Das Frühjahr war kühl, aber die Junitemperaturen lassen in den Wingerten alles sprießen
Nach kaltem April: Weinreben haben Rückstand aufgeholt
Anfang Mai waren die Weinreben nach dem sehr kühlen April deutlich später dran. Doch im Juni haben sie ordentlich aufgeholt. Foto: dpa
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Rheinland-Pfalz. Nach einem kalten April kommen die Weinreben jetzt richtig in Schwung: Mit der Rebblüte hat in den Weinbergen der Countdown zur Lese begonnen. 100 Tage brauchen die jetzt schon erkennbaren Trauben bis zur Reife. „Das ist ein Richtwert, aber mit dem Klimawandel haben wir die Tendenz, dass es eher in Richtung 90 Tage geht“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. Er erwartet den Beginn des Herbstes, wie die Winzer die Ernte nennen, für Mitte September. Federweißer, also den jungen Wein, könnte es aber schon Ende August geben. Damit der 2021er möglichst hohe Qualitäten bietet, achten Winzer frühzeitig darauf, die Erntemenge zu begrenzen.

Anfang Mai waren die Weinreben nach einem sehr kühlen April in ihrer Entwicklung etwa drei Wochen später dran als im vergangenen Jahr, der Austrieb war deutlich verzögert. Doch im Juni haben die Pflanzen kräftig aufgeholt. „Wir hatten eine Wachstumsgeschwindigkeit von vier Blättern in drei Tagen“, sagt der Winzer Martin Tesch aus dem gleichnamigen Familienweingut an der Nahe. „Die Weinberge sind gerade im Springen.“

„Die Natur hat in den vergangenen Tagen ungemein aufgeholt“, sagt Büscher. Das Wetter im Juni war optimal für die Rebblüte, die in der warmen Pfalz inzwischen schon abgeschlossen ist. Auch Baden ist früher dran als etwa Franken. Beide Regionen kennt die Winzerin Manuela Stumpf, die aus der Ortenau kommt und sich nun in Frickenhausen am Main vor allem dem Silvaner widmet. Aus badischer Sicht sei Franken schon ein bisschen Sibirien. Nicht ohne Grund lasse man dort beim Biegen im Frühjahr noch eine „Frostrute“ stehen, als Reserve für Schäden bei Spätfrost. Sonst werden nur zwei Austriebe gebogen, also an den Drahtrahmen zur Kultivierung der Reben befestigt.

„Jetzt ist es in den Weinbergen richtig explodiert“, sagt die Winzerin des Weinguts Bickel-Stumpf, das in Frickenhausen und Thüngersheim – flussaufwärts wie flussabwärts von Würzburg aus gelegen – rund 14 Hektar Weinbau bewirtschaftet. Das bedeutet nun Schwerarbeit in den Weinbergen. „Wir müssen viel heften, sonst wächst es uns davon“, sagt Winzerin Stumpf. Beim Heften werden die Sommertriebe ausgerichtet und befestigt, damit sie nicht in die Rebzeilen hineinragen.

Die Einschätzung der Rebentwicklung in diesem Jahr sei eine Frage der Generation, erklärt der Leiter des Weinguts „Zur Schwane“ im fränkischen Volkach, Christian Kallisch. „Die jungen Winzer sagen: Wir sind spät dran, die alten sagen: Es ist ganz normal.“ Nach drei heißen und trockenen Jahren habe sich dieses Jahr zunächst ganz anders entwickelt. „Aber Hitze und Trockenheit bleiben auch für die nächsten Jahre eine große Herausforderung.“ Im ersten Hitzejahr 2018 seien die Winzer noch überrascht gewesen, sagt Manuela Stumpf. „2019 und 2020 haben wir das dann wesentlich besser im Griff gehabt.“ Bei den für Sonnenbrand besonders empfindlichen Bacchus- und Müller-Thurgau-Trauben sorgt sie besonders dafür, dass die Trauben Schatten spendendes Laub haben. Und bereits im Frühjahr achte sie darauf, dass der Ertrag nicht zu hoch wird – das ist auch im Einklang mit den Qualitätsanforderungen des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), dem das Weingut Bickel-Stumpf ebenso angehört wie das Weingut „Zur Schwane“.

Mit jedem weiteren Hitzejahr sei der Ertrag geringer worden, sagt Martin Tesch in Langenlonsheim an der Nahe, der sich auf Rieslingweine spezialisiert hat. „Dadurch werden dichtere Weine mit einem stabilen Rückgrat möglich.“ Er gehe aber auch zusätzlich drei- bis viermal durch den Weinberg und nehme Trauben heraus. So will der Winzer sicherstellen, nur die besten Trauben mit lockerer Beerenstruktur in die Kelter zu bringen. Für ihn ist das Reifepotenzial der Weine besonders wichtig: „In Japan bleiben deutsche Weißweine länger liegen, da kommen jetzt die 2013er-, 2014er- und 2015er Jahrgänge auf den Markt.“

Tesch ist fest davon überzeugt, dass nicht nur die Menschen im Weinberg, sondern auch die Reben arbeiten. In der Lage Laubenheimer Karthäuser müsse die Pflanze ständig gegen die hohe Eisenkonzentration im Boden arbeiten. Und die eher trockene Lage Laubenheimer Krone produziere „Weine der Working Class – die Reben müssen richtig arbeiten, um an Wasser zu kommen“.

Von Peter Zschunke

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