Ende Mai war es, als der Moselort Kröv von Neonazis aufgeschreckt wurde: Sie grölten mutmaßlich verbotene Lieder und verfassungsfeindliche Parolen (wir berichteten). Sie waren aus dem Ruhrpott angereist, per Bus kam eine Gruppe von knapp 20 Rechtsextremen in dem kleinen Kröver Ortsteil Kövenig an. Lange währt ihr Aufenthalt, bei dem sie laut einer Vorlage für eine Sitzung des rheinland-pfälzischen Innenausschusses das DFB-Pokalfinale gucken wollten, jedoch nicht.
Laut Innenministerium handelte es sich um rechtsextreme Fußballfans aus Essen. Und die wurden nicht erst in dem Mosel-Örtchen auffällig, sondern schon auf der Autobahn. In der Vorlage für den Innenausschuss heißt es dazu: „Schon auf der Anreise kam es dabei zu Zwischenfällen.“ Der Mitarbeiter einer Tankstelle in Wittlich habe kurz nach 20 Uhr der Polizei gemeldet, dass circa 20 sichtbar als Neonazis erkennbare Personen aus einem Bus ausgestiegen seien und Kunden der Tankstelle angepöbelt hätten, ohne jedoch Personen zu beleidigen.
Gleich wegen mehrerer möglicher Straftaten ermittelt die Polizei nach einer privaten Feier, die am Samstagabend im Kröver Ortsteil Kövenig stattfand.Verbotene Musik gehört und verfassungsfeindliche Parolen gerufen: Polizei löst Privatparty in Moselort auf
Hakenkreuze auf T-Shirts und auf der Haut
Mehrere Personen aus der Gruppe sollen T-Shirts mit Hakenkreuzen getragen haben oder mit Hakenkreuzen tätowiert gewesen sein. Zudem sei mindestens einmal der Hitlergruß gezeigt worden. Auf einigen T-Shirts sei die Aufschrift einer Gruppierung aus Essen zu erkennen gewesen.
Die Polizei habe unmittelbar das Busunternehmen und den Busfahrer ermitteln können und kontaktiert. Der Busfahrer habe die Angaben des Tankstellenmitarbeiters in einer ersten telefonischen Befragung aber nicht bestätigt. Als Zielort der Reise habe er aber den Ort Kröv angegeben. So kommt die Polizei der Gruppe schnell auf die Spur. Laut Innenministerium gehören deren Mitglieder zu einem als rechtsextremistisch eingestuften Personenkreis der Problemfan-Szene des Fußballvereins Rot-Weiß Essen: Er hat seit vielen Jahren ein Rechtsextremismusproblem.
Polizei vermiest rechtsextremen Fans das Pokalfinale in Kröv
In Kröv habe die Polizei mit der Gruppe Kontakt aufgenommen, die aus etwa 20 Personen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren bestand und während ihres Aufenthalts mehrere touristische Aktivitäten geplant habe. In ihrer Unterkunft hätten sie das DFB-Pokal-Endspiel ansehen wollen. Dazu kommt es jedoch nicht. Die Polizei macht den mutmaßlich rechtsextremen Fußballfans einen Strich durch die Rechnung.
Gegen 17.30 Uhr hätten Anwohner die Polizei darüber informiert, dass einige Gruppenmitglieder zu rechtsextremistischer Musik lautstark auch ausländerfeindliche Parolen geäußert hätten, erklärt das Innenministerium. Die Folge: Die Polizei durchsucht vor Anpfiff des Finalspiels ab 19 Uhr die Unterkunft der Gruppierung und stellte die Personalien aller 18 Teilnehmer fest. Weil der Vermieter zwischenzeitlich das Mietverhältnis gekündigt hat, erteilten die Beamten allen Gruppenmitgliedern einen Platzverweis. „Noch am Abend begleiteten Polizeibeamtinnen und -beamte den Bus mit der Fangruppierung auf ihrer Heimreise bis an die Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen“, erklärt das Innenministerium.
Mit einem Großaufgebot rücken Einsatzkräfte der Polizei am Wochenende zu einer privaten Feier in einem Weindorf aus. Gegen die Gäste laufen nun mehrere Strafverfahren - unter anderem wegen Volksverhetzung.Nach Einsatz gegen mutmaßliche Rechtsextreme in Moselort Kröv: Mehrere Strafanzeigen laufen
Acht Straftaten festgestellt
Die Bilanz: Die Polizei stellt insgesamt acht Straftaten fest. Zweimal besteht der Verdacht eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz, viermal wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und zweimal wegen Volksverhetzung.
Darüber hinaus stellen die Einsatzkräfte die Schlüssel von zwei Autos zweier offensichtlich fahruntüchtiger Eigentümer sicher, um Trunkenheitsfahrten zu verhindern. Die beiden waren laut den Ermittlern nicht mit dem Bus angereist, sondern erst im Lauf des Samstagnachmittags zu der Gruppe hinzugestoßen. Ob die Gruppe letztlich den 1:0 Sieg von Leverkusen über den 1. FC Kaiserslautern gesehen hat, ist nicht bekannt.
Baldur von Schirach lebte in Kröv beim „Hitler-Käthche“
Kröv hat für die rechtsextreme Szene einen besonderen Reiz. Denn hier lebte Baldur von Schirach in seinen letzten Jahren, hier wurde er beerdigt. Schirach war im Dritten Reich als Reichsstatthalter in Wien verantwortlich für die Deportation der Wiener Juden. Zuvor war er Reichsjugendführer der NSDAP und machte die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend zur Pflicht.
1946 wurde er im Nürnberger Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt. Nach der Haftentlassung 1966 zog Schirach zunächst nach München, 1971 dann in die Pension Müllen (früher Hotel Mont Royal) nach Kröv, die von den Schwestern Käthe und Ida Müllen geführt wurde.
Käthe Müllen war während des Dritten Reiches in Kröv Ortsführerin des Bundes Deutscher Mädel und wurde später von den Einheimischen nur „das Hitler-Käthche“ genannt. Schirach starb am 8. August 1974. Auf seinen Grabstein auf dem Kröver Friedhof ließ er schreiben: „Ich war einer von euch“. Das Grab wurde erst Anfang 2015 eingeebnet, nachdem die Ruhezeit nach einer Verlängerung endgültig abgelaufen war. pie