Podiumsdiskussion unserer Zeitung und von RPR1 zeigt: Es sind noch viele Hürden zu nehmen - auch beim landesweiten Katastrophenschutz
Podiumsdiskussion zum Aufbau an der Ahr zeigt: Es sind noch viele Hürden zu nehmen
Über die Zukunft des Tourismus im Ahrtal diskutierten der neue Innenminister Michael Ebling, RZ-Chefredakteur Lars Hennemann, Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt, Buchautor Andy Neumann, Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus, RPR1-Moderator und Informationschef Jens Baumgarten und der Recher Bürgermeister Benjamin Vrijdaghs.
Hans-Jürgen Vollrath

Die Nepomukbrücke in Rech ist nicht nur ein bauhistorisches Wahrzeichen des Ahrtals. 16 Monate nach der Flut mit ihren katastrophalen Folgen kann sie als Sinnbild für den Zustand des Tals gelesen werden: Massiv hatte sie das Wasser getroffen, schwer beschädigt steht sie seither da, irgendwie verloren in einem Zwischenstand: Sie steht für Vergangenes, seit Juli 2021 als Ruine für Verlorenes.

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Über die Zukunft des Tourismus im Ahrtal diskutierten der neue Innenminister Michael Ebling, RZ-Chefredakteur Lars Hennemann, Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt, Buchautor Andy Neumann, Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus, RPR1-Moderator und Informationschef Jens Baumgarten und der Recher Bürgermeister Benjamin Vrijdaghs.
Hans-Jürgen Vollrath

Inzwischen, da die Trümmer weggeräumt sind, kreisen die Diskussionen um die Frage, wie es weitergehen kann: Hat die Brücke – als Mahnmal – eine Zukunft? Oder wird sie doch abgerissen? Und was bedeutet diese oder jene Option für den Ort Rech? Wie kann er sich, wie kann sich das ganze Tal entwickeln, dessen Zustand die Brücke spiegelt? Das offensichtliche Chaos ist beseitigt, die Schäden sind es noch lange nicht.

Es tut sich zwar was, doch der Wiederaufbau ist ein komplexer, alles andere als linear ablaufender Prozess. Die Fallstricke: Bürokratie, lange Genehmigungsprozesse und obendrein viel zu wenige Fachkräfte an den entscheidenden Stellen, insbesondere auch in den Verwaltungen des Kreises Ahrweiler sowie beim Landesbetrieb Mobilität.

Diskussion über den Aufbau Ahr

Dies ist der Tenor einer Podiumsdiskussion, die die Rhein-Zeitung und der Radiosender RPR1 veranstaltet haben. Zum dritten Mal hatten beide Medienhäuser zum Diskussionsforum mit Politik und Menschen aus dem Ahrtal geladen, moderiert von RZ-Chefredakteur Lars Hennemann und Radiomoderator Jens Baumgart. Neben der Frage, wie der Aufbau in Sachen Wirtschaft und Tourismus an der Ahr vorankommt, ging es in dieser Runde in Heimersheim auch um ein Thema, das weit über die Grenzen des Ahrtals heraus von Belang ist: der Katastrophenschutz für ganz Rheinland-Pfalz.

Neben Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP), Benjamin Vrijdaghs, Bürgermeister von Rech, Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus, und Buchautor Andy Neumann war mit Innenminister Michael Ebling just der Mann aufs Podium geladen, in dessen Zuständigkeitsbereich der Brand- und Katastrophenschutz im Land seit etwa sechs Wochen fällt: Der SPD-Politiker ist seit Mitte Oktober im Amt in der Nachfolge von Roger Lewentz.

Kurzer Rückblick: Lewentz war bekanntlich wegen seiner Rolle in der Flutkatastrophe über Monate hinweg unter Druck geraten, weil der Katastrophenschutz nach der Flut in der Kritik stand. Als aus einem Polizeihubschauer in der Flutnacht gedrehte Videos plötzlich im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe auftauchten, zog Lewentz persönliche Konsequenzen. Und als vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass auch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) als Landesbehörde dem U-Ausschuss etliche Videos und Daten mit monatelanger Verspätung vorlegte, war die Empörung erneut groß – etwaige rechtliche und personelle Folgen sind noch offen.

Das ist die Gemengelage, mit der Ebling frisch im Amt umzugehen hat – und wozu er sich auf dem Podium der Öffentlichkeit und insbesondere vor Menschen des Ahrtals erklären muss. Was viel zu spät eingereichtes Beweismaterial angeht, sagt Ebling: Alles, was zu Verzögerungen in der Aufklärungsarbeit des U-Ausschusses geführt habe, sei „großer Mist“.

Er sei sich aber sicher, dass nicht mit Vorsatz gehandelt und Information bewusst zurückgehalten worden seien. „Es hat aber einen Kern von Nachlässigkeit, und dadurch entsteht ein schlechter Eindruck, was das Handeln staatlicher Organe, insbesondere der Polizei, angeht. Das ist eine belastende Situation“, sagt Ebling. Auf die Frage, ob auf die verspätete Aktenlieferung der ADD Konsequenzen folgen müssten, führte der Innenminister zunächst den von ihm eingesetzten internen Revisor an, der die Umstände aufklären soll, um dann zu betonen: „Je nach Ergebnis kann nicht ausgeschlossen werden, dass dann auch personelle Konsequenzen gezogen werden müssen.“ Diese Ansage ist in Richtung ADD-Präsident Thomas Linnertz zu verstehen.

Doch zurück zu einer von Eblings größten Baustellen im neuen Amt: der Neuaufstellung des Katastrophenschutzes. Die drängendsten Punkte auf der Liste des Innenministers will Moderator Lars Hennemann wissen. Die Antworten: die technische Ausstattung von Katastrophenschützern verbessern. In Kreisen und Kommunen sind dies in erster Linie die meist ehrenamtlichen Feuerwehren. Auch für eine bessere fachlichere Qualifizierung der Kräfte auf allen Ebenen müsse gesorgt werden. Außerdem, so Ebling, solle kreisübergreifend Technik zur Unterstützung im Katastrophenfall vorgehalten werden. Auf Landesebene müsse allein schon von den technischen Aspekten her dafür gesorgt werden, jederzeit eine Lageführung übernehmen zu können.

Ebling knüpft hier an ein Vorhaben seines Vorgängers Lewentz an, ein Amt zu schaffen, in dem auf Landesebene Kompetenzen für den Katastrophenschutz gebündelt werden – und das „rund um die Uhr“ besetzt sein müsse. Denn: Die Flut im Ahrtal war als Naturkatastrophe zweifelsfrei ein „Gongschlag“, man sei wach gerüttelt worden, was die Schwachstellen im Katastrophenschutz angehe.

„Einschläge kommen näher“

Darüber hinaus sei es aber in Krisenzeiten wie diesen das Gebot der Stunde, den Zivilschutz zu stärken. „Wir müssen dafür sorgen, dass das Thema ,Brand- und Katastrophenschutz' wichtig bleibt und standardisiert wird“, sagt Ebling und ergänzt: „Wir müssen uns eingestehen, dass die Einschläge näherkommen.“ So seien etwa auch Angriffe auf strategische Infrastrukturen realistischer geworden, als man sich das über die vergangenen Jahrzehnte hinweg habe vorstellen können.

Mit diesem für ihn wichtigsten Punkt stößt der Innenminister bei einem seiner Mitdiskutanten auf besonders offene Ohren: Buchautor und Polizist Andy Neumann bekräftigt, dass es für den Katastrophenschutz professionelle Kräfte auf Landesebene bräuchte. „Man kann nicht mehr denken: Das mit dem Katastrophenschutz, das machen schon die Feuerwehren vor Ort. Das sind keine Stabsprofis, die Großlagen meistern können.“

Klare Worte findet Neumann auch in Richtung Landesregierung: Während Ebling solche Sätze wie „Das war Mist“ über die Lippen kämen, hätte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) eine solch klare Aussage auch 16 Monate nach der Flut nicht zustande gebracht. „Dabei sind massive Fehler im Umgang mit der Katastrophe passiert.“ Demgegenüber stünde der unbedingte Wille, ohne ein Eingeständnis weiterzumachen. „Das ist eine gewaltige Hypothek“, so Neumann.

Derweil scheint eine Botschaft aus dieser Podiumsdiskussion schon in Mainz zu verfangen: Innenminister Ebling hat sich dem Vernehmen nach zeitnah für einen Besuch im Ahrtal angesagt – mit Ministerpräsidentin Dreyer, um mit Ortsbürgermeistern und Landrätin Cornelia Weigand ins Gespräch zu kommen. Dies geht womöglich auch über Möglichkeiten, um fehlenden Fachkräften abzuhelfen, damit es im Ahrtal vorangeht – und sich Antworten für die Zukunft finden. Auch für die Nepomukbrücke.

Anke Mersmann

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