Zehn Jahre Nationalpark
Naturpark: Warum ein toter Wald Forscher staunen lässt
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) steht vor einem für den Hunsrück typischen Hangmoor. Die Mainzer Ministerin mag solche Außentermine, bei denen sie aus ihrem Büro rauskommt, wie sie bei der Pressefahrt schildert.
Bastian Hauck

Vor den Geburtstagsfeierlichkeiten schaut die rheinland-pfälzische Umweltministerin mit einer Besuchergruppe im Nationalpark vorbei. Warum Katrin Eder immer wieder gern im Hunsrück unterwegs ist – und warum ein toter Forst auch Chancen bietet.

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Martin Mörsdorf steht vor einer beunruhigenden Kulisse im Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Kahle Baumstämme ragen reihenweise in die Höhe, etliche tote Fichten sind abgebrochen, andere komplett um- und auf den Boden gefallen. Vom Wald, der hier an dieser Stelle im Hunsrück einmal stand, ist nichts mehr übrig. Der Borkenkäfer und extremere Klimabedingungen haben eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Und das schnell. Innerhalb kurzer Zeit.

Doch Martin Mörsdorf stört das erst mal nicht. Der stellvertretende Leiter des Nationalparkamts wirkt beim Anblick fast euphorisiert: „Es ist sehr komplex, was hier abläuft. Aber wir wollen die Prozesse, die hier laufen, genau verstehen.“ Mörsdorf spricht von einer „super-spannenden Zeit“ für Forscher wie ihn. Denn hier, auf dem Überbleibsel des Waldes, der von Fichten dominiert war, entsteht etwas Neues, wächst Grünes nach – und zeugt von neuem Leben.

Hier haben der Borkenkäfer und die Auswirkungen des Klimawandels ihre Spuren hinterlassen: Auf der ehemaligen Pfaffenstraße ist vom früheren Fichtenwald nicht mehr viel übrig.
Bastian Hauck

An anderen Stellen, auch in anderen Nationalparks, sehen die Spuren der Verwüstung ganz anders aus, sind zum Beispiel Savannen-ähnliche Landschaften zu beobachten. Kein neues Leben. Vize-Amtsleiter Mörsdorf will wissen, warum das so ist. Warum erholt sich an einem Ort die Natur, am anderen dagegen nicht? Was sind Einflussfaktoren, warum wachsen Bäume wie die Buche oder die Eberesche hier nach – und da nicht? Welche Rolle spielen zum Beispiel Vögel für die Verteilung von Samen? „Wir wollen ganz tief in die Ökoprozesse reingehen“, schildert Mörsdorf.

Doch auf Mörsdorfs Schwärmen folgt bald ein Seufzen. Denn der frenetische Biologe würde gern viel forschen. Ihm fehlen allerdings die Forschenden. Und die finanziellen Mittel. Der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) berichtet er, dass es im Nationalpark viele Forschungsprojekte und Kooperationen unter anderem auch mit der Uni Koblenz gibt. Doch diese Vorhaben hätten eben ihre eigenen Forschungsfragen und -ziele. Mörsdorf erklärt, „hier gehen die entscheidenden Fragen von uns aus“.

Laut Martin Mörsdorf, stellvertretender Leiter des Nationalparks, ist die derzeitige Entwicklungsphase an dieser Stelle des Nationalparks extrem spannend. Es geht dabei um die Frage, was sich die Natur auf den Flächen einfallen lässt, auf denen der Borkenkäfer gewütet hat.
Kurt Knaudt

Bei der Mainzer Ministerin stößt Mörsdorf mit seinem Wunsch nach mehr Forscher-Manpower nicht auf taube Ohren – ganz im Gegenteil. Eder hat ein kleines Notizbuch dabei. „Das mögen meine Mitarbeiter gar nicht“, erzählt die Grünen-Politikerin. Denn in der Kladde hält Eder ihre Gedanken fest. Und aus denen werden dann auch mal ganz schnell Arbeitsaufträge. Der nächste könnte nun lauten: nach Möglichkeiten für mehr Forschung im vom Borkenkäfer zerstörten Waldgebiet auf der ehemaligen Pfaffenstraße im Nationalpark suchen. Beziehungsweise suchen lassen. In der Politik muss man delegieren können.

Ein angenehmer Nachmittag – wäre da nicht das Landesklimaschutzgesetz

Für die Umwelt- und Klimaschutzministerin dürfte diese Woche eine gute sein. Denn Eder ist nicht nur zu Beginn der Woche mit der Presse im Nationalpark Hunsrück-Hochwald unterwegs, sondern am Samstag gleich noch mal. Am Sonnabend schaut sie zum Festwochenende in der Hunsrück-Hochwald-Region gleich wieder vorbei (siehe Infokasten).

Die Mainzer Ministerin mag solche Außentermine, bei denen die Pumps schnell den Outdoorschuhen weichen. Eder sagt: „Ich genieße das immer, wenn ich aus der Stadt rauskomme.“ So auch heute. Wäre da nicht das Landesklimaschutzgesetz, gegen das an diesem Nachmittag Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam trommeln. Doch diese Nachricht erreicht die Ministerin erst am Ende der Tour.

Zehn Jahre Nationalpark Hunsrück-Hochwald:

Der zehnte Geburtstag des Nationalparks Hunsrück-Hochwald wird mit einem Festwochenende am Pfingstwochenende gefeiert. Am Samstag, 7. Juni, gibt es ein großes Fest am Nationalpark-Tor Erbeskopf, am Sonntag sowie Montag, 8. und 9. Juni, ein großes Fest am Nationalpark-Tor Keltenpark. Offiziell eröffnet wird das Festwochenende am Samstag um 11 Uhr durch den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer (SPD) sowie die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) und ihre saarländische Amtskollegin Petra Berg (SPD). Anschließend gibt es ein buntes Programm rund um das Motto „Natur Natur sein lassen.“ Alle Informationen, auch zur Anreise mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), gibt es unter www.nlphh.de. bas

Bei dem Besuch im Nationalpark geht es um Moore und ihre Wirkung. Eines der Lieblingsthemen der Umweltministerin. Eder betont bei jeder Gelegenheit gern, dass Moore super CO2-Speicher sind. Auf einem Faktenpapier ihres Hauses ist zu lesen, dass Moore mehr als fünfmal so viel CO2 speichern wie ein Wald auf gleicher Fläche. Diesen Klimaschutzeffekt könne man sich zunutze machen, indem man Moore schütze. Andersherum gilt: Ist ein Moor zerstört, setze es Unmengen an Kohlendioxid frei.

Halt am Langbruch: Charakteristisch in den Moorgebieten sind die Moorbirken - und Bereiche, die seit Jahrzehnten nicht bewirtschaftet wurden. So gibt es ein Zeitfenster für natürliche Entwicklungsprozesse.
Bastian Hauck

Die zweite Station führt den Besuchertrupp also zum Langbruch. Hier kann die Gruppe die für den Hunsrück typischen Hangmoore und deren Dynamik, die stark von kaltnassem Klima und spezifischen Bodenverhältnissen geprägt ist, beobachten. Der Naturpark stellt sich hier ganz anders dar. Keine Kahlfläche, stattdessen saftiges Grün, lebendige Bäume, charakteristisch sind die Moorbirken. Ein richtiges Naturidyll.

Kein Wunder, dass die Ministerin nur schwer zu stoppen ist. „Wie weit kann ich jetzt gehen, bevor ich einsinke?“, fragt sie schelmisch. Doch der Leiter des Nationalparkamts Harald Egidi beruhigt umgehend: Das Moor sei hier maximal zwei Meter tief, tief einbrechen also ausgeschlossen.

„Das hier ist etwas ganz Besonderes“

Egidi erläutert, dass diese Flächen in vorherigen Jahrhunderten für die Völker, die sich hier ansiedelten, uninteressant gewesen seien, weil sie sie nicht bewirtschaften konnten. Franzosen und Preußen hätten Gräben eingezogen, um dem Boden das Wasser zu entziehen. Um die Moore wieder zu renaturieren, würde man heute genau diese Gräben wieder verfüllen, damit das Wasser in der Fläche bleibt.

Jetzt kommt auch Egidi ins Schwärmen: „Die Hangmoore sind etwas ganz Besonderes.“ Ein Millimeter pro Jahr wachse der Bruch. Nicht gerade viel. Aber hier im Nationalpark mit dem Motto „Natur Natur sein lassen“ geben die rund 60 Nationalparkmitarbeiter der Natur die Zeit – um sich zu entwickeln, um sich zu entfalten. So wie sie es möchte.

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald: Blick über das Schutzgebiet und in die Region.
Bastian Hauck

Bleibt noch die Frage, wie es nach dem zehnten Geburtstag für den Naturpark weitergeht. Wir fragen die Ministerin, ob sich das Landschaftsschutzgebiet noch vergrößern sollte. Katrin Eder verweist darauf, dass der Nationalpark die Form einer Gitarre hat, daher an manchen Stellen recht dünn ist. Bei der Frage nach möglichen kleinen Erweiterungen hält sich die Grünen-Politikerin offiziell zurück. Wobei sie sie schon gern hätte.

Doch bevor darüber richtig verhandelt werden könnte, muss Eder als Spitzenkandidatin der Grünen erst die Landtagswahl im März 2026 erfolgreich absolvieren. Dann könnten weitere Außentermine im Nationalpark folgen. Und das kleine Notizbuch mit Arbeitsaufträgen noch voller werden.

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