Reiner Meutsch und andere in der Entwicklungshilfe engagierte Rheinland-Pfälzer blicken in diesen Tagen wieder häufig in strahlende Kinderaugen. Auf einem Foto, das uns Meutsch aus Afrika zuschickt, recken Dutzende Jungen und Mädchen ihre Arme freudig weit in die Höhe. Auf einem Bild halten sie in ihren türkis-blauen Schuluniformen ein Spruchbanner der Kroppacher Reiner-Meutsch-Stiftung „Fly & Help“ hoch, darauf steht: „Wir schenken Kindern eine Zukunft!“
Wir erreichen Meutsch am Donnerstagmorgen noch in Ruanda, kurze Zeit später geht es für den Stiftungsvorsitzenden per Flieger weiter nach Tansania. Der Westerwälder hat in den vergangenen Tagen wieder fünf Schulen in Ruanda eröffnet. Sie heißen „Andernach“ oder wie das Hunsrücker Elektrofestival „Nature One“. Die Neueröffnung dieser Bildungsstätten ist dank des Engagements von Meutsch, seiner Stiftung „Fly & Help“ und vieler Unterstützer möglich. Entwicklungshilfe, die vor Ort ankommt.

Doch die Entwicklungshelfer erreichen in diesen Tagen auch besorgniserregende Nachrichten. Der neue US-Präsident Donald Trump und sein Berater, Tech-Milliardär Elon Musk, wollen laut Medienberichten die US-Entwicklungshilfebehörde USAID mit einem jährlichen Budget von rund 40 Milliarden US-Dollar und rund 10.000 Mitarbeitern zerschlagen. Die Pläne haben bereits zu einer Teilschließung von USAID und zum Rausschmiss von Bediensteten geführt. Hilfsorganisationen warnen davor, dass eine Schließung mindestens Hunderte Menschenleben in armen Ländern gefährden könnte.

Reiner Meutsch nennt die Pläne der neuen US-Administration „eine Katastrophe für die Entwicklungsländer“. Vor Ort in Ruanda, dem Partnerland von Rheinland-Pfalz, mache sich überall Entsetzen über die Entscheidung der US-Regierung breit. Unter den Projektpartnern herrsche sehr große Unsicherheit. USAID war nach Angaben von Meutsch in der Vergangenheit in Ruanda sehr aktiv – wie auch in vielen anderen Ländern. Meutsch fürchtet, dass der Entschluss Tausenden, vielleicht sogar Hunderttausenden Menschen in der Dritten Welt das Leben kosten wird. Denn ungefähr ein Viertel der Ausgaben sei in den Gesundheitssektor geflossen, so Meutsch.
„Die USA waren in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit mit Abstand das größte Geberland“, sagt der Westerwälder. Viele lokale Nichtregierungsorganisationen seien auf die Gelder angewiesen und müssten ihre Hilfstätigkeit nun einstellen. Betroffen sei auch die Bekämpfung schlimmer Krankheiten wie HIV, Malaria oder Cholera.

Ist der mögliche Ausfall der US-Entwicklungshilfemittel in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar aufzufangen? Meutsch bezweifelt das. Der Wegfall werde „an allen Ecken und Enden in den Entwicklungsländern spürbar sein – von lebenswichtigen Medikamenten und Impfstoffen bis hin zu Krankenhäusern, Lebensmittelversorgung und Schulen“, erklärt der „Fly & Help“-Vorsitzende.
„Unsere Stiftungsarbeit von Fly & Help ist unabhängig von politischen Entscheidungen und auch unabhängig von USAID. Wir bauen Schulen in Entwicklungsländern mit Spendengeldern.“
Reiner Meutsch, Vorsitzender der Stiftung „Fly & Help“
Ist die Stiftungsarbeit durch Trumps Pläne ebenfalls gefährdet? Meutsch gibt Entwarnung. Das Wirken von „Fly & Help“ sei unabhängig von politischen Entscheidungen und auch unabhängig von USAID. Neue Schulen baue man in Entwicklungsländern mithilfe von Spendengeldern. Meutsch berichtet stolz, dass man in diesem Jahr weitere 140 Schulbauten fertigstellen wird, über all die Jahre sind es Hunderte.
Von der Bundesregierung wünscht er sich, dass sie die Entwicklungshilfe nicht weiter kürzt. Gleichzeitig hoffe er, dass erfolgreiche Unternehmen einen Teil der ausbleibenden Unterstützung auffangen können. Von der Landesregierung erhofft sich der Stiftungsgründer, dass sie mit dem Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz – Ruanda analysiert, wie man durch den Wegfall der USAID-Hilfe entstandene Lücken in Ruanda bestmöglich schließen könne.

Der Präsident des Partnerschaftsvereins ist Norbert Neuser. Auch ihn erreichen wir mit unserer Anfrage in Afrika. Für die „Kick for Help“-Stiftung aus Boppard, die Sportprojekte fördert, ist der ehemalige Europaabgeordnete im kenianischen Nairobi unterwegs. Hier habe man gerade in einer von der Stiftung betreuten Schule im Slum Kibera Toiletten gebaut. Neuser nennt das Zerschlagungsvorhaben von Trump und Musk „unfassbar und vollkommen verantwortungslos“. Die Maßnahmen würden auf dem Rücken Tausender Entwicklungshelfer ausgetragen, „aber viel schlimmer sind natürlich die unmittelbaren Auswirkungen in den ärmsten Entwicklungsländern weltweit“.
Der radikale Stopp von Hilfslieferungen werde schon kurzfristig zur Unterversorgung mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Medikamenten führen, schätzt Neuser. Er ergänzt: „Es ist vollkommen rücksichtslos, mit dem Leben der auf diese Hilfen angewiesenen Menschen zu spielen.“ Die wegfallende Hilfe könne kurz- und mittelfristig nicht aufgefangen werden, lautet seine Einschätzung.
„Im Augenblick ist alles ein einziges Chaos, was die Trump-Regierung veranstaltet. In Kenia beispielsweise weiß von den Mitarbeitern im Augenblick niemand, wie es weitergehen kann.“
Norbert Neuser, Präsident des Partnerschaftsvereins Rheinland-Pfalz-Ruanda
Neuser findet deutliche Worte: „Im Augenblick ist alles ein einziges Chaos, was die Trump-Regierung veranstaltet.“ In Kenia etwa wisse von den Mitarbeitern im Moment niemand, wie es weitergehen könne. Neuser erinnert daran, dass der US-Präsident in seiner ersten Regierungszeit kein einziges afrikanisches Land besucht habe, vielmehr habe er diese verspottet. Und: Der Ex-Europaabgeordnete ruft ins Gedächtnis, dass sich die internationale Gemeinschaft einmal auf das Ziel verständigt habe, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Davon sei die Gemeinschaft heute weiter entfernt als je zuvor.
Für die über 40-jährige Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda sieht der Partnerschaftsverein-Präsident erst mal keine Konsequenzen. Die Finanzmittel, die über den Landeshaushalt jedes Jahr bereitgestellt werden, würden durch ein breites gesellschaftliches Engagement von Hilfsinitiativen, Vereinen, Schulen und Kirchen „hervorragend“ ergänzt.
Das entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz (ELAN) ist der Zusammenschluss der entwicklungspolitisch engagierten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gruppen. Auch ELAN blickt mit großer Sorge auf die Nachrichten aus den USA. Mit USAID seien Strukturen der Hilfe geschaffen worden, die nun wegbrechen könnten und so jahrzehntelange Fortschritte zunichtemachen würden, sagt die Vizevorsitzende Verena Storch. Sie erklärt: „Unmenschliches Leid und Armut für Millionen von Menschen wären die Folge.“
Bei Entwicklungszusammenarbeit geht es auch um Geopolitik
Storch spricht noch einen anderen Aspekt an: Entwicklungszusammenarbeit sei auch ein wichtiges geopolitisches Mittel, um Allianzen zu bilden, Dialoge zu führen und Friedensinitiativen zu unterstützen. Sie befürchtet, dass durch den Wegfall der US-Mittel „ganze Regionen destabilisiert werden und Spielräume für andere große Player wie Russland oder China geschaffen werden“. Stichwort Chinas neue Seidenstraße. Somit brächte die „America-First-Entwicklungspolitik“ den nordamerikanischen Kontinent langfristig in eine Abseitsstellung, meint Storch.
Auch die ELAN-Vizevorsitzende ist überzeugt, dass es „eine Illusion“ sei, zu glauben, dass andere Geldgeber den Ausfall der Mittel von USAID ersetzen könnten. Sie denkt, dass diese allenfalls in medizinischen Notsituationen und in der Katastrophenhilfe einspringen könnten. Dies ändere aber nichts am Wegfall ganzer lange aufgebauter Strukturen.
Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) blickt etwas gelassener auf den Rückzug der USA. Die gut 40 Milliarden könnten von anderen staatlichen und privaten Akteuren durchaus kompensiert werden, so die Einschätzung aus Köln.