KI-Gipfel in Koblenz
„Öfter mal schneller ins Handeln kommen“
Chefredakteur Lars Hennemann spricht mit Sascha Böhr über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in Rheinland-Pfalz.
Svenja Wolf

Am 4. Juli wird Koblenz beim „AI Summit“ auf der Festung Ehrenbreitstein wieder zum Treffpunkt der KI-Experten. Wir sprachen im Podcast mit Initiator Sascha Böhr dazu. Der vorliegende Text ist ein Auszug daraus.

Lesezeit 7 Minuten

Künstliche Intelligenz verändert unsere Welt – rasant und tiefgreifend. Wie gehen wir damit um? Antworten, Einblicke und spannende Beispiele gibt es beim zweiten „AI Summit“ am 4. Juli in Koblenz. Ein Gespräch über Chancen, Verantwortung und Visionen mit Initiator Sascha Böhr.

Fangen wir an mit einer Frage, die wir Ihnen schon lange stellen wollten. Haben Sie eigentlich mal eine KI Ihrer Wahl nach dem besten Rezept für Döbbekooche gefragt?

Das wäre eine sehr, sehr gute Idee, aber ich vertraue auf das altbewährte Rezept meiner Oma. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es kein Besseres gibt.

Jetzt werden wir ernst. Wir leben nicht erst seit heute im heraufziehenden KI-Zeitalter. KI wird vieles ändern. Das ist ein Thema, was Menschen dazu bringt, gründlich nachzudenken. Was macht das mit mir, was macht das mit uns? Was macht es vielleicht auch mit meinem Beruf oder mit meinem Privatleben? Mit welcher Haltung begegnen Sie persönlich dem Thema KI und welche Haltung empfehlen Sie ganz allgemein?

Zunächst mal gilt: Ich bin ein sehr, sehr neugieriger Mensch und versuche, gerade wenn es um neue Technologien geht, immer alles direkt von Anfang an auszuprobieren, zu verstehen, zu erproben. Und, ja, so ging’s los. Eigentlich vor zwei Jahren, als ChatGPT gestartet ist. Ich glaube, das war für viele Menschen so der erste Berührungspunkt mit generativer KI, und ich war total fasziniert von den Möglichkeiten. Ich glaube, wir tun alle gut daran, uns mit dieser Technologie zu beschäftigen, sie anzuwenden und ja zu lernen, wie man die Technologie auch sinnvoll und verantwortungsbewusst einsetzt. Also spielen im besten Sinne des Wortes. Und dann wieder lernen aus den Ergebnissen, die man hat. Das möchte ich gerne ein bisschen vertiefen um Anwendungsmöglichkeiten, vor allen Dingen natürlich im wirtschaftlichen Kontext.

„Es ist wichtig, datenschutzkonforme Lösungen zu haben.“
Sascha Böhr

Dafür haben Sie mit Nuwacom eine eigene Firma gegründet. Wo sehen Sie speziell einen Markt für sich? So volatil, wie das Thema insgesamt noch ist?

Es gibt ja jetzt vor allem im privaten Umfeld mit ChatGPT das Tool der Wahl, das von vielen Millionen Menschen weltweit tagtäglich eingesetzt wird. Aber im Unternehmenskontext, gerade im deutschsprachigen Raum, auch im europäischen Raum, ist es natürlich wichtig, Lösungen zu haben, die datenschutzkonform sind. Die nicht genutzt werden, um Firmendaten dafür zu nutzen, um Sprachmodelle noch intelligenter zu machen, so wie es bei ChatGPT der Fall ist. Also haben wir mit Nuwacom eine datenschutzkonforme Alternative entwickelt, die vor allem von großen Organisationen eingesetzt wird.

Können Sie ein paar nennen – oder sind das Firmengeheimnisse?

Nein, das sind keine Geheimnisse. Wir haben zum Beispiel die Lufthansa Group als Kunde. Wir haben einen ganz interessanten Anwendungsfall mit der Lufthansa durchgespielt. Und zwar ging es darum, dass unsere Technologie in einem Pilotprojekt während der Hauptversammlung der Lufthansa zum Einsatz kommt. Ganz viele Aktionäre haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die die Vorstände beantworten. An der Stelle kommt unsere Lösung zum Einsatz. Das heißt, die Fragen wurden in unsere Plattform eingegeben, und die KI in unserer Plattform hat automatisch die Antworten gegeben, die dann den Verantwortlichen bereitgestellt wurden, einfach als Hilfestellung zur Beantwortung von Aktionärsfragen. Und das hat hervorragend funktioniert. Nicht nur, dass unsere Plattform schneller die Fragen beantworten konnte, sondern auch in den meisten Fällen in einer deutlich besseren Qualität.

Wer Sie kennt, weiß, dass Sie auch sehr gerne Veranstaltungen planen, unter anderem den zweiten rheinland-pfälzischen KI-Gipfel am 4. Juli hier in Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein. Sie haben das schon zu früheren Zeiten gemacht mit der von Ihnen gegründeten Digitalagentur 247 Grad, die – Transparenzhinweis – seit Januar in den Besitz des Mittelrhein-Verlages gewechselt ist, in dem auch unsere Zeitung erscheint. Was aber wird denn nun am 4. Juli auf dem Ehrenbreitstein alles geboten? Was macht das Event besonders, und was kann man dort lernen?

Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, um den Digitalstandort Koblenz oder vielleicht noch größer gedacht unser Bundesland Rheinland-Pfalz in diesem ganzen Technologieumfeld auf den Radar zu bringen. Und so haben wir uns überlegt, eine Konferenz ins Leben zu rufen, die sich speziell mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt. Wir haben sie letztes Jahr zum ersten Mal auf dem Ehrenbreitstein veranstaltet. Über 300 Besucherinnen und Besucher waren letztes Jahr zu Gast, also ausverkauftes Haus. Und darum soll es auch in diesem Jahr wieder gehen. Wir haben hochkarätige Speakerinnen und Speaker vor Ort, die Praxisbeispiele geben und informieren. Und das Netzwerken kommt an dem Tag auch nicht zu kurz, denn wir haben ganz viele Unternehmensvertreter aus Rheinland-Pfalz vor Ort.

Gibt es einen Referenten oder eine Referentin, die Sie uns besonders ans Herz legen wollen? Oder wäre das ungerecht?

Es wäre ungerecht, da eine Person besonders hervorzuheben. Wir haben eine sehr prominente Person vor Ort. Das ist Pip Klöckner, der auch einen eigenen Podcast hat. Er heißt „Doppelgänger“ in unserer Bubble und ist in unserer Szene total bekannt. Da dreht sich alles rund um Technologie, und er ist ein echter Influencer geworden in Deutschland. Neulich hat er noch auf einer Bühne in Hamburg vor 20.000 Personen einen Vortrag über KI gehalten.

„Wir wollen den Digitalstandort Koblenz auf den Radar bringen.“
Sascha Böhr über seine Motivation, den KI-Gipfel in Koblenz zu veranstalten

Sie haben eben einige Anwendungsfälle von KI beschrieben. Gibt es vielleicht auch Felder, wo man sagt, da ist nicht zwangsläufig ein Markt? Es geht bei KI schnell in die Richtung: „Na ja, dann braucht man in bestimmten Bereichen gar keine Menschen mehr, die Maschinen können das genauso gut.“

Ich sehe das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine in der Zukunft wichtiger denn je. Es geht wirklich darum, dass man lernt, die KI als eine Art Assistenten einzusetzen, bei allen möglichen Aufgaben im Tagesgeschäft. Aber der Mensch steht immer noch im Mittelpunkt und ist dafür verantwortlich, die Ergebnisse zu überprüfen und dann zu finalisieren. Gar keine Schwarz-Weiß-Diskussion also, sondern Wandel, den es immer ja auch aus anderen Gründen zu anderen Zeiten gegeben hat.

Vieles von dem, was sich gerade tut, fußt auf amerikanischen, US-amerikanischen oder chinesischen Modellen und Firmenstandards. Europa ist eher unter ferner liefen oder nicht weit davon weg. Haben Sie nicht manchmal Sorge, dass wir erneut dabei sind, abgehängt zu werden? Oder sagen Sie, die Messe ist noch lange nicht gelesen?

Es wird sehr, sehr schwierig, in den nächsten Jahren nicht den Anschluss zu verpassen. Vielleicht haben wir ihn schon verpasst, weil natürlich insbesondere in China oder im amerikanischen Raum massive Investitionen stattfinden. Ich glaube, das wird schwierig für Deutschland, da mitzuhalten. Das muss man ganz klar so sagen. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass wir in der EU und insbesondere in Deutschland auch alternative Lösungen schaffen, die den Fokus ein Stück weit auf das Thema Datensicherheit und Datenschutz auch legen. Und ich glaube, dass die neue Bundesregierung das ganze Thema auch auf dem Schirm hat.

Mit dem Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI) werden derzeit viele Hoffnungen zur Lösung gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Probleme verbunden.
Matthias Bein. picture alliance/dpa

Sie haben eben die neue Bundesregierung stellvertretend für die Politik angesprochen. Haben Berlin oder Mainz oder Brüssel das Thema tatsächlich so auf dem Zettel wie sich das gehört?

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, das wird sich jetzt in den nächsten Monaten zeigen. Ich denke, wir müssen der Bundesregierung und den handelnden Akteuren da eine Chance geben. Trotzdem möchte ich auch noch mal darauf hinweisen, wie wichtig es ist, auch Start-ups dabei zu unterstützen, jetzt bestimmte Bereiche in den Vordergrund zu rücken und auch nach vorne zu bringen. Das ist auch ein Grund, warum wir die KI-Konferenz auf der Festung veranstalten. Dieses Netzwerk ist enorm wichtig.

Auch wir Journalisten, so ehrlich möchte ich sein, sind oft dabei, nur mit dem Finger auf die Politik zu zeigen, die es ja so in dieser Pauschalität gar nicht gibt. Ist es nicht vielmehr so, dass es ohne ein Bewusstsein in der Gesellschaft, also bei jedem von uns, mit dem Wandel nicht funktionieren wird? Diskutieren wir wieder einmal zu angstbezogen?

Grundsätzlich sind wir oft sehr kritisch, wenn es um neue Themen und Technologien geht in unserem Land. Da würde ich mir persönlich wünschen, dass wir häufiger mal die Chancen sehen. Ich weiß aber natürlich auch, dass die Einführung einer neuen Technologie immer auch mit Wandel verbunden ist. Und gerade, dass das Thema Datensicherheit und Datenschutz natürlich eine enorm wichtige Rolle in unserem Land spielt. Dennoch würde ich mir einfach wünschen, öfter mal schneller ins Handeln zu kommen. Darin sind wir noch nicht so gut. Bei Start-ups im Ausland, insbesondere im amerikanischen Raum, ist das Tempo einfach viel, viel höher in allen Bereichen. Das ist schade, denn wir haben sehr clevere Köpfe hier in unserem Land. Wir sind nur oftmals zu langsam in der Umsetzung.

Details zum „AI Summit“

Der zweite „AI Summit“ in Koblenz findet am 4. Juli von 9 bis 20 Uhr auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz statt. Weitere Infos und Tickets unter www.ai-summit-rlp.de

Auch wir wollen hier nicht nur über Risiken und Probleme reden, sondern eben auch über Chancen. Und deswegen möchte ich am Schluss nach Ihrem ganz persönlich schönsten, überraschendsten, nachhaltig prägendsten Erlebnis mit KI fragen. Würden Sie uns das verraten?

Das ist erst vor Kurzem passiert. Wir haben ein ganzes Team virtualisiert und haben verschiedene sogenannte KI-basierte Agenten aufgebaut und haben damit versucht, ein Team, bestehend aus zehn Personen quasi zu automatisieren. Jeder KI-Agent ist spezialisiert auf verschiedene Aufgaben im Tagesgeschäft. Und alle diese Agenten, die kommunizieren miteinander. Und das ist das, was wir in der Zukunft immer häufiger sehen werden: Dass autonome Agenten miteinander kommunizieren und Hand in Hand arbeiten, um bestimmte Geschäftsprozesse automatisiert abzubilden.

Das klingt jetzt ein bisschen wie Star Trek: Galaxien, die noch nie ein Mensch vorher gesehen hat. Wir sehen uns ganz irdisch in Koblenz am 4. Juli. Vielen Dank für das Gespräch.

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