Trotz der scharfen Kritik von Patientenschützern und Warnungen von Krankenhausärzten verabschiedet sich auch Rheinland-Pfalz an diesem Samstag von einem wichtigen Element der bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen: der Isolationspflicht. Zuvor hatten bereits Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein die Regelung einer mindestens fünftägigen Isolation bei einer Corona-Infektion aufgehoben. Hessen folgt voraussichtlich heute.
„Es ist wichtig, dass wir lernen, Corona als normale Krankheit zu behandeln“
Künftig gilt: Wer bei einem Schnelltest oder PCR-Test positiv auf eine Corona-Infektion getestet wurde, ist verpflichtet, mindestens für fünf Tage außerhalb der eigenen Wohnung eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske zu tragen. Anders als bisher ist es damit auch Infizierten möglich, Spaziergänge zu machen oder einzukaufen. Wegen der Maskenpflicht sei ein Besuch im Fitnessstudio oder in einem Restaurant „faktisch trotzdem nicht möglich“, sagte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). Kinder seien in der Kita weiter von der Maskenpflicht befreit.
„Es ist wichtig, dass wir lernen, Corona als normale Krankheit zu behandeln“, sagte Hoch. Die Pandemie sei zwar noch nicht vorbei. Die Aufhebung der Absonderungspflicht sei aber derzeit vertretbar. „Wir haben gesehen, dass die Herbstwelle ohne tief greifende Maßnahmen abgeebbt ist.“ Dies zeige, dass die Bürger verantwortungsvoll mit der Situation umgingen. „Darüber hinaus profitieren wir von einem breiten und sehr guten Impfschutz.“ Das Tragen der Maske sei weiter das geeignete Mittel zum Schutz für sich selbst wie für andere, „wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen“.
Wer krank ist, bleibt bitte daheim. Wir unterscheiden damit bei Corona wie bei jeder anderen Krankheit auch: Wenn ich krank bin, kann ich mich krankschreiben lassen. Damit entfällt die Pflicht, arbeiten zu gehen.
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD)
Deshalb sei nicht jeder Mensch als infiziert zu betrachten, der mit Maske unterwegs ist. „Wir sehen viele Menschen, gerade beim Einkaufen, die wie selbstverständlich Maske tragen. Es gilt auch weiter eine Maskenpflicht im ÖPNV. Ich kann nur empfehlen, dass möglichst viele Menschen im Winter, wenn sie mit anderen Menschen zusammenkommen, Maske tragen. Maske tragen ist Ausdruck eines hohen Verantwortungsbewusstseins.“
Mehr denn je gelte der Grundsatz: „Wer krank ist, bleibt bitte daheim. Wir unterscheiden damit bei Corona wie bei jeder anderen Krankheit auch: Wenn ich krank bin, kann ich mich krankschreiben lassen. Damit entfällt die Pflicht, arbeiten zu gehen.“
Ende Oktober hatte Hoch betont, dass Rheinland-Pfalz die Isolationspflicht nur abschaffen will, wenn es eine bundesweite Regelung gibt. Derzeit gebe es aber keine Hinweise, dass andere Länder nachziehen, sagte der SPD-Politiker. Mit Blick auf den jetzigen Flickenteppich sagte er: „Es gab einen einhelligen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, dass man weg will von zwingenden Isolationsregeln. Wir gehen da jetzt voran, aber wir glauben, es ist an der Zeit – und wir haben eine praktikable Regelung gefunden.“
Das sind die Reaktionen auf die Entscheidung zur Isolationspflicht:
1 Die Hausärzte: Dr. Barbara Römer, Chefin des Hausärzteverbandes, begrüßte das Ende der Isolationspflicht gegenüber unserer Zeitung: „Das Coronavirus hat sich zum Glück entschieden, mit der Omikronvariante nur noch Infekte der oberen Atemwege auszulösen und nicht mehr großflächig tief sitzende und schwerwiegende Lungenentzündungen zu verursachen. Daher ist das Risiko für schwere Verläufe bei der jetzigen Mutation so gering wie nie zuvor. Folglich sollten wir das Virus auch als solches behandeln.“ Sie empfahl jedoch besonders über 60-Jährigen und chronisch Kranken eine Auffrischungsimpfung.
2 Die Gewerkschaften: Der DGB reagierte skeptisch: „Eines muss aber weiter klar sein: Menschen mit Infektionskrankheiten haben am Arbeitsplatz nicht zu suchen“, sagte Vorsitzende Susanne Wingertszahn und mahnte: „Wir hoffen, dass die Aufhebung der Isolationspflicht nicht dazu führt, dass Beschäftigte denken, sie müssten auch wieder direkt am Arbeitsplatz erscheinen, sofern die Symptome nur schwach sind. Vor allem in Branchen, in denen Personalmangel herrscht, könnten Arbeitnehmer unter Druck geraten, trotz Infektion zu arbeiten.“ Sie sieht die Firmen in der Pflicht, den Gesundheitsschutz der Beschäftigten umfassend zu garantieren.
3 Die Arbeitgeber: Für die Landesvereinigung der Unternehmerverbände ist das Ende der Isolationspflicht ein wichtiger Schritt zu mehr Eigenverantwortung. „Wir erwarten nun, dass nun auch die Regeln für die Unternehmen gelockert werden. Wenn der Staat die Leinen lockert, darf die Pandemiebekämpfung nicht einseitig auf die Arbeitgeber abgewälzt werden“, hieß es gegenüber unserer Zeitung.
4 Die Krebsmediziner: „Eine schrittweise Rückkehr zur Normalität ist grundsätzlich zu begrüßen“, sagte Prof. Richard Werkmeister, Chef der rheinland-pfälzischen Krebsgesellschaft, unserer Zeitung. Die Entwicklung der Pandemie müsse man jedoch weiter sehr sorgfältig beobachten. Sollte das Virus wieder infektiöser werden oder Krankheitsverläufe sich wieder zuspitzen, müsse man die jetzige Entscheidung überdenken. „Die Eigenverantwortung aller Menschen ist nun stärker gefragt, und dies gilt auch für Tumorpatienten. Gerade Patienten mit geschwächtem Immunsystem werden die Pflicht zum Maskentragen für Infizierte sehr begrüßen.“