Ein Blitzer auf der Autobahn 61 zwischen Waldlaubersheim und Dorsheim erhitzt die Gemüter von vielen Autofahrerinnen und Autofahrern. Es geht um mehr als 40.000 Betroffene, wie es in Medienberichten heißt. Das Amtsgericht Bad Kreuznach muss sich wegen des Blitzgeräts nun mit einer Menge von Einsprüchen gegen entsprechende Bußgelder beschäftigen. Betroffene argumentieren vor den Richtern, dass eine Geschwindigkeitstafel 130 – und nicht 100 angezeigt habe. Doch warum steht der Blitzer derzeit überhaupt dort? Wie fallen die Entscheidungen über die Einsprüche am Amtsgericht aus? Und wie schätzt ein Fachanwalt für Verkehrsrecht die Causa ein? Unsere Zeitung hat bei mehreren Stellen nachgefragt.
Zunächst einmal informiert das Polizeipräsidium Mainz über den Grund, der überhaupt zu der Geschwindigkeitsbegrenzung geführt hat: „Anlässlich der Gefahrenstelle durch Bodenwellen hat die Autobahn GmbH bereits am 27. März 2024 eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung erlassen.“ Durch diese sei die zulässige Höchstgeschwindigkeit in dem Bereich – genauer gesagt geht es um den Abschnitt zwischen den Autobahnkilometern 288,216 und 289,250 – auf 100 Kilometer pro Stunde reduziert worden. Und zwar dauerhaft.

Die Anzeige dieser Geschwindigkeitsbegrenzung erfolge durch die digitale Schilderbrücke bei Autobahnkilometer 288,2. „Zusätzlich wurden zwei physische Schilder ,Radarkontrolle‘ an besagter Örtlichkeit installiert. Aufgrund der Bodenwellen und der daraus resultierenden konkreten Gefahr für die Verkehrsteilnehmer ist die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle von besonderer Bedeutung.“ Laut dem Polizeipräsidium Mainz seien „die Bauarbeiten zur Beseitigung der Gefahrenstelle für das zweite Quartal 2025 angedacht“.
Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz mit Sitz in Ludwigshafen teilt ihrerseits mit, dass seit der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung vom 27. März 2024 bis zum 6. März dieses Jahres rund 40.500 Ordnungswidrigkeiten von der zentralen Bußgeldstelle des Landes Rheinland-Pfalz an der Stelle geahndet worden seien.
Zeigt das System wirklich das richtige Tempolimit an?
Wolfgang Maus aus Bad Kreuznach ist Fachanwalt für Verkehrsrecht. Mit Blick auf diese gigantische Zahl stellt Maus im Gespräch mit unserer Zeitung Rechnungen auf: „Bei rund 40.000 Vorgängen und einer Summe für Bußgeld und Verwaltungsgebühren von rund 180 Euro beläuft sich der Ertrag auf rund 7 Millionen Euro.“ Nach der durch die Blitzerstelle entstandenen Gesamtsumme gefragt, erklärt die Pressestelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz: „Die Summe der Buß- und Verwarnungsgelder kann nicht ermittelt werden.“
Fachanwalt Maus glaubt, dass irgendetwas mit der Handhabung des Systems nicht stimme. „Ich will nicht sagen, dass das bewusst gemacht wird. Das System muss aber doch so geschaltet sein, dass es immer 100 anzeigt. Die Verwaltung sagt, da steht immer 100. Das stimmt aber nicht.“ Maus verweist in diesem Zuge auf ein Dokument aus einer Akte, wie er es beschreibt. Dieses zeige auf, dass das System zeitweise 130 Kilometer pro Stunde zulasse. Maus unterstreicht zudem: „Ein Betroffener hat als Beifahrer ein Video angefertigt, wo man beim Durchfahren dieser Strecke videotechnisch genau diese Anlage sieht – und da steht 130. Und eine Mehrzahl meiner Kunden schwört, dass sie beim Durchfahren dieser Lichtanlage 130 gesehen haben. Nur – das können sie alle nicht beweisen.“
„Die oben genannten Einlassungen konnten jeweils widerlegt werden“
Hat Maus Recht – und die Anlage funktioniert nicht richtig? Polizeisprecher Thorsten Mischler vom Polizeipräsidium Rheinpfalz sagt: „Neben der Überprüfung der Beschilderung vor und nach jeder Messung durch das Messpersonal wird für jede Messung bei der Verkehrszentrale das technische Schaltprotokoll der Wechselverkehrszeichenanlage angefordert. Das Auftreten möglicher Störungen oder Ausfälle der Wechselverkehrszeichenanlage wird somit bei jeder Messung dokumentiert.“ Laut Mischler sei es nicht ausgeschlossen, dass es zu Ausfällen gekommen sein könnte. Diese seien im Polizeisystem rückblickend aber nicht mehr recherchierbar. Diese Ausfälle würden dann aber selbstredend in Bußgeldverfahren berücksichtigt, behauptet Mischler.
Beim Amtsgericht Bad Kreuznach stapeln sich wegen des Blitzgeräts die Einsprüche gegen entsprechende Bußgelder. „Es wurde teils eingewendet, die Streckenbeeinflussungsanlage sei ausgeschaltet gewesen, oder habe eine höhere Geschwindigkeit als 100 Kilometer pro Stunde angezeigt“, teilt der Pressesprecher des Gerichts zur Argumentationslinie von Betroffenen mit. Erfolgreich sei diese bis dato aber nicht gewesen: „Es kam in keinem Verfahren zu einem Freispruch oder zu einer Einstellung aufgrund einer etwaig fehlerhaften oder fehlenden Beschilderung. Die oben genannten Einlassungen konnten jeweils widerlegt werden.“