Rechnungshof erhebt schwere Vorwürfe gegen Kliniken - Land hat keine Hinweise auf Verdachtsfälle
Rechnungshof erhebt schwere Vorwürfe gegen Kliniken: Land hat keine Hinweise auf Verdachtsfälle
Der Rechnungshof spricht in dem Bericht von „unerwünschten Mitnahmeeffekten“. Über den Verbleib des Geldes gibt es demnach ein „hohes Aufklärungsinteresse“.
dpa/Fabian Strauch

Rheinland-Pfalz/Berlin. Haben sich Krankenhäuser in der Corona-Krise gesundgestoßen, indem sie zu Unrecht Corona-Prämien für Intensivkapazitäten kassiert haben? Und fehlt den Lockdowns damit die Basis, weil diese mit überlasteten Intensivstationen begründet wurden, die es gar nicht gab? Der Bundesrechnungshof wirft den Kliniken jedenfalls in einem noch nicht veröffentlichten Bericht vor, ihre Kapazitäten knapper dargestellt zu haben, als sie waren, um in der Corona-Pandemie Freihalteprämien für Intensivbetten zu kassieren.

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Der Rechnungshof spricht in dem Bericht von „unerwünschten Mitnahmeeffekten“. Über den Verbleib des Geldes gibt es demnach ein „hohes Aufklärungsinteresse“.
dpa/Fabian Strauch

Konkret geht es um 686 Millionen Euro, die der Aufbau der Intensivkapazitäten gekostet hat. Der Rechnungshof spricht in dem Bericht von „unerwünschten Mitnahmeeffekten“. Über den Verbleib des Geldes gibt es demnach ein „hohes Aufklärungsinteresse“.

Wie mehrere Medien unter Berufung auf das Papier berichten, hat das Robert Koch-Institut (RKI) bereits am 11. Januar gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium vermutet, „dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren“ – offenbar mit dem Ziel, Corona-Ausgleichsprämien zu erhalten. Die fließen, wenn der Anteil freier, betreibbarer Intensivbetten in einer Region unter 25 Prozent fällt.

Brisant: Die von den Kliniken gemeldeten Daten über freie Intensivkapazitäten seien „daher nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet“. Damit räumt das RKI ein, dass die Datenbasis, die zur Rechtfertigung der Lockdowns herangezogen wurde, zumindest brüchig ist. Der Rechnungshof kommt zu dem Schluss, dass bei den Meldungen der freien Intensivbetten „Kapazitätsengpässe abgebildet worden sein könnten, die in diesem Maße nicht existierten“.

50.000 Euro pro zusätzliches Bett

Neben den Freihalteprämien hat der Bund den Kliniken aus Steuergeld von März bis September 2020 für jedes zusätzliche Bett 50.000 Euro bezahlt. Unterm Strich wurden so bundesweit 13.722 zusätzliche Betten gefördert. Laut Rechnungshof ist das Bundesgesundheitsministerium „bis heute nicht in der Lage, die Zahl der tatsächlich aufgestellten sowie die der zusätzlich angeschafften Intensivbetten verlässlich zu ermitteln“. Der Kassenspitzenverband bemängelt, dass 2000 dieser zusätzlichen Intensivbetten bislang nicht plausibel nachgewiesen werden können.

Dass Geld in Rheinland-Pfalz versickert sein könnte, weist das Mainzer Gesundheitsministerium zurück. „Wir haben keinen Hinweis auf Verdachtsfälle“, betont Sprecher Markus Nöhl gegenüber unserer Zeitung. „Krankenhäuser haben die Zahl der Intensivbetten nicht manipuliert“, sagt auch der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Hessen prüft mögliche Verstöße noch, NRW hat wie Rheinland-Pfalz bislang keine Belege für falsche Angaben gefunden. Laut Nöhl wurden in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr „590 zusätzliche intensivmedizinische Behandlungskapazitäten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit geschaffen und mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 29,5 Millionen Euro gefördert“. Es gab „umfassende Prüfungen bereits vor der Bewilligung der Mittel“.

Aber auch im Land sind Differenzen zwischen der Zahl der vorhandenen Betten und der Zahl, die täglich dem Divi-Intensivregister gemeldet wird, nicht zu leugnen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte bereits im Juli 2020 nach bundesweit 7305 Intensivbetten geforscht, die wegen der ausgezahlten Förderbeträge rein rechnerisch vorhanden sein müssten.

Die Schere geht auseinander

Dass die Schere auseinanderging, verhehlt Nöhl nicht. Aber dafür gebe es Erklärungen: Vor allem bei der Verschärfung der Corona-Lage ab Oktober 2020 hätten „nur sehr eingeschränkte personelle Ressourcen für den tatsächlichen Betrieb der Intensivbetten“ bereitgestanden. Es fehlten also ausreichend Pflegekräfte, auch weil sie selbst an Corona erkrankten. Folge: Entsprechend der Personallage sei die Zahl der betreibbaren Intensivbetten gesunken. Damit wich sie auch von der Gesamtzahl der vorhandenen Intensivbetten ab, argumentiert das Ministerium. Ein intensivmedizinischer Behandlungsplatz gelte im Divi-Register nur dann als betreibbar, wenn neben funktionsfähigen Betten und Geräten auch die Besetzung mit pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal ausreichend ist.

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