Konkret geht es um 686 Millionen Euro, die der Aufbau der Intensivkapazitäten gekostet hat. Der Rechnungshof spricht in dem Bericht von „unerwünschten Mitnahmeeffekten“. Über den Verbleib des Geldes gibt es demnach ein „hohes Aufklärungsinteresse“.
Wie mehrere Medien unter Berufung auf das Papier berichten, hat das Robert Koch-Institut (RKI) bereits am 11. Januar gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium vermutet, „dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren“ – offenbar mit dem Ziel, Corona-Ausgleichsprämien zu erhalten. Die fließen, wenn der Anteil freier, betreibbarer Intensivbetten in einer Region unter 25 Prozent fällt.
Brisant: Die von den Kliniken gemeldeten Daten über freie Intensivkapazitäten seien „daher nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet“. Damit räumt das RKI ein, dass die Datenbasis, die zur Rechtfertigung der Lockdowns herangezogen wurde, zumindest brüchig ist. Der Rechnungshof kommt zu dem Schluss, dass bei den Meldungen der freien Intensivbetten „Kapazitätsengpässe abgebildet worden sein könnten, die in diesem Maße nicht existierten“.
50.000 Euro pro zusätzliches Bett
Neben den Freihalteprämien hat der Bund den Kliniken aus Steuergeld von März bis September 2020 für jedes zusätzliche Bett 50.000 Euro bezahlt. Unterm Strich wurden so bundesweit 13.722 zusätzliche Betten gefördert. Laut Rechnungshof ist das Bundesgesundheitsministerium „bis heute nicht in der Lage, die Zahl der tatsächlich aufgestellten sowie die der zusätzlich angeschafften Intensivbetten verlässlich zu ermitteln“. Der Kassenspitzenverband bemängelt, dass 2000 dieser zusätzlichen Intensivbetten bislang nicht plausibel nachgewiesen werden können.
Es ist erstaunlich: Vor einem Jahr applaudierten die Menschen für die unermüdlich um das Leben von Covid-19-Patienten kämpfenden Ärzte und Pfleger auf den Intensivstationen. Ein Jahr später werden Intensivmediziner und damit auch Pflegekräfte angegriffen, weil sie angeblich völlig zu Unrecht vor ...Christian Kunst zur Debatte über die Intensivmedizin: Statt Vorwürfen braucht es Daten und eine Reform
Aber auch im Land sind Differenzen zwischen der Zahl der vorhandenen Betten und der Zahl, die täglich dem Divi-Intensivregister gemeldet wird, nicht zu leugnen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte bereits im Juli 2020 nach bundesweit 7305 Intensivbetten geforscht, die wegen der ausgezahlten Förderbeträge rein rechnerisch vorhanden sein müssten.
Die Schere geht auseinander
Dass die Schere auseinanderging, verhehlt Nöhl nicht. Aber dafür gebe es Erklärungen: Vor allem bei der Verschärfung der Corona-Lage ab Oktober 2020 hätten „nur sehr eingeschränkte personelle Ressourcen für den tatsächlichen Betrieb der Intensivbetten“ bereitgestanden. Es fehlten also ausreichend Pflegekräfte, auch weil sie selbst an Corona erkrankten. Folge: Entsprechend der Personallage sei die Zahl der betreibbaren Intensivbetten gesunken. Damit wich sie auch von der Gesamtzahl der vorhandenen Intensivbetten ab, argumentiert das Ministerium. Ein intensivmedizinischer Behandlungsplatz gelte im Divi-Register nur dann als betreibbar, wenn neben funktionsfähigen Betten und Geräten auch die Besetzung mit pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal ausreichend ist.