Unwetter
Nach der Flut: Wie eine Saar-Gemeinde mit Gefahr leben lernt
Saar-Gemeinde Kleinblittersdorf ein Jahr nach der Flut
Saar-Gemeinde Kleinblittersdorf ein Jahr nach der Flut
Birgit Reichert. DPA

Das Saarland wird an Pfingsten 2024 von Starkregen und Hochwasser getroffen. Das Ereignis wirkt nach. Oft geht bei Unwetter heute noch die Angst um.

Kleinblittersdorf (dpa/lrs) – Es ging alles wahnsinnig schnell. Die Saar stieg in rasender Eile, zuvor waren oben aus dem Wald Regenmassen in den Ort gespült worden. «Dann war plötzlich die komplette Ortsdurchfahrt überflutet, und zwar in solcher Höhe, dass die Menschen mit Booten aus den Häusern gerettet werden mussten», erzählt der Bürgermeister von Kleinblittersdorf, Rainer Lang (SPD), beim Gang durch den Ort.

Zum Glück gab es keine Verletzten, aber rund 60 betroffene Haushalte und kommunale Schäden vor allem an Straßen in Höhe von knapp 200.000 Euro. Kleinblittersdorf war vor einem Jahr bei der großflächigen Unwetterkatastrophe im Saarland heftig getroffen worden. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den überspülten Ort am Pfingstwochenende 2024 besucht, um sich ein Bild der Lage zu machen.

Enorme Regenmengen hatten in dem Bundesland für Überflutungen, Erdrutsche und überschwemmte Straßen sowie vollgelaufene Keller gesorgt. Tagelang kämpften Menschen gegen Wasserfluten. Es gab 5.000 Einsätze von Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen. «Es war schlimm», sagt Lang.

Heute sind in Kleinblittersdorf mit knapp 3.500 Einwohnern die Schäden wieder beseitigt. Das Thema aber bleibt. «Bei Schlechtwetter hat hier jeder ein ungutes Gefühl», sagt Silke Martin, Mitarbeiterin der Gemeinde. «Wir sind dann sofort alle in Alarmbereitschaft», fügt Lang hinzu. Er habe seit ein paar Jahren immer ein Paar Gummistiefel im Kofferraum seines Autos. Man wisse ja nie, wann das Wasser wiederkomme.

Bei Hermann Mohr stand das Wasser vor einem Jahr gut einen Meter im Keller. «Die Heizung ist kaputtgegangen», sagt er. Sie konnte wieder repariert werde. Das Mauerwerk aus Sandstein aber brauche Jahre zum Trocknen. «Ich bin das schon gewohnt», sagte der 73-Jährige und zeigt an der Hauswand, bis wohin das Wasser 1993 stand. «Ein Zentimeter hat damals gefehlt bis zur Wohnung.»

Mit der Wassergefahr leben lernen

Die Gemeinde, die direkt an der Saar liegt, hat gelernt, mit Wasserfluten zu leben. Nach dem Starkregen 2018, als der Schaden in der Kommune bei mehr als zwei Millionen Euro gelegen habe, habe man vieles zur Vorsorge und zum Schutz getan, sagt Lang.

Und zählt auf: Vorsorgekonzept erstellt. Straßenrandflächen befestigt, dass kein mitgerissener Schotter mehr Einläufe und Kanäle verstopfen könne. Im Wald Gräben und kleine Becken angelegt, Staumauer im Wald ertüchtigt, weitere Ausgleichsflächen sind geplant.

Die Maßnahmen hätten wohl geholfen, dass es vergangenes Jahr nicht noch schlimmer gewesen sei. Klar sei aber auch: «Irgendwann stößt man an seine Grenzen. Es gibt mittlerweile 500-jährige Starkregen-Ereignisse. Wir können nur alles Mögliche tun und dann hoffen.»

Bürokratie um Erweiterung von Regenrückhaltebecken

Wichtig sei auch das Regenrückhaltebecken in Bliesransbach, das zur Gemeinde gehöre, und auf das doppelte Volumen vergrößert werden solle. «Da sind wir seit Jahren dran», sagt Martin. Der Ausbau hinge jetzt nur noch an naturschutzrechtlichen Genehmigungen, die auf Bundesgesetze zurückgingen, fügt der Bürgermeister hinzu.

Da sei einiges für Bürger nicht mehr zu verstehen: «Zum Beispiel muss in dem Becken kontrolliert werden, ob sich seltene Tier- und Pflanzenarten angesiedelt haben», sagt Lang. Und um das sehen zu können, musste bis Mai oder Juni gewartet werden, weil diese dann erst zum Vorschein kämen. Bei Treffern stehe eine artgerechte Umsiedlung an. «Dann wird es noch ein Jahr dauern.»

Mit Unterstützung vom Land zufrieden

Innenminister Reinhold Jost (SPD) habe den Kommunen damals versprochen, sie nicht im Stich zu lassen, sagt Lang. «Und er hat sein Wort gehalten.» Die Schäden habe das Land zu 90 Prozent übernommen. «Natürlich wären 100 Prozent schön, aber 2018 haben wir nur 23 Prozent erstattet bekommen.»

Zudem hätten die betroffenen Haushalte je 1.000 Euro Soforthilfe bekommen. Auch Hochwasservorsorgemaßnahmen übernehme das Land bis zu 90 Prozent. Und: «Wir bekommen ein Logistikfahrzeug, das ist höher als andere. Damit können wir Leute aus den Häusern evakuieren und müssten nicht unbedingt ein Boot haben», sagt er.

Dass der Kanzler vor einem Jahr in Kleinblittersdorf mit Gummistiefeln im Ort stand, sei ein gutes Zeichen der Solidarität gewesen, sagt Lang. Dass es danach keine größeren Bundeshilfen fürs Saarland gab, ärgert ihn nicht. «Mir ist egal, ob das Geld vom Bund oder Land kommt. Hauptsache es kommt.»

© dpa-infocom, dpa:250512-930-530595/1

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten