Die Mainzer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, bis zur nächsten Landtagswahl im Frühjahr 2026 sieben Pendlerradrouten im Land zu bauen oder fertigzustellen. Die Routen sollen Radschnellverbindungen zwischen Wohnorten und Arbeitsplätzen, Stadtzentren und Gewerbegebieten, Verwaltungen und Bahnhöfen schaffen. Sie sollen den Alltagsradverkehr stärken und einen touristischen Mehrwert bieten.
Aktuell sind nach Angaben des zuständigen Verkehrsministeriums von Daniela Schmitt (FDP) allerdings erst rund 30 Kilometer fertig. Die Kritik, dass es bei den Pendlerradrouten nicht vorangeht, wird lauter. Auch unter den Koalitionspartnern. Die grüne Landtagsfraktion fordert, dass Radwege und die Pendlerradrouten künftig deutlich schneller gebaut werden. Der Appell dürfte auch an die Verkehrsministerin gerichtet sein. Auch der Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs sieht Schmitt in der Pflicht. Fragen und Antworten zum Thema.
Was macht eine Pendlerradroute aus und wie viele soll es geben?
In Zukunft soll es sieben Pendlerradrouten in Rheinland-Pfalz mit einer Gesamtlänge von 350 Kilometern geben – im nördlichen Rheinland-Pfalz eine von Koblenz nach Boppard – mit Abzweigung ins Lahntal bis nach Bad Ems – sowie eine weitere von Koblenz bis zur Landesgrenze nach Nordrhein-Westfalen. Nach Auskunft des Mainzer Verkehrsministeriums sollen die Pendlerradrouten breit genug sein, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen, sie sollen einen „hochwertigen, erschütterungsarmen Belag“ haben, möglichst frei von Fußgängerverkehr und getrennt vom Autoverkehr sein und am besten ausschließlich Radfahrern zur Verfügung stehen.

Wie viele Kilometer sind heute bereits fertig?
Das Verkehrsministerium informiert auf Anfrage unserer Zeitung, dass aktuell rund 30 Kilometer fertig sind. Bis zur Landtagswahl im nächsten Frühjahr sollen es 350 Kilometer sein. Eigentlich. Bedeutet, dass heute nicht einmal 10 Prozent der Zielkilometer fertiggestellt sind. Das Ministerium rechtfertigt diese Bilanz damit, dass auch die übrigen Routen schon heute für die Radfahrer „gut nutzbar“ seien, wenn auch teils noch mit Verbesserungspotenzial. Rheinland-Pfalz setze statt teurer Prestigeprojekte auf der grünen Wiese auf „die intelligente Nutzung bestehender Infrastrukturen“, also schon vorhandener Wege.
Was ist das Problem, warum geht es dann nicht voran?
Gute Frage, nächste Frage. Bei den Pendlerradrouten gibt es viele Akteure, die bei der Planung und Umsetzung mit im Boot sind: der dem Verkehrsministerium unterstellte Landesbetrieb Mobilität (LBM), der nach Angaben des Ministeriums mit einer zentralen Koordinierungsstelle unterstützt; außerdem Planungsbüros, die Kommunen (Kreise, kreisfreie Städte, Verbands- und Ortsgemeinden), aber auch Landwirte und Winzer als Grundstückseigentümer, wenn Wirtschaftswege für die Routen mit genutzt werden sollen. Hinzu kommt ein mehrstufiges Verfahren: eine erste Kooperationsvereinbarung, später eine zweite, Planungen und Abstimmungen, die Klärung von Eigentumsfragen, die Zustimmung aller kommunalen Gremien, weitere Planungen und Abstimmungen, und so weiter und so fort.
Und wie lautet die Einschätzung der zuständigen Verkehrsministerin Schmitt zu den Problemursachen?
Daniela Schmitt deutet in einer Kleinen Anfrage der Grünen zunächst auf die Zuständigkeit der Kommunen, wenn die Pendlerradroute über kommunale Infrastruktur verläuft, – gleichzeitig spricht sie in einer Anfrage von einem „wichtigen Projekt“ der Landesregierung, davon, dass die Umsetzung der sieben Routen für die Landesregierung „einen hohen Stellenwert“ besitze. Schon vor drei Jahren freute sie sich, dass „so viele Mittel wie noch nie zur Verfügung stehen“.
„Die Entwicklung der Pendlerradrouten in Rheinland-Pfalz ist ein wichtiges Projekt der Landesregierung, um den Alltagsradverkehr nachhaltig zu stärken.“
Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion.
In einer Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung verweist die FDP-Politikerin nun auch beim Ausbau der Radinfrastruktur auf zu lange Genehmigungsverfahren und darauf, dass Klagen den Bau verzögerten. Das sei bei den Pendlerradrouten, Brücken oder Unternehmensansiedlungen der Fall. Schmitt sagt: „Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, ob solche umfangreichen Klagerechte noch zeitgemäß sind, wenn sie Fortschritt verhindern, anstatt ihn zu ermöglichen.“ Die Frage unserer Zeitung, ob die Ministerin die Notwendigkeit sieht, die Koordinierung und Steuerung zwischen den Beteiligten selbst zu übernehmen, beantwortet ihre Pressestelle nicht. Die grüne Landtagsfraktion lässt diese Frage ebenfalls unbeantwortet.
Was sagt die Grünen-Landtagsfraktion?
Es sei ein grünes Ziel, dass es beim Bau von Radwegen und insbesondere bei den Pendlerradrouten „in Zukunft deutlich schneller geht“, erklärt Lea Heidbreder, mobilitätspolitische Sprecherin. Man müsse so schnell wie möglich bei allen Routen im Land vom Planen zum Machen kommen. Es sei frustrierend für die Pendler vor Ort, „jahrelang darauf zu warten, dass die heiß ersehnte Pendlerradroute endlich steht“, sagt Heidbreder. Das ist für Kritik unter Koalitionspartnern (Grüne und FDP) im politischen Mainz schon eindeutig.

Hinter vorgehaltener Hand reden Grüne aber richtig Klartext. Da heißt es dann auch mal, dass es gut wäre, wenn die Aufteilung der Verkehrs- und Mobilitätsthemen zwischen dem Verkehrsministerium (Daniela Schmitt) und dem Mobilitätsministerium (Katrin Eder, Grüne) nach der nächsten Landtagswahl enden und alles in die Hand eines Grün geführten Ministeriums kommen würde. In einer Antwort auf eine offizielle Anfrage verweist die mobilitätspolitische Sprecherin Heidbreder, genauso wie Schmitt, auf die langwierigen Planungsverfahren. Man brauche schlankere Prozesse und eine schnellere Abstimmung der Akteure. Zu den relevanten Akteuren gehört auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Der ADFC-Landesverband Rheinland-Pfalz findet in einer Auskunft auf Anfrage noch deutlichere Worte.
„Es wäre zielführend, wenn Verkehrsministerin Daniela Schmitt persönlich die Koordinierung und Steuerung zwischen den verschiedenen Akteuren wie dem LBM, Kommunen und betroffenen Grundstückseigentümern übernimmt.“
Robert Wöhler, Geschäftsführer Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Rheinland-Pfalz
Was kritisiert der ADFC-Landesverband?
ADFC-Geschäftsführer Robert Wöhler sagt klar: „Als Hauptproblem sehen wir den mangelnden politischen Willen.“ Der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur werde trotz öffentlicher Zusagen nicht konsequent als verkehrspolitische Priorität behandelt. Projekte wie die Pendlerradrouten gerieten dadurch ins Stocken, kritisiert Wöhler. Er bemängelt außerdem die aus ADFC-Sicht langwierigen und komplizierten Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse, zersplitterte Zuständigkeiten, die zu langen Abstimmungsprozessen und Diskussionen führten. Außerdem sei die Finanzierung, trotz hoher Förderquoten problematisch (das Land übernimmt 80 Prozent der Kosten der Machbarkeitsstudien, in der Umsetzung können Kommunen Fördermittel von bis zu 90 Prozent der Baukosten bekommen), viele Kommunen seien ja finanziell angeschlagen – und Radverkehr keine kommunale Pflichtaufgabe.
Was fordert der Fahrradclub?
Aus Sicht des ADFC braucht es eine zentrale Koordinierung mit verbindlichen Zielvorgaben und klaren Zeitplänen für die geplanten Pendlerradrouten. ADFC-Geschäftsführer Robert Wöhler sagt: „Es wäre zielführend, wenn Verkehrsministerin Daniela Schmitt persönlich die Koordinierung und Steuerung zwischen den verschiedenen Akteuren übernimmt.“ Eine direkte politische Führung auf höchster Ebene würde klare Verantwortlichkeiten schaffen, bürokratische Hürden abbauen und die Projekte vorantreiben. Wöhler macht außerdem noch deutlich, dass zusätzliche Radwege für eine Verlagerung des Verkehrs auf das Fahrrad sorgten, und somit das Klima schützten.

„Debakel geht mit Verkehrsministerin nach Hause“
30 von 350 Kilometern Radschnellwege in Rheinland-Pfalz sind startklar. „Eine böse Bilanz. Verkehrsministerin Daniela Schmitt muss das Thema endlich an sich ziehen, es zur Chefinnensache machen“, kommentiert unser Landeskorrespondent.
Und wie viele Kilometer werden jetzt noch bis zum nächsten Frühjahr gebaut beziehungsweise fertiggestellt?
Auch diese Frage haben wir der Verkehrsministerin und der Grünen-Landtagsfraktion gestellt – allerdings keine Einschätzung erhalten. ADFC-Geschäftsführer Wöhler wagt dagegen eine Prognose: Angesichts der bisherigen Umsetzungsgeschwindigkeit und den Aussagen der Landesregierung rechne der ADFC nicht damit, dass wesentlich mehr als weitere 10 bis 20 Kilometer realisiert werden. Wöhler: „Das wäre dann ein ernüchterndes Ergebnis für ein Projekt, das als Leuchtturm angekündigt wurde.“