Urteil am Landgericht Koblenz
 „Reichsbürger“-Prozess endet mit Freispruch
Der Vorwurf "Verunglimpfung des Staates", festgehalten in Paragraf 90a des Strafgesetzbuches, stand im Mittelpunkt des nun beendeten Prozesses.
Philipp Znidar/dpa

Paragraf 90a des Strafgesetzbuches - Verunglimpfung des Staates - stand im Mittelpunkt des nun beendeten Prozesses. Der Angeklagte war einst Teil der „Reichsbürger“-Bewegung, will sich aber von der Ideologie losgesagt haben.

Der 57-jährige Mann, dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wurde, den Straftatbestand der schweren Verunglimpfung des Staates verwirklicht zu haben, ist am Koblenzer Landgericht freigesprochen worden. Laut Anklage soll der 57-Jährige Internetseiten für eine „Reichsbürger“-Gruppe zur Verfügung gestellt haben. In online abrufbaren, sogenannten „Amtsblättern“ dieser Vereinigung soll der Bundesrepublik Deutschland die Staatlichkeit sowie das Staatsgebiet abgesprochen worden sein. Zudem soll behauptet worden sein, dass der seit 1871 existierende Staatenbund Deutsches Reich weiter Bestand habe. Thesen, die typisch für Reichsbürger-Kreise sind.

Die Taten sollen zwischen 2016 und 2018 unter anderem in einer Ortsgemeinde im Landkreis Ahrweiler geschehen sein. Die Vorwürfe hatte der Angeklagte bereits beim Prozessauftakt größtenteils eingeräumt. Er erklärte im Landgericht, dass er nach Geldsorgen in die „Reichsbürger“-Szene hineingerutscht sei. „Ein paar Dinge waren plausibel, ein paar Dinge ziemlich hanebüchen“, so der 57-Jährige. Später habe er „blauäugig“ ein Formular unterzeichnet, das ihn als Verantwortlichen für die Internet-Domain ausgewiesen habe. Was er indes lediglich auf dem Papier gewesen sei: So habe er weder Zugriff auf die Seite gehabt noch dort Inhalte veröffentlicht.

Szene den Rücken gekehrt?

An einem bestimmten Punkt will der Angeklagte der Gruppe dann mitgeteilt haben, dass er nun nicht länger dabei sein wolle. Die Thesen der Gruppe bezeichnete der 57-Jährige im Landgericht als „Schwachsinn“. Er habe damals in einem Zustand „geistiger Umnachtung“ gehandelt, heute sehe er wieder klar – und habe sich von der Ideologie gelöst.

Im Fokus des Prozesses hatte Paragraf 90a des Strafgesetzbuches gestanden: Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Im Gesetz steht dazu unter anderem geschrieben: Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpfe oder böswillig verächtlich mache oder die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpfe, der werde mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(Noch) von der Meinungsfreiheit gedeckt

Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, den Angeklagten zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro zu verurteilen. Der 57-Jährige war in Koblenz von Rechtsanwalt Christopher Hilgert verteidigt worden. „Ich ging auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein und forderte Freispruch, hilfsweise eine geringe Geldstrafe“, sagte der Anwalt unserer Zeitung zu seinem Plädoyer. Aus Hilgerts Sicht ist Paragraf 90a des Strafgesetzbuches sehr restriktiv auszulegen.

Die 1. große Strafkammer hatte während des Prozesses bereits von sich aus die Ansicht vorgetragen und zur Diskussion gestellt, dass bei einer restriktiven Auslegung des Paragrafen 90a eventuell eine Strafbarkeit des Angeklagten in dieser Sache nicht gegeben sein könnte, wie die Pressestelle des Landgerichts Koblenz auf Anfrage mitteilt. „Im Ergebnis hat sich die Kammer dann auch hierauf bei der Verkündung des Urteils gestützt.“ Im Groben sei die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt, dass die streitgegenständlichen Äußerungen in den sogenannten „Amtsblättern“ (noch) unter die Meinungsfreiheit fielen. „Es fehlt damit nach Ansicht der Kammer schon an einer Haupttat, zu der der Angeklagte Beihilfe hätte leisten können. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer den Angeklagten freigesprochen“, schreibt die Pressestelle des Landgerichts. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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