Rheinland-Pfalz
Protest gegen Jagdgesetz: Jäger in Rheinland-Pfalz wollen keine Wildunfälle mehr beseitigen
Protest gegen geplantes neues Jagdgesetz in Rheinland-Pfalz
Ein toter junger Fuchs liegt angefahren am Straßenrand. Aus Protest gegen das geplante neue Jagdgesetz in Rheinland-Pfalz hat der Landesjagdverband seine Mitglieder dazu aufgerufen, nach Wildunfällen ab sofort keine toten Tiere mehr einzusammeln. Das Erlegen verletzter Tiere wird laut Verband allerdings nicht gestoppt.
Sina Schuldt. dpa/Sina Schuldt

Die Landesregierung will das Jagdgesetz grundlegend reformieren: Das Jagdmanagement soll mehr auf die Walderneuerung als Folge des Klimawandels ausgerichtet werden. Doch der Landesjagdverband ist überhaupt nicht einverstanden, spricht von roten Linien, die mehrfach überschritten worden seien. Die Interessensvertretung der Jäger ruft deshalb zum Warnstreik auf – mit einer drastischen Maßnahme.

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Wenn eine Pressemitteilung eines Verbands mit einem einzigen Begriff beginnt, das ausgewählte Wort „inakzeptabel“ lautet und sich ein Ministerium gezwungen fühlt, auf die Pressemitteilung umgehend mit einer eigenen Pressemitteilung zu reagieren, dann ist schnell klar, dass ein Gesetzentwurf hohe Wellen schlägt. Es geht um die Novelle des rheinland-pfälzischen Jagdgesetzes. Den Regierungsentwurf hat das Kabinett von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Dienstag verabschiedet. Die heftige Reaktion des Landesjagdverbands folgte prompt am Mittwoch.

Aus Unmut rief der Verband seine 20.000 Mitglieder zu einem sofortigen Warnstreik auf. Soll heißen: Die Jäger sollten ab sofort nach Wildunfällen keine Kadaver mehr entsorgen, hieß es in einem vom Verband veröffentlichten Aufruf. Die Entsorgung von toten Wildtieren im Straßengraben werde in weiten Teilen des Landes von der Jägerschaft erledigt – freiwillig. Dies stelle man nun ein. Der Streik soll zunächst bis Ende August gehen. Das Erlegen verletzter Tiere wird laut Verband dagegen nicht gestoppt. Warum kam es zu dieser Reaktion? Was sieht die Novelle vor, wie lautet die Kritik der Jägerschaft? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Warum ist eine Novellierung nötig? Mit dem erneuerten Landesjagdgesetz – das alte stammt aus dem Jahr 2010 – will die Landesregierung nach Aussage des Umweltministeriums auf den Klimawandel reagieren, den Tierschutz stärken und gleichzeitig Jägern, Grundbesitzern und Landwirten mehr Freiheiten einräumen. Zudem sollen die Jägerschaft sowie Behörden von bürokratischem Aufwand befreit werden. Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sagte, mit dem Entwurf mache sich Rheinland-Pfalz auf den Weg, „eines der modernsten, wenn nicht das modernste Jagdrecht in Deutschland zu bekommen“.

Welche Änderungen sieht der Regierungsentwurf genau vor? Die Vorlage sieht etwa vor, dass neben dem Jagdpächter künftig auch Grundbesitzer in einem Revier mitjagen dürfen. Außerdem können sich Jäger zu sogenannten urbanen Wildberatern ausbilden lassen. Die Wildberater sollen künftig die Kommunen sowie die Bevölkerung im Umgang mit Wildtieren beraten – zum Beispiel bei Konflikten mit Wild, wenn etwa Wildschweine auf Friedhöfen unterwegs sind. Und: Inhaber von Jagdrevieren sollen verpflichtet werden, bei der Rettung von Jungwild zu unterstützen, etwa Rehkitze vor der Wiesenmahd.

Zudem soll der Abschuss invasiver Arten – dazu zählen Nutrias, Waschbären oder ostasiatische Hirscharten – durch die Jägerschaft erleichtert werden. Für das heimische Rotwild, bislang nur in bestimmten Gebieten geduldet, soll Lebensraum nahezu im ganzen Land eröffnet werden. So soll eine weitere genetische Verarmung verhindert werden. Aus Tierschutzgründen ist vorgesehen, dass bestimmte Jagdpraktiken verboten werden sollen. Nicht mehr erlaubt sein soll die Ausbildung von Jagdhunden an flugunfähig gemachten, lebenden Enten oder die laut Umweltministerium für Hunde gefährliche Jagd in Dachs- und Fuchsbauten. Fanggeräte, die ein Tier sofort töten, sollen gänzlich verboten werden.

Außerdem soll nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren ein Verbot bleihaltiger Munition gelten, damit dieses nicht mehr in die Umwelt gelangt. Darüber hinaus sieht der Entwurf eine Digitalisierung der Jagdverwaltung vor. So soll ein Jagd- und Wildtierportal eingerichtet werden.

Wie lautet die Kritik des Landesjagdverbands? Der Verband spricht von „dunkelroten Linien“, die das Umweltministerium nicht ernst genommen habe, außerdem von einem „Schlag ins Gesicht der gesamten Jägerschaft“, den man sich „nicht kampflos gefallen lassen“ werde, heißt es in einer Pressemitteilung. Im Gespräch mit unserer Zeitung ist von einer Schlechterstellung der Jägerschaft, von immer neuen Pflichten und „krassen Eingriffen“ in das Reviersystem die Rede.

Was ist der Hauptkritikpunkt? In Aufregung versetzt die Jäger vor allem der Punkt, dass künftig Grundstückseigentümer neben dem Jagdpächter jagen dürfen sollen. Landesjagdverband-Präsident Dieter Mahr sagt: „In einer Mietwohnung sitzt auch nicht der Vermieter mit am Küchentisch. Dieser und andere Vorschläge werden dazu führen, dass Jagdreviere zum Nachteil der Landwirtschaft unverpachtbar werden.“

Was sind weitere Kritikpunkte? Auf Protest stößt auch die geplante Möglichkeit von Sanktionen gegen Jäger, die in ihrem Revier nicht genügend Tiere schießen. „Frappierend“ nennt der Verband die Änderung, dass die Jäger zu bisher freiwillig erbrachten Leistungen – Stichwort Kitzrettung – nun verpflichtet werden sollen. Präsident Mahr sagt: „Wir warten gespannt darauf, wer außerhalb des Jagdwesens als Nächstes dienstverpflichtet wird.“ So könne man mit Jägern, die sich seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagieren, nicht umgehen.

Gibt es auch Punkte, bei denen man zustimmt? Ja, die gibt es. Einigkeit herrscht etwa beim Punkt, dass man für heimisches Rotwild im ganzen Bundesland Lebensraum öffnet. Auch bei der Frage der Digitalisierung der Jagdverwaltung gibt es keinen Dissens.

Wie reagiert das Umweltministerium? Umweltministerin Eder verteidigt den Regierungsentwurf – und bot dem Landesjagdverband den Dialog an. Es sei angesichts der durch den Klimawandel gestressten Wälder eine möglichst gute und verbindliche Wildregulation nötig, damit etwa nachwachsende junge Bäume nicht durch Wildverbiss geschädigt würden, so die Mainzer Ministerin. Sie sagt: „Unser Ziel ist, eine möglichst klimaresiliente Waldentwicklung zu unterstützen und dieses für uns alle wichtige Ökosystem damit für die Zukunft zu sichern.“ Eder erklärt, bei der Rettung der Rehkitze werde lediglich eine gängige Praxis gesetzlich abgebildet.

Wie geht es nun weiter? Nachdem das Kabinett dem Regierungsentwurf zugestimmt hat, stehen wie geplant weitere Anhörungen von Verbänden und Institutionen an. Der Entwurf soll dann Mitte 2024 in den Landtag kommen. In Kraft treten soll das novellierte Landesjagdgesetz laut Ministerium im April 2025. Bis dahin will man auch die mit dem Gesetz zusammenhängenden Verordnungen anpassen.

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