Rheinland-Pfalz
Prostituiertenmord Rauental: Angeklagte müssen lebenslang in Haft
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Ein Bild vom Prozessauftakt am Koblenzer Landgericht: Der Angeklagte Halil A. wird in den Saal geführt.
Johannes Mario Löhr

Das Urteil im Rauental-Prozess steht: Die zwei Angeklagten sind zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt.

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Das Urteil im Prozess um den Mord an einer 31-jährigen bulgarischen Prostituierten im Koblenzer Stadtteil Rauental ist am Landgericht gefallen: Die 40-jährige Kibariya K. und der 48-jährige Halil A. aus Bulgarien sind zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden – wegen Mordes in Tateinheit mit einem besonders schwereren Fall der Zwangsprostitution sowie Freiheitsberaubung mit Todesfolge. Die besondere Schwere der Schuld wurde bei beiden Bulgaren – es soll sich um ein Paar handeln – festgestellt.

Die Pressestelle des Landgerichts teilt dazu mit: „Wenn also die besondere Schwere der Schuld vom Tatgericht festgestellt worden ist, tritt nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe von 15 Jahren auch bei guter Prognose keine Entlassungsautomatik ein.“

„Klima der Angst“ erzeugt

Der Kriminalfall hatte bis weit über die Koblenzer Stadtgrenzen hinaus für große Betroffenheit gesorgt. Am Ende des Prozesses entsprach die Strafkammer um Richter Rupert Stehlin mit dem Urteilsspruch ziemlich genau den Forderungen von Staatsanwalt Sebastian Hübinger. Dieser hatte in seinem Plädoyer betont, dass die Angeklagten das Opfer für sich als Prostituierte hätten schuften lassen. Das Geld sei von Kibariya K. und Halil A. in Gänze einkassiert worden.

Das bulgarische Paar habe durch „massivste Gewalt“ ein „Klima der Angst“ in dem Apartment in der Baedekerstraße im Rauental erzeugt, wo das Opfer und die Angeklagten bis zum Tod der Frau im November des vergangenen Jahres zusammengelebt hatten.

Der 31-Jährigen sei der Ausweis abgenommen worden, um ihre Flucht zu verhindern, führte Hübinger weiter aus. Die Gewalt gegen die Frau habe bereits 2016 begonnen, sich aber ab April 2023 stark intensiviert. Da sei es für die Angeklagten zu einem finanziellen Engpass gekommen – erstmals konnten diese deshalb ihre Verwandten in Bulgarien nicht besuchen. Und dafür, sagte der Staatsanwalt, hätten Kibariya K. und Halil A. dem Opfer die Schuld gegeben. Infolge seien die Übergriffe auf die Bulgarin noch brutaler geworden.

„Wie ein Stück Vieh gehalten“

Faustschläge, Peitschenhiebe, Elektroschocks, Prügel mit Gegenständen, Schnittverletzungen, Brandverletzungen durch Sturmfeuerzeuge und Bügeleisen – schlicht „menschenverachtende Gewalt“ sei angewandt worden, erklärte der Staatsanwalt. Auf den Handys der Angeklagten gefundene Fotos und Videos dokumentierten diese. Das Opfer sei ferner emotional erniedrigt, beleidigt, gefesselt worden, habe auf allen Vieren putzen müssen – und durfte das Apartment über Monate, wenn nicht Jahre, hinweg nicht verlassen. Die Frau sei „wie ein Stück Vieh gehalten“ worden, das zur Strafe auch hätte hungern müssen, hieß es.

53 Knochenbrüche an 39 Knochen

Die Bulgarin erlitt 53 Knochenbrüche an 39 Knochen, 31 davon sollen von Verletzungen aus den letzten Monaten vor dem Tod der Frau herrühren. Aus Sicht des Staatsanwalts sind die Angeklagten dafür verantwortlich. Bis zu ihrem Tod habe die Bulgarin für den Lebensunterhalt der Angeklagten als Prostituierte arbeiten müssen, was aufgrund der zahlreichen Knochenbrüche nur unter „unvorstellbaren Schmerzen“ möglich gewesen sei, so Hübinger. Die 31-Jährige war schließlich im November 2023 an einer allgemeinen Entzündungsreaktion des Körpers verstorben. Diese, sagte Hübinger sinngemäß, sei durch die Übergriffe der Angeklagten ausgelöst worden.

Zwei Mordmerkmale erfüllt

Das Mordmerkmal der Grausamkeit sei erfüllt, hieß es weiter. Ferner das der niedrigen Beweggründe, da die noch massivere Gewalt in den letzten Monaten vor dem Tod der Frau durch die Enttäuschung der Angeklagten über den nicht zustande gekommenen Urlaub in Bulgarien ausgelöst worden sei. Der Tod des Opfers sei also durch eine „Nichtigkeit“ mitverursacht worden, sagte Hübinger. Er forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe für beide Angeklagte und erklärte, dass die besondere Schwere der Schuld festzustellen sei. Das Gericht folgte dem.

Richter Stehlin bezog sich in der Urteilsbegründung auf viele Punkte, die bereits der Staatsanwalt eindrücklich geschildert hatte. Die Angeklagten hätten es förmlich genossen, das Opfer zu beherrschen und zu demütigen, sagte der Richter. Und: Dringend notwendige ärztliche Hilfe sei der 31-jährigen Bulgarin über Monate hinweg vorenthalten worden. Stehlin sprach von „Entmenschlichung“.

Mordvorsatz nicht gegeben?

Rechtsanwältin Maike Naumiuk, die Kibariya K. verteidigt, hatte in ihrem Plädoyer unter anderem erläutert, dass der Mordvorsatz womöglich nicht gegeben sein könnte. So hätten die Angeklagten „Fürsorge für die Geschädigte“ gezeigt und aus eigenem Antrieb heraus im November 2023 den Notruf für die Frau gewählt. Ihre Mandantin Kibariya K. habe beim Eintreffen des Notdienstes „eng umschlungen“ mit dem Opfer auf dem Boden gesessen und geweint. Beim Eintreffen des Rettungsdienstes war die 31-jährige Bulgarin bereits klinisch tot.

Naumiuk betonte ferner, dass die Angeklagten durch den Notruf die Aufmerksamkeit von sich aus auf sich gezogen hätten. Die Verteidigerin fragte in den Gerichtssaal, was passiert wäre, wenn die Angeklagten die Frau hätten sterben und dann „verschwinden lassen“. Im für die Angeklagten günstigsten Fall, so Naumiuk, – nichts. Denn das Opfer habe weder Freunde oder Familie gehabt.

Rechtsanwalt Murat Beslenmis, der Halil A. verteidigt, sagte, die Vorwürfe aus der Anklage hätten sich „teilweise nicht bestätigt.“ Auch er behauptete, dass der Tötungsvorsatz nicht gegeben gewesen sein dürfte. Genau wie Naumiuk hatte er eine „tat- und schuldangemessene Strafe“ gefordert.

„Wir waren wie eine Familie“

Die Angeklagten hatten während des sieben Verhandlungstage umfassenden Prozesses geschwiegen. Während des sogenannten „letzten Worts“ äußerten sie sich erstmals im Gericht – und das teils widersprüchlich. Halil A. sagte etwa: „Wir waren wie eine Familie. In dieser Sache haben wir keinerlei Schuld.“ Es habe keinen Grund gegeben, die Frau zu töten, so der Angeklagte. „Ich entschuldige mich“, sagte er trotzdem. Und dann: „Ich hätte nach Bulgarien flüchten können.“

Kibariya K. erklärte: „Ich bin sehr traurig. Sie ist wie eine Schwester gewesen. Ich wollte nicht, dass ihr irgendetwas zugefügt wird.“ Und weiter: „Ich hätte ihr das nicht antun können. Wir haben keine Schuld. Gott weiß es. Ich entschuldige mich auch.“ Gegen das Koblenzer Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

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