Rheinland-Pfalz
Prozess um tote ALS-Patientin: Pfleger will nach Drogenkonsum eingeschlafen sein
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Prozessauftakt am Landgericht Koblenz: Der Angeklagte mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Ralph Querbach.
Johannes Mario Löhr

Am jüngsten Verhandlungstag im Prozess um eine mutmaßlich heimtückisch getötete ALS-Patientin im Kreis Mayen-Koblenz sind neue Details zutage gefördert worden. Nach Aussagen eines Arztes sei es sehr schwer gewesen, passendes Pflegepersonal für die private Pflege der Verstorbenen zu finden.

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Der Mordprozess gegen den 45-jährigen Pfleger, der in Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2022 eine ALS-Patientin in ihrem Haus in einem kleinen Ort im Landkreis Mayen-Koblenz heimtückisch getötet haben soll, ist am Landgericht fortgesetzt worden. Der Angeklagte hat nun in einem Gespräch mit einem Psychiater angegeben, dass er in der Nacht – während seines Dienstes – gegen 1.30 Uhr Amphetamin konsumiert habe. Merkwürdigerweise habe die Droge ihn allerdings nicht aufgeputscht – sondern er sei eingeschlafen.

An Verhandlungstag eins hatte der Mann noch behauptet, während seines Dienstes nüchtern geblieben zu sein. Er streitet die Mordvorwürfe ab, sie seien "total aus der Luft gegriffen“, hatte er beim Prozessauftakt gesagt.

Expertin: Amphetamin hätte aufputschend wirken müssen

Wie eine forensische Toxikologin aus Mainz in Koblenz erklärte, sei die vom Angeklagten skizzierte, einschläfernde Wirkung des Amphetamins in der Nacht nicht schlüssig. Die Drogen hätten unter den von dem 45-Jährigen geschilderten Umständen zu diesem Zeitpunkt aufputschend wirken müssen, hieß es. Dem Angeklagten war etwa zehneinhalb Stunden nach dem Bekanntwerden des Todesfalls Blut abgenommen worden. Darin konnten Spuren von Amphetamin, Cannabis und Medikamenten festgestellt werden.

Die Anklagevorwürfe

Entgegen der ihm zuvor erteilten Anweisungen und ohne Hilfe einer zweiten Pflegekraft soll der 45-Jährige die Verstorbene laut Anklage im Oktober 2022 vom Rollstuhl in eine für ihren Gesundheitszustand lebensgefährliche waagerechte Position ins Bett gelegt haben. Darüber hinaus soll er nachts insgesamt 21-mal den Beatmungsschlauch der Frau abgetrennt haben, teilweise minutenlang. Entsprechende Daten konnten aus den Beatmungsgeräten ausgelesen werden.

Der Angeklagte hatte die Abtrennungen beim Prozessauftakt durch pflegerische Arbeiten sowie Gerätewechsel erklärt. „Aus meiner Sicht habe ich die Frau lebend übergeben“, unterstrich der 45-Jährige beim Prozessauftakt mit Blick auf die Übergabe an die Tagespflege. Eine 55-jährige Pflegerin hatte die Verstorbene am Morgen des 20. Oktobers 2022 eigenen Aussagen zufolge ohne fühlbaren Puls im Bett liegend aufgefunden.

Nach Aussagen einer am jüngsten Verhandlungstag gehörten Rechtsmedizinerin aus Mainz sei die ALS-Patientin wohl an einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren gestorben. Die Expertin führte etwa die krankheitsbedingte schlechte Sauerstoffversorgung, eine beidseitige Lungenentzündung sowie eine fehlende Beatmung ins Feld.

Patientenverfügung: „Alle Maßnahmen erwünscht“

Ein Assistenzarzt vom Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz war an dem tragischen Oktobermorgen gegen 8 Uhr als Notarzt im Haus der Verstorbenen im Einsatz. Mit Blick auf die ALS-Erkrankung der Frau habe er nach der Patientenverfügung gefragt. Dies sei aus ethischen Gründen geboten gewesen.

In der Verfügung habe es geheißen, dass „alle Maßnahmen erwünscht“ seien. Am Ende scheiterte die Wiederbelebung jedoch. Der Angeklagte soll sich laut dem Mediziner während der Reanimationsmaßnahme merkwürdig verhalten und auf eine Küchenzeile aufgestützt zugesehen haben. „Es ist mir so noch nie begegnet“, sagte der Zeuge über dieses Verhalten.

Pflegepersonal rar

Nach Aussagen von anderen Pflegerinnen der Verstorbenen vertraute diese dem Angeklagten mit Blick auf dessen Fähigkeiten nicht. Dass Pflegepersonal dieser Tage aber rar ist, das verdeutlichte auch die Aussage eines Arztes im Koblenzer Landgericht nun sehr anschaulich.

Der Mediziner hatte eigenen Angaben zufolge die private Tagespflege für die Verstorbene organisiert. Es sei damals aber alles andere als leicht gewesen, das Personal für die schwer erkrankte Frau zu finden, hieß es. Die schließlich entstandene Tagespflege-Gruppe sei „zusammengewürfelt“ gewesen, habe aus immer wieder wechselndem Personal – teils auch aus Polen – bestanden.

Der Angeklagte habe seinerseits nur im Nachtdienst gearbeitet. Der Arzt gab an, dass er den 45-Jährigen damals nicht eingestellt habe.

Zeugin nicht greifbar

Wichtig: In der Oktobernacht war dem Angeklagten eine Frau als zusätzliche Pflegerin zur Seite gestellt worden. Diese hätte laut Anklageschrift nachts bei Pflegehandlungen mit hinzugerufen werden müssen. Die Frau schlief in der Nacht eine Etage über dem Pflegebereich. Der Angeklagte soll sie offenbar auch einmal hinzugerufen haben, später dann indes nicht mehr. Der Aufenthaltsort der Pflegerin ist derzeit unbekannt, sie ist deshalb auch nicht greifbar für das Gericht.

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