Von unserem Redakteur Dietmar Brück
Seit 1961 hat die Formel 1 jedes Jahr in Deutschland gastiert. Zuletzt wechselten sich die Rennstrecken in Hockenheim und am Nürburgring ab. Dieses Jahr wäre die Eifel an der Reihe.
Doch selten war derart ungewiss, ob die Königsklasse des Motorsports weiter auf dem deutschem Boden Station macht. Und das in einer Phase, in der deutsche Piloten wie Sebastian Vettel oder Nico Rosberg gute Chancen haben, ganz vorn mitzufahren und Mercedes in der vergangenen Saison die schnellsten Autos auf die Strecke brachte. Viele Formel-1-Fans sind entsetzt. „Es wäre ein fürchterliches Desaster, wenn in Deutschland kein Grand Prix mehr stattfinden würde“, meinte Christian Danner im Gespräch mit unserer Zeitung.
Er ist Formel-1-Kommentator bei RTL und erzielte 1983 beim ADAC-Eifelrennen den Formel-2-Rundenrekord auf der Nürburgring-Nordschleife. Für Danner gehören Nürburgring und Königsklasse einfach zusammen. Ähnlich äußerte sich Mercedes-Teamaufsichtsratschef Niki Lauda gegenüber der „Sport-Bild“: „Für Deutschland und Mercedes wäre es eine Katastrophe, wenn es kein deutsches Rennen gibt, denn es gehört definitiv zu den Traditions-Events.“
Das Feuer entfacht hatte Bernie Ecclestone mit einem Schreiben an unsere Zeitung. Sein Satz – „Ich bin so traurig wie unsere Fans, dass es kein Formel-1-Rennen in Deutschland geben wird“ – war in der Motorsportszene plötzlich in aller Munde. Auf Nachfragen anderer Medien schwächte Ecclestone seine Aussage schließlich etwas ab.
„Wir versuchen es hinzubekommen, wir versuchen, ihnen zu helfen“, beteuerte er. Aber auch, dass es nicht gut aussieht mit dem deutschen Grand Prix. Warum die Zuschauerresonanz in Deutschland sinkt, versteht der 84-Jährige ohnehin nicht: „Letztlich, und nur Gott weiß warum, ist das deutsche Publikum lausig“, sagte er einer britischen Nachrichtenagentur.
Nun hofft Ecclestone nach eigenem Bekunden, bis zum Wochenende eine Lösung gefunden zu haben. Die Zeit drängt. Doch die Kuh ist nur schwer vom Eis zu bekommen. Denn Hockenheim hat 2014 mit der Formel 1 zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro Verlust gemacht. Die Lust, in diesem Jahr für den Nürburgring einzuspringen, dürfte sich in Grenzen halten.
Ecclestone soll zwar Entgegenkommen signalisiert haben, aber beide Seiten sind nicht zusammengekommen. Die Rennstreckenbetreiber im nordwestlichen Baden-Württemberg können vermutlich nicht zahlen, was Ecclestone verlangt. Georg Seiler, der Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH, hüllt sich in Schweigen. Er wird wissen, warum. Ecclestone und Seiler kennen sich schon lange.
Mit den russischen Eigentümern des Nürburgrings scheint der britische Milliardär indes nie warm geworden zu sein. Das muss nichts heißen, denn am Ende geht es um nackte Zahlen. Vor wenigen Tagen, am 21. Januar, haben die Ring-Verantwortlichen in London mit Ecclestone verhandelt. Seitdem ist ihm klar, wozu die neuen Herren des Rings bereit sind. Dass Bernie Ecclestone jetzt eine Medienlawine lostritt, zeigt, wie unzufrieden er ist. Er weiß, wie man Druck aufbaut.
2013 ist er dem Nürburgring weit entgegengekommen. Er verzichtete (still und leise) auf die Fahrerfeldgebühr, die immerhin bei 20 Millionen Euro lag. Dafür schlüpfte er in die Veranstalterrolle, erhielt alle Einnahmen – auch aus dem Ticketverkauf. Ecclestone entgingen ein paar Millionen (und dennoch dürfte er an dem Rennen am Nürburgring verdient haben). Der Geschäftsführer der Formel 1 machte damals klar, dass diese Regelung eine Ausnahme bleiben muss.
Möglicherweise kalkulierte Ecclestone zunächst, bei den neuen russischen Ring-Eigentümern wieder richtig zulangen zu können. Doch trotz des hohen Interesses an der Königsklasse ist das Konsortium um den Phamaunternehmer Viktor Kharitonin nicht bereit, dem Londoner Milliardär die Taschen zu füllen. Michael Lemler, Aufsichtsratschef der NR Holding, bezeichnete gegenüber unserer Zeitung zwar einen „vertretbaren Verlust“ als hinnehmbar. Damit dürften aber keinesfalls die 13 Millionen Euro gemeint sein, die das Land Rheinland-Pfalz lange zuschießen musste, wohl auch nicht die bis zu 5 Millionen Euro, die Hockenheim hinzubuttert. Die Holding rechnet mit spitzem Stift.
Die Fronten sind verhärtet. Nun beginnt das altbekannte Mikadospiel: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Am Nürburgring scheint man gute Nerven zu haben. Hoffentlich hilft es – im packenden Rennen um die Formel 1 in Deutschland.