Wenn Bleiberecht fehlt
Rheinland-Pfalz will „auffällige Migranten“ einsperren
Ein Hinweisschild „Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige“ steht am Zaun der Unterbringung.
Andreas Arnold. picture alliance/dpa

Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) fordert eine härtere Gangart in der Migrationspolitik – mit mehr Inhaftierungen. Welche kriminellen Ausländer dafür infrage kommen, sagt er aber nicht.

Aktualisiert am 16. Februar 2025 15:53 Uhr

Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von München werden die Forderungen in der Migrationsdebatte schärfer. Am Donnerstag war ein 24-jähriger Afghane mit seinem Auto in einen Demonstrationszug gefahren und hatte dabei mindestens 30 Menschen verletzt. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sprach sich im Anschluss dafür aus, „auffällige Migranten ohne Bleiberecht“ künftig einzusperren. Aus der demokratischen Mitte heraus brauche es Maßnahmen für schnellere Abschiebungen und Haftmöglichkeiten für „Menschen, die ausreisepflichtig sind und straffällig werden“, so der Regierungschef.

Am Donnerstagnachmittag war noch nicht klar, dass der Afghane aus München weder ausreisepflichtig noch straffällig ist, wie der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zunächst gesagt hatte. Dennoch sieht die Landesregierung eine grundsätzliche Lücke im Gesetz. Die kommunalen Ausländerbehörden können ausreisepflichtige Migranten derzeit nur inhaftieren, wenn ihre Abschiebung unmittelbar bevorsteht und etwa Fluchtgefahr besteht. Abschiebeflüge nach Afghanistan gibt es allerdings kaum. Die zweite Option der Ausländerbehörden, das sogenannte Ausreisegewahrsam, gilt auch nur für höchstens 28 Tage, wenn die Abschiebung in dieser Zeit möglich und die Person beispielsweise eine Straftat begangen hat.

Schweitzers Forderung bleibt im Ungefähren

Ministerpräsident Schweitzer will deshalb einen größeren Spielraum bei der Inhaftierung. Weil das bislang nicht erlaubt ist, bräuchte es eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Wie sich Schweitzer seine Forderung genau vorstellt, blieb am Freitag allerdings unklar. Die Frage, ab welcher Straftat Ausreisepflichtige eingesperrt werden sollen, beantwortete seine Staatskanzlei auf Anfrage nicht. „Wenn es Abschiebehindernisse gibt, wie im Falle von Afghanistan, müssen wir prüfen, wie wir diese Menschen in Gewahrsam nehmen können, auch wenn die Abschiebung nicht unmittelbar bevorsteht“, hieß es nur.

Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz
Sarah Knorr. picture alliance/dpa

Die Staatskanzlei nannte aber das Beispiel eines Afghanen aus der Gemeinde Windesheim im Kreis Bad Kreuznach, den die Kommune nicht in Gewahrsam nehmen könne, weil er weder verurteilt sei noch Abschiebungen in sein Heimatland derzeit möglich seien. Der Asylantrag des 20-Jährigen war abgelehnt worden, vorbestraft ist er nicht. Er wird aber der Körperverletzung und Sachbeschädigung verdächtigt. Das reicht nach Schweitzers Forderung offenbar aus, den Mann einzusperren, wenn er nicht freiwillig das Land verlässt. Wie lange, bleibt unklar. Ebenso, wie viele und ob auch kleinere Straftaten wie Diebstahl oder Einbruch für eine Haft ausreichen würden.

CDU will alle Ausreisepflichtigen einsperren

So weit wie die CDU geht Schweitzer aber nicht. Im Bundestag hatte die Union gefordert, nicht nur straffällige, sondern generell ausreisepflichtige Personen zu inhaftieren. In Rheinland-Pfalz wären das aktuell mehr als 8000 Menschen. Derzeit fehlt dafür ohnehin die Infrastruktur. Die CDU schlug leerstehende Kasernen oder Containerbauten vor. Untergebracht werden abgelehnte Asylbewerber in Ausreisehaft nicht in klassischen Gefängnissen, sondern in eigenen Einrichtungen.

Schweitzer Vorschlag ist nicht der erste aus der Landesregierung dieser Art. Auch Grünen-Integrationsministerin Katharina Binz wünscht sich mehr Befugnisse für Inhaftierungen. Nach dem tödlichen Angriff eines afghanischen Asylbewerbers in Aschaffenburg hatte sie „Verwaltungshaft“ für mehrfach kriminelle und ausreisepflichtige Ausländer gefordert. Der Bund müsse dringend „weitere Instrumente“ schaffen. Nun klingt es so, als wolle Regierungschef Schweitzer noch weiter gehen.

Auch die Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag forderte nach dem Anschlag am Donnerstag konkrete Maßnahmen für mehr Sicherheit. „Die Menschen wollen endlich Taten sehen und keine politische Betroffenheitsrhetorik“, sagte CDU-Innenpolitiker Dirk Herber. Seiner Auffassung nach sei das Anschlagsrisiko nie so hoch wie jetzt gewesen. Rheinland-Pfalz stehe vor dem Höhepunkt der Straßenfastnacht. AfD-Chef Jan Bollinger sprach sich dafür aus, die Grenzen zu schließen.

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