Die Wahl ist gelaufen und der nächste Kanzler wird wohl ziemlich sicher Friedrich Merz heißen. Zwar haben auch „seine“ Christdemokraten mächtig Federn an der Urne gelassen, doch ist die Partei trotzdem stärkste Kraft. Unsere Zeitung hat nun bei zwei Polizeigewerkschaften und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) nachgefragt, was man sich von einer neuen Regierung erhofft. Besonders mit Blick auf das Cannabisgesetz, den Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei Risikopersonen und die innere Sicherheit im Land.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sehe die Teillegalisierung von Cannabis kritisch, sagt Stefanie Loth, Landesvorsitzende der GdP. Ein Hauptkritikpunkt: negative Auswirkungen auf den Jugend- und Gesundheitsschutz durch höhere Verfügbarkeit von Cannabis und der allgemeine Abbau der Konsumhemmschwelle. Zu einer Entlastung der Kriminalitätsbekämpfung habe das Gesetz auch nicht geführt. Cannabis werde eine Einnahmequelle für die Organisierte Kriminalität bleiben, allein schon deshalb weil „wirksameres“ Cannabis dort gekauft werden könne, sagt Loth.
„Im Ergebnis ist eine Rolle rückwärts zwar wieder mit zahlreichen Aufwänden verbunden, wäre aber der bessere Weg.“
Stefanie Loth, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), wünscht sich das Zurücknehmen der Teillegalisierung von Cannabis.
Im Ergebnis habe sich die Polizei sowohl im Verkehrsbereich und im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung auf eine Vielzahl von neuen, kleinteiligen Regelungen in kürzester Zeit einstellen müssen, ohne aber die notwendigen Ressourcen mit aufstocken zu können. Loths Fazit: „Im Ergebnis ist eine Rolle rückwärts zwar wieder mit zahlreichen Aufwänden verbunden, wäre aber der bessere Weg.“ Konkret meint sie das Zurücknehmen der Teillegalisierung, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung unterstreicht.
Die rechtlichen Voraussetzungen rund um die elektronischen Fußfesseln, so Loth weiter, seien vergangene Woche mit der Zustimmung zur Gesetzesänderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG, und hier Paragraf 32a) im Landtag neu aufgenommen worden. „Hierfür kann sogar die Wohnung der Person betreten werden. Das begrüßen wir“, sagt Loth. Das Anlegen von Fußfesseln unter Zwang werde aber voraussichtlich nur für eine geringe Anzahl von Fällen in die Anwendung kommen, es sei aber gut, auf dieses Instrument zurückgreifen zu können. Loth: „Hier sind Beispiele von drohenden Gefahren von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung denkbar, auch im Kontext von Fällen von häuslicher Gewalt.“
„Der BDK fordert eine echte Kehrtwende!“
Lothar Butzen, stellvertretender Landesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, über das Cannabisgesetz.
Mit Blick auf die allgemeine Sicherheit im Land sagt die GdP-Chefin: „Wir fordern als GdP schon seit Längerem ein realistisches und umfassendes Lagebild, einen periodischen Sicherheitsbericht, der über die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik und der Verurteilungsstatistik der Staatsanwaltschaften hinaus auch Dunkelfeldforschung und Fragen zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beinhaltet.“ Im Feld der Kriminalitätsbekämpfung sehe man, dass die Anzahl der erfassten Fälle insgesamt nach der Corona-Zeit wieder ansteige. Der Statistik könne man für 2023 eine „gestiegene Zahl von nichtdeutschen Tatverdächtigen entnehmen im Vergleich zum Vorjahr“.
Lothar Butzen ist stellvertretender Landesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Mit Blick auf Cannabis sagt er: „Der BDK fordert eine echte Kehrtwende!“ Das jetzige Gesetz sei das Ergebnis einer „klientelgesteuerten und naiven Interessenspolitik“. Man kritisiere die „viel zu großen Mengen, die zu Hause angebaut beziehungsweise vorgehalten werden dürfen“. Auch seien die Einrichtungen der Anbauvereinigungen und Cannabisclubs „falsch“. Butzen unterstreicht: „Die Einhaltung der Vorgaben sind nicht zu kontrollieren“.
Eine völlige Rückkehr zur „alten“ Regelungslage sei indes „ebenso falsch“. Ja, selbst der BDK spreche sich seit Jahren für eine Entkriminalisierung des Konsums aus. Doch die Umsetzung der Ampel habe man in dieser Art sicher nicht im Sinn gehabt. Das Gesetz gehöre also zwingend erneut auf den Prüfstand. Geringe Mengen etwa könnten entkriminalisiert werden, die jetzigen Mengen seien indes deutlich zu hoch angesetzt: „Wir müssen das Thema Jugendschutz ernst nehmen“, resümiert Butzen.
Fußfessel? „Das Bitten um eine Kooperation kann nicht richtig sein“
Beim Thema Fußfessel gehe Rheinland-Pfalz mit der aktuellen Novellierung des POG, für das auch Loth von der GdP lobende Worte fand, „den einzig richtigen Weg“. Butzen geht ins Detail: „Natürlich muss eine Fußfessel – wie eine andere Fessel auch – mit Zwang angelegt werden können. Es geht hier stets um solche Menschen, von denen erhebliche Gefahren ausgehen. Da muss der Staat konsequent und klar definiert handeln können. Das Bitten um eine Kooperation kann nicht richtig sein.“
Das Thema innere Sicherheit und Gewalt durch Flüchtlinge hat die Schlagzeilen der vergangenen Wochen stark dominiert. Der BDK spreche sich hier „für eine sachliche Auseinandersetzung der künftigen Regierung zu diesem Thema aus.“ Allerdings seien „künftig klare und konsequente Wege zu finden“.
Konkret greift Butzen das Thema Abschiebungen auf: Im Zusammenhang mit Ausreisepflichtigen müssten die Kompetenzen der Bundespolizei deutlich gestärkt werden. Der BDK kritisiere in diesem Kontext eine überbordende Ausprägung von Rechtsmitteln, die Ausreisepflichtigen derzeit zusätzlich zugestanden würden.
Cannabisgesetz scheitere an Praxis
Noriko Nagy ist Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Sie sagt, dass man die Legalisierung von Cannabis von Anfang an kritisch begleitet habe, vor allem mit Blick auf die Auswirkungen auf die polizeiliche Arbeit, den Jugendschutz und die Verkehrssicherheit. Nagy: „Bereits jetzt zeigt sich, dass die neuen Regelungen in der Praxis schwer umsetzbar sind.“ Die Abgrenzung zwischen legalem Besitz und illegalem Handel sei komplex, die Verfolgung von Mischdelikten, also Besitz von Cannabis in Kombination mit anderen Straftaten, erschwere die Arbeit der Polizei erheblich, und die Überprüfung der Konsumgrenzen – insbesondere im Straßenverkehr – bleibe eine große Herausforderung.
„Zudem befürchten wir, dass sich der Schwarzmarkt, nicht wie von der Politik erhofft, zurückdrängen lässt, sondern sich vielmehr an die neuen Bedingungen anpasst“, so Nagy weiter. „Eine mögliche Kehrtwende der Gesetzgebung würde all diese Herausforderungen erneut auf den Prüfstand stellen.“ Was man sich ausdrücklich wünsche. „Für die Polizei wäre es wichtig, frühzeitig in die Diskussion einbezogen zu werden, um sicherzustellen, dass künftige Regelungen praxistauglich sind.“
„Die Menschen erwarten zu Recht, dass Sicherheit nicht nur versprochen, sondern auch tatsächlich gewährleistet wird.“
Noriko Nagy, Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)
Die elektronische Fußfessel könne laut Nagy ein sinnvolles Instrument sein, um gefährliche Täter zu überwachen, etwa terroristische Gefährder. Eine bundesgesetzliche Regelung könne dabei für mehr Einheitlichkeit und Rechtssicherheit sorgen, sagt Nagy. Doch die praktische Umsetzung bringe auch so manche Herausforderung mit sich: „Wer kontrolliert die Einhaltung, welche Konsequenzen hat ein Verstoß, und wie kann sichergestellt werden, dass die Polizei entlastet und nicht zusätzlich belastet wird?“
Mit Blick auf die Anschläge von Magdeburg und München berichtet Nagy: „Klar ist: Jeder Fall von Gewalt ist einer zu viel, unabhängig von der Herkunft des Täters. Zugleich zeigt sich, dass bestimmte Tätergruppen überproportional in bestimmten Kriminalitätsfeldern auffallen.“ Hier brauche es eine „sachliche Debatte über Ursachen, Präventionsmaßnahmen und notwendige Konsequenzen.“ Es brauche klare gesetzliche Rahmenbedingungen und politische Rückendeckung, um effektiv handeln zu können – „und nicht nur symbolische Betroffenheitsbekundungen nach der nächsten Tat.“
Was im Sofortprogramm der CDU steht
Die Zeit für ernsthafte sicherheitspolitische Maßnahmen sei längst überfällig. „Die Menschen erwarten zu Recht, dass Sicherheit nicht nur versprochen, sondern auch tatsächlich gewährleistet wird.“ Wer es mit der inneren Sicherheit ernst meine, müsse sich laut Nagy für eine bessere Ausstattung der Polizei, konsequentere Strafverfolgung und klare rechtliche Vorgaben einsetzen.
Im Sofortprogramm des Wahlsiegers, der Union, ist die elektronische Fußfessel übrigens enthalten. Unter Punkt elf heißt es: „Gewalttäter gegen Frauen müssen gestoppt werden.“ Das Cannabis-Gesetz will die Union laut Sofortprogramm abschaffen. Unter Punkt 15 des Sofortprogramms ist zu lesen: „Unsere Kinder und Jugendlichen müssen vor Drogenkonsum und Sucht geschützt werden.“ Mögliche Koalitionsverhandlungen mit der SPD werden zeigen, wer sich bei diesen Punkten durchsetzen wird.