Rheinland-Pfalz
Prozess in Koblenz: Neonazi schildert Krieg mit Linken

Rheinland-Pfalz - Der Ex-Chef des berüchtigten "Braunen Hauses" in Bad-Neuenahr-Ahrweiler, Christian H. (28), berichtet im Neonazi-Prozess vor dem Landgericht Koblenz von nächtlichen Anschlägen, von Pfefferspray-Attacken, aufgeschlitzten Autoreifen und Steinwürfen auf eine Punkerwohnung.

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Rheinland-Pfalz – Er ist seit Jahren ein führender Aktivist der rechtsradikalen Szene in Rheinland-Pfalz. Er gilt als Ex-Chef des inzwischen aufgelösten Braunen Hauses in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Und er war als dessen Bewohner immer wieder in gewalttätige Konflikte mit Linken verwickelt.

Jetzt hat Christian H. (28) im Neonazi-Prozess vor dem Landgericht Koblenz von nächtlichen Anschlägen berichtet, von Pfefferspray-Attacken, aufgeschlitzten Autoreifen und Steinwürfen auf eine Punkerwohnung.

H. ist einer der 26 Angeklagten im Mammutprozess gegen die mutmaßlichen Mitglieder oder Unterstützer des ultrarechten Aktionsbüros Mittelrhein. Tatvorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Männer sollen Hakenkreuze an Wände gesprüht, Linke verprügelt und ausspioniert haben.

H. weist den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung zurück. Die rechte Szene habe keine Strukturen und Hierarchien, sie sei ein „absolut loses Geflecht von Einzelpersonen“. Der 28-Jährige, der sich jahrelang der NPD zugehörig fühlte, sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft, ebenso sechs weitere Angeklagte, darunter der Koblenzer NPD-Vorsitzende Sven Lobeck.

Die meisten Angeklagten sind inzwischen auf freiem Fuß. Einige zeigen im Gerichtssaal deutlich ihre Gesinnung. Einer trug am 41. Prozesstag ein T-Shirt mit Aufdruck „Narvik“, eine Anspielung auf die Schlacht um Narvik im Zweiten Weltkrieg. Ein anderer erschien in einem Pullover mit dem Schriftzug „Ian Stuart“, dem Gründer des rechtsextremen Netzwerkes „Blood and Honour“ („Blut und Ehre“).

Christian H. bezog das Braune Haus 2010 mit vier „Kameraden“. „Wir hatten das Interesse, in Ruhe zu leben und zu wohnen“, sagte er im Prozess und beschrieb die Hausbewohner als Opfer, die auf die Gewalt radikaler Linker nur reagierten. So schilderte er einen Anschlag im März 2010 gegen 4 Uhr nachts, bei dem Unbekannte laut Anklage „Nazihaus“ auf die Fassade des Braunen Hauses sprühten:

H. wird plötzlich wach, hört Lärm, stürzt zum Fenster, sieht zwei Personen, eine steht Schmiere, die andere besprüht das Haus – dann flüchten beide. Die Hausbewohner laufen nach draußen und sehen das Auto von H., die Reifen zerstochen, fast alle Scheiben zertrümmert. Sie suchen die Täter, fahren mit einem Auto durch Bad Neuenahr-Ahrweiler, beschließen einen Vergeltungsakt. H. fährt zur Wohnung zweier Punker – seine „Kameraden“ werfen den beiden mit Steinen das Wohnzimmerfenster ein. Laut Anklage waren es vier Steine, bis zu 1100 Gramm schwer. Auf der Wohnzimmercouch schlief eine Frau, ein Stein soll sie nur um einen halben Meter verfehlt haben. Doch H. sagte im Prozess, sie hätten niemanden verletzen wollen.

Der 28-Jährige schilderte weitere Attacken auf das Braune Haus. Unbekannte besprühten es mit dem Ausdruck „Nazischweine“ oder bewarfen es mit Bierflaschen, die möglicherweise voll Urin waren. Da besuchten H. und seine Leute die Punker zu Hause, drohten ihnen mit Konsequenzen. Und sie knöpften sich den Opel Astra eines Tatverdächtigen vor, zerstachen die Reifen, zerschlugen die Scheiben.

Am Morgen des 3. Mai 2011 verteilten Linke an zwei Schulen in Bad Neuenahr-Ahrweiler Flugblätter mit Fotos und Adressen mehrerer Rechtsextremer. Die Opfer dieser „Outingaktion“ riefen H. an. Der fuhr nach eigener Aussage sofort los, um die Täter zu stellen und der Polizei zu übergeben. Am Bahnhof trafen er und seine „Kameraden“ auf einige Linke, die angeblich plötzlich zuschlugen, Pfefferspray versprühten und mit dem Zug flüchten wollten. H. sprühte ebenfalls Pfefferspray und hielt den Zug an, bis die Polizei kam. Der Prozess geht am heutigen Donnerstag, 14. März, weiter.

Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

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