Die CDU-Fraktion ringt um einen gemeinsamen Kurs, doch selbst bei der Bewertung der Vorgänge, die zum Baldauf-Rücktritt führten, gibt es große Differenzen
Putsch oder sogar Intrige? Die CDU-Fraktion ringt um einen gemeinsamen Kurs
Im Sommer besuchte Christian Baldauf (von links) mit Helmut Martin unsere Redaktion in Bad Kreuznach. Nun könnte Martin sein Nachfolger werden.
Stefan Munzlinger

Es brodelt in der CDU-Landtagsfraktion. Seit Fraktionsvorsitzender Christian Baldauf drei Tage vor Weihnachten unter Druck bekannt gab, sein Amt im März zur Verfügung zu stellen, geht es hinter den Kulissen der 31 Köpfe zählenden Fraktion hoch her. Auf offizielle Anfragen zu den Vorgängen reagieren viele der CDU-Parlamentarier schmallippig. Andere lassen es dagegen an Deutlichkeit nicht fehlen.

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Im Sommer besuchte Christian Baldauf (von links) mit Helmut Martin unsere Redaktion in Bad Kreuznach. Nun könnte Martin sein Nachfolger werden.
Stefan Munzlinger

„Ich werde mich zu fraktionsinternen Abläufen und Themen nicht äußern“, schreibt der Abgeordnete Tobias Vogt (Wahlkreis Rhein-Hunsrück). Genauso kurz fasst sich Matthias Reuber (Wahlkreis Altenkirchen). Kein Kommentar zu Fraktionsinterna. Auch die Abgeordneten Petra Schneider (WK Remagen/Sinzig) und Horst Gies (WK Bad Neuenahr-Ahrweiler) teilen in einer gemeinsamen Antwort lediglich mit, es gelte bis zur anstehenden Klausur am 10. Januar, „mit den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion die weitere Vorgehensweise zu besprechen“. Das dürften sehr unterhaltsame Gespräche werden, denn bei einigen in der Fraktion scheint der Zorn groß.

„In Planung und Vorgehen war ich nicht eingebunden und teile dieses in keinster Weise“, distanziert sich beispielsweise die Abgeordnete Anette Moesta (WK Andernach) vom Vorgehen einer Gruppe von Fraktionskollegen, das von einigen als „Putsch“ gegen Baldauf bezeichnet wird. An „Gerüchten und Spekulationen“ wolle sie sich nicht beteiligen, schreibt Moesta weiter. Sie wünsche sich aber, „dass nicht die Karriereplanung Einzelner, sondern der Erfolg der Union im Vordergrund steht“. Auch der Abgeordnete Torsten Welling (WK Mayen) will keine Stellungnahme abgeben, da er sich „von dem Vorgang in Gänze distanziere“.

Ellen Demuth, Wahlkreis Linz am Rhein
Sven Teschke/Wikipedia

Ich war an der Intrige gegen Christian 
Baldauf weder beteiligt noch wusste ich 
davon.

Ellen Demuth findet klare Worte

Noch deutlich weiter geht die Abgeordnete Ellen Demuth (WK Linz am Rhein). „Ich war an der Intrige gegen Christian Baldauf weder beteiligt noch wusste ich davon“, schreibt Demuth auf Anfrage. Von dem, was am frühen Vormittag des 21. Dezember in Christian Baldaufs Büro passiert war, habe sie „wie viele Kolleginnen und Kollegen erst in der laufenden Plenarsitzung erfahren“. Von der „schäbigen“ Aktion der vier Fraktionskollegen, die Baldaufs Rücktrittsankündigung noch am selben Tag ausgelöst hatte, distanziere sie sich „in jeglicher Hinsicht“, so Ellen Demuth weiter.

Die 40-Jährige, die vielen in der Partei als Hoffnungsträgerin gilt, gewährt in ihrer Antwort persönliche Einblicke: Seit mehr als elf Jahren gehöre sie der CDU-Landtagsfraktion an. Seitdem habe die CDU drei Landtagswahlen verloren, doch „der traurigste und beschämendste Moment, den ich in dieser Zeit erlebt habe“, sei jetzt.

Anke Beilstein, Wahlkreis Cochem-Zell
Kevin Rühle

Völliger Humbug.

Anke Beilstein will von 
einem „Putsch“ gegen Baldauf nichts wissen.

Während Ellen Demuth von einer „Intrige“ gegen Baldauf spricht, ist der Fraktionskollegin Jenny Groß (WK Montabaur) schon das Wort vom „Putsch“ zu viel. Das sei „ein Begriff, den die Medien gewählt haben“. In das Vorgehen der Abgeordnetenkollegen sei sie „nicht involviert“ gewesen. Insofern habe sie die Entwicklung am 21. Dezember durchaus „überrascht“. Auch Anke Beilstein (WK Cochem-Zell) kann beim besten Willen keinen „Putsch“ gegen Baldauf erkennen.

Das kursierende Gerücht, die Gruppe, die am 21. Dezember im Büro des Fraktionsvorsitzenden saß, hätte Baldauf mit einem Abwahlantrag unter Druck gesetzt, hält die erfahrene Abgeordnete für „völligen Humbug“. Für Anke Beilstein steht fest, dass sich in der Fraktion über Wochen, wenn nicht Monate großer Unmut über die Arbeit des Fraktionsvorsitzenden aufgebaut habe. Das sei nun zur Sprache gekommen.

Alles fokussiert auf die Klausurtagung am 10. Januar

Es dürfte spannend sein zu beobachten, wie sich die unterschiedlichen Strömungen in der Fraktion bis zur Klausurtagung am 10. Januar kanalisieren und gegenseitig beeinflussen. Nicht nur die Abgeordnete Karina Wächter (WK Bernkastel/Morbach/Kirchberg) wünscht sich nun, die Fraktion solle „ein Team sein, in dem man offen und ehrlich miteinander umgeht, sich aber nicht öffentlich persönlich angeht oder gegenseitig Gräber schaufelt“. Zu dieser ehrlichen Debatte müsse die Fraktion in der Klausur zurückkehren.

Doch selbst über die Tagesordnung der Klausur muss sich die Fraktion offensichtlich noch einig werden. Der Abgeordnete Michael Wäschenbach (WK Betzdorf/Kirchen/Sieg) verweist auf die Pressemitteilung von Christian Baldauf, wonach bei der Klausurtagung „die inhaltlichen und personellen Weichen für die künftige Fraktionsarbeit gestellt werden“, und erwähnt in diesem Zusammenhang, neben anderen geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten in der Fraktion habe sich Helmut Martin „einen sehr guten Ruf im Landtag für weitere Ämter erworben“.

Matthias Lammert, Wahlkreis Diez/Nassau
Annette Schön/Katharina Müller

Ich sehe 
da keinen 
Zeitdruck.

Matthias Lammert will mit der Wahl eines Nachfolgers für Christian Baldauf nichts übereilen.

Wo Wäschenbach schon einen Namen für die Baldauf-Nachfolge ins Spiel bringt, will Matthias Lammert (WK Diez/Nassau) nicht einmal wählen. Baldaufs Wort von der „personellen Weichenstellung“ sehe er nicht als Aufforderung zur Wahl. Geht es nach Lammert, wird die Klausur zur internen Aufarbeitung genutzt. Eine neue Fraktionsspitze könne man dann auch noch im Februar oder März wählen. Lammert: „Ich sehe da keinen Zeitdruck.“

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