbestimmend ist weniger die Bauphase selbst, als vielmehr das Genehmigungsverfahren beziehungsweise die entsprechenden vorbereitenden (naturschutzfachlichen) Untersuchungen sowie die zwingend erforderlichen umfänglichen konzeptionellen wasserbaulichen Vorbereitungen mit dem Anspruch, einen Ausgleich der komplexen und teils widerstreitenden Interessen aus Schifffahrt, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Welterbe Oberes Mittelrheintal und anderer Anlieger- und Nutzerinteressen zu finden.“ Eine „schnellstmögliche Projektumsetzung“ soll Anfang der 2030er-Jahre erreicht werden.

Der Rhein im Maßstab 1:60: Ein Modell des Jungferngrunds hilft bei der Rheinvertiefung
In Karlsruhe steht ein riesiges Modell des Rheins. Gebaut haben es Ingenieure der Bundesanstalt für Wasserbau - und so im Maßstab 1:60 den Jungferngrund bei Oberwesel modelliert. Diese Stelle ist eine der niedrigsten im Rhein und verstopft durch Sedimentablagerung stetig die Fahrrinne des ...
Bis dahin wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen. Da lässt ja zumindest hoffen, dass die Voruntersuchungsphase des Projekts Abladeoptimierung/Rheinvertiefung am Mittelrhein abgeschlossen ist. Hauptgegenstand der Untersuchungen, so die Pressestelle des Ministeriums auf Anfrage unserer Zeitung, „war die Entwicklung von wasserbaulichen Maßnahmen zur Entschärfung der sogenannten Tiefenengstellen“. Hierzu hat die Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe „eine umfangreiche Variantenbetrachtung“ im Modell durchgeführt. Im Vorfeld dazu fand zudem eine „groß angelegte Grundlagenermittlung“ auch mit Blick auf den Baugrund, die Hydrologie, Naturschutz, Ökologie, den Welterbestatus und das Landschaftsbild statt.
Das Ergebnis: Für sechs sogenannte „Tiefenengstellen“ zwischen St. Goar und Oestrich liegen nun „Vorzugsvarianten wasserbaulicher Maßnahmen“ vor. Diese sollen im weiteren Prozess und auch mit Blick auf die notwendigen Planfeststellungsverfahren weiter ausgearbeitet werden.
Ministerium: Keine Angaben zum Zeitplan
Für die Abschnitte „Jungferngrund“ bei Oberwesel und „Geisenrücken“ bei St. Goar soll das Planfeststellungsverfahren laut Bundesverkehrsministerium „voraussichtlich Ende 2025“ eingeleitet werden. „Präzise Angaben zur Verfahrensdauer“ seien jedoch nicht möglich. Abhängig ist dies unter anderem von der Anzahl und Qualität von Eingaben, mit denen vor allem durch Natur- und Umweltschutzverbänden zu rechnen ist. „Von Bundesseite aus werden alle Maßnahmen für ein möglichst effizientes Verfahren ergriffen“, erklärt die Pressestelle.
Nun wurde ursprünglich für das Projekt Abladeoptimierung/Rheinvertiefung mit einem Kostenvolumen in Höhe von rund 60 Millionen Euro gerechnet. Ob das heute noch reicht? Preis- und Zinssteigerungen dürften gegenüber der ersten Kostenschätzung von vor rund 10 Jahren Auswirkungen haben. Das sieht man auch im Bundesverkehrsministerium so. Dennoch hält man dort an dem Vorhaben fest: „Trotz der entsprechenden Steigerung ist das Projekt nach wie vor aber hoch wirtschaftlich.“