Wohntrend in Rheinland-Pfalz
Tiny Houses: Leben auf 30 Quadratmetern
Alles, was man zum Leben braucht, auf unter 50 Quadratmetern: Tiny Houses liegen im Trend, viele können sich einen Umzug ins Minimalheim vorstellen. Wie verbreitet sind die Kleinhäuser in Rheinland-Pfalz? Und welche Vorschriften gelten?
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Wer auf nur 30 Quadratmetern lebt, muss auch nur 30 Quadratmeter putzen. Ist das der einzige Vorteil von Tiny Houses? Was ist dran am Wohntrend, der auch in Rheinland-Pfalz Anhänger oder zumindest Interessierte findet? Zahlen, Fakten und Regeln.

So leben wie Peter Lustig – das scheint für viele Menschen eine Traumvorstellung zu sein. Dabei geht es ihnen weniger um das Zusammensein mit einer sprechenden Ukulele oder einen nervigen Nachbarn der Marke Paschulke, sondern um das Eigenheim, das Peter Lustig in der Kindersendung „Löwenzahn“ bewohnte: einen zum Eigenheim umgebauten Bauwagen. Behausungen in etwa in dieser Größe liegen im Trend, man nennt sie Tiny Houses. In Social Media berichten Minimalhausbewohner von ihrem Leben und inspirieren manche, im Internet kursieren Umbautipps. Wie sieht es in Rheinland-Pfalz aus? Und welche Regeln gelten für die Kleinsthäuser? Fragen und Antworten:

Was sind Tiny Houses?

„Tiny“ ist das englische Wort für winzig – und das passt hier wirklich gut. Der deutsche Tiny House Verband (THV) definiert das Tiny House als Kleingebäude mit einer Brutto-Grundfläche von unter 50 Quadratmetern, welches stationär oder transportabel ist. Auch dieser deutsche Verband bezieht sich auf das Tiny House Movement, das seinen Ursprung in den USA hat und das Leben in kleinen Häusern propagiert. Dort wird die typische Größe sogar mit 400 Quadratfuß angegeben – das sind nur circa 37 Quadratmeter.

Das Thema hat (mindestens) zwei Facetten: Es geht einerseits um einen gewissen Lifestyle, um Minimalismus, um Abkehr vom Überfluss und von Verschwendung, um Beschränkung auf das Notwendige; dies ist mit Umweltbewusstsein verknüpft. Auch Freiheitssehnsucht spielt zumindest bei transportablen Minihäusern eine Rolle. Andererseits hat das Thema auch eine sozial-wirtschaftliche Dimension. Es geht eben auch um Wohnraum-Optimierung. Und um bezahlbare Eigenheime in Zeiten galoppierender Baukosten.

Für das rheinland-pfälzische Finanzministerium, das auch fürs Bauen zuständig ist, stehen Tiny Houses „sinnbildlich für nachhaltiges Bauen, minimalistisches Wohnen oder als Ergänzung einer touristischen Infrastruktur“, wie eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung erklärt. Sie ergänzt: Menschen, die solche Häuser bewohnen, „suchen jedoch nicht zwangsläufig nach bezahlbarem Wohnraum, sondern meistens steht der Wunsch nach individueller Entfaltung im Mittelpunkt – und das trotz der Einschränkung auf eine Wohnfläche von rund 30 Quadratmeter“.

Wie verbreitet sind Tiny Houses in Rheinland-Pfalz?

Sie sind hierzulande eher noch Randerscheinungen. Zwar gibt es vereinzelt sogar Kleinsthäuser, die als Ferienwohnungen vermietet werden, und hier und da wagen Einzelpersonen den Umzug ins Minimalheim. Doch größere Ansammlungen wie etwa in Karlsruhe-Ettlingen, wo seit 2019 bereits auf einem Campingplatz 15 Stellplätze für Tiny Houses vermietet werden, gibt es in RLP (noch) nicht. „In Rheinland-Pfalz sind uns zur Zeit keine Siedlungen oder Modellprojekte im Wohnungsbaubereich bekannt“, teilt das Finanzministerium mit – und erwähnt ergänzend, dass nach der Flutkatastrophe an der Ahr Tiny Houses zur temporären Nutzung auf freien Flächen abgestellt wurden. „Auf dem Wohnungsmarkt gelten Tiny Houses allerdings nach wie vor als ein Nischenprodukt“, erklärt die Sprecherin des Ministeriums von Doris Ahnen (SPD).

Gleichzeitig gibt es auch in Rheinland-Pfalz Hersteller von Tiny Houses, etwa Aurum Globe aus Mülheim-Kärlich (Kreis Mayen-Koblenz). Die Firma zeigt ihr Modell „Valerie“ derzeit im dortigen Gewerbepark. Das Häuschen wiegt nur 3,5 Tonnen, ist transportabel und hat alle nötigen Anschlüsse. „Valerie“ könne etwa als temporäre Lösung auf ungenutzten Grundstücken zum Einsatz kommen, heißt es aus dem Unternehmen.

Blick in den Innenraum eines Tiny Houses: Der zur Verfügung stehende Platz muss gut genutzt werden.
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Können Tiny Houses zur Lösung von Wohnraumproblemen beitragen?

In Deutschland herrscht Wohnraumknappheit. Der THV setzt sich dafür ein, diesem auch mit Kleingebäuden wie Tiny Houses und Modulbauten zu begegnen. „Diese Gebäude bieten aus Sicht des Verbands eine einfache, flexible und nachhaltige Möglichkeit, ungenutzte Bauflächen schnell und kosteneffizient zu erschließen“, wie es in einer aktuellen Mitteilung des Verbandes heißt, der von der neuen Bundesregierung Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen bei den Bauvorschriften für Kleingebäude bis 50 Quadratmeter Wohnfläche und Schaffung von Ausnahmeregelungen fordert. „Derzeit muss ein Tiny House alle Vorschriften erfüllen, die auch für ein Einfamilienhaus mit zehnfacher Fläche gelten. Eine Reduzierung der Vorgaben könnte einen Bauboom für kleine Wohnbauten auslösen, die sehr viel weniger Ressourcen verbrauchen als große Wohngebäude“, wird Verbandsvorsitzende Regina Schleyer zitiert.

Für den sozial geförderten Wohnungsbau, der bezahlbares und klimagerechtes Wohnen und Bauen in der Stadt und auch im ländlichen Raum fördert, stellen Tiny Houses allerdings keine echte Alternative da, wie die Mainzer Ministeriumssprecherin erklärt. Und sie nennt auch einen Grund: „Die zwingende Reduktion des Wohnraums, des persönlichen Besitzes und die dadurch bedingte Lebensführung sollten ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgen und nicht als Verpflichtung für einkommensschwächere Personen dienen.“

Dies solle allerdings nicht ausschließen, dass im geförderten Wohnungsbau die Themen Effizienz und Suffizienz (etwa: Beschränkung auf das Notwendige) eine immer stärkere Rolle einnehmen. „Im Grunde gibt schon heute die soziale Wohnraumförderung mit den Vorgaben für die Wohnflächen nachhaltige Ziele vor, um einerseits bezahlbare Wohnraum zu schaffen und andererseits nachhaltig den Flächenverbrauch im Blick zu behalten“, so die Sprecherin.

Schonen Tiny Houses wirklich Ressourcen?

Für den THV sind Tiny Houses nachhaltig, weil sie weniger CO2-Emissionen produzieren als größere Wohneinheiten, weil der Einsatz recycelter oder ökologischer Materialien möglich sei und weil Autarkie-Projekte realisierbar seien. „Weniger Platz = weniger Konsum“, lautet die Formel.

Dass das Schaffen von einer großen Menge an dringend benötigtem Wohnraum oftmals im Konflikt mit der Vermeidung von Neuinanspruchnahme von Flächen stehen, sieht auch das Bauministerium so. Die Sprecherin schränkt aber ein: „Auch wenn Tiny Houses den Anschein erwecken, weniger Fläche zu verbrauchen, indem sie beispielsweise durch Punktfundamente weniger Fläche versiegeln, so ist doch auch die Dichte und damit die Nutzung der Fläche pro Einwohner zu beachten.“ Denn eine weitere Zersiedelung der Fläche sei sowohl aus nachhaltiger Sicht, aber auch aus baukultureller, aber auch städtebaulicher Sicht nicht tragbar. „Tiny Houses fügen sich aufgrund Ihrer Kubatur selten in die Struktur eines Ortsbildes ein, stellen zumeist eine Sonderform dar.“

Das Fazit aus dem Ministerium: Tiny Houses werden aufgrund ihrer zumeist individuellen Gestaltung, der Standortwahl, der Einschränkungen sowie der fehlenden effizienten Nutzung von Grundstücken nicht als zentraler Baustein zur Lösung des Wohnungsmangels gesehen.

Transportable Tiny Houses stehen für viele Nutzer für den Traum von Freiheit.
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Welche Regeln gelten für Tiny Houses?

Einfach aufstellen, anschließen und einziehen – so einfach ist es jedenfalls nicht. Das Bauministerium empfiehlt Interessenten dringend, frühzeitig Kontakt mit der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde aufzunehmen. Das ist in der Regel die Kreisverwaltung, in kreisfreien Städten die Stadtverwaltung. „Tiny Houses gelten, sobald sie über längere Zeit oder überwiegend ortsfest auf einem Grundstück benutzt werden, als bauliche Anlagen und unterliegen damit den Bestimmungen der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz“, stellt die Ministeriumssprecherin klar.

Die Bestimmungen des Baugesetzbuches finden auch bei Tiny Houses Anwendung. Danach sind die Mini-Eigenheime in der Regel als Gebäude der Gebäudeklasse 1 einzustufen. Sie müssen damit dieselben Anforderungen und bauaufsichtlichen Verfahren einhalten wie andere freistehende Wohngebäude mit einer Wohnung in nicht mehr als zwei Geschossen. „Das bezieht sich beispielsweise auf die Erreichbarkeit des Grundstücks, die Wasserversorgung und den Brandschutz“, erläutert das Ministerium. „In Betracht kommen das vereinfachte Genehmigungsverfahren oder das Freistellungsverfahren in Gebieten mit entsprechenden Bebauungsplänen. Der Außenbereich soll grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden.“

Vorbild Peter Lustig: Hier steht der Schauspieler in einer Drehpause im Kostüm des Alten Fritz vor seinem legendären Bauwagen. Heute würde man den Wagen Tiny House auf Rädern nennen.
Nestor Bachmann. picture alliance / dpa

Der Tiny House Verband setzt sich dafür ein, die Kleinsthäuser als rechtlich anerkannte, nachhaltige und bezahlbare Wohnform in Deutschland zu etablieren. Deshalb macht er sich für Anpassungen im Baurecht stark. „ Dafür arbeitet der Verband mit Kommunen, Politik und Umweltorganisationen zusammen, entwickelte bereits eine Kleingebäude-Norm und fördert Projekte, um Tiny Houses als praktikable und umweltfreundliche Wohnalternative zu verankern“, wie er mitteilt.

Und was ist mit Tiny Houses als Ferienunterkunft auf Campingplätzen?

Da sieht es unter Umständen bereits anders aus – lockerer. Das Bauministerium verweist auf die Landesverordnung über Camping- und Wochenendplätze. Denn bei der Nutzung auf ausgewiesenen Campingplätzen für touristische Zwecke könnten Tiny Houses abhängig von ihrem konkreten Nutzungszweck als baugenehmigungsfreie Kleinwochenendhäuser eingestuft werden. Und an die werden geringere bauordnungsrechtliche Anforderungen gestellt.

Haben Tiny Houses das Zeug zum Modellprojekt im Land?

Im Programm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) fördert das Land Rheinland-Pfalz innovative Modellprojekte. Diese sollen Innovationen aufzeigen, neue Ideen prüfen und Erkenntnisse aufzeigen, die die Ziele der rheinland-pfälzischen Wohnungsbaupolitik unterstützen, wie das Bauministerium erklärt. Bislang gab es dabei aber noch keine Förderung und auch noch keinen Förderantrag für Tiny Houses. Ob ein solcher Antrag Chancen auf Förderung hätte, ist auch fraglich, so die Sprecherin des Ministeriums. Denn: Die Ergebnisse der ausgewählten Modellprojekte sollen möglichst ins ganze Land getragen werden, um das Wohnen und Leben innovativ zu gestalten. Bei Tiny Houses sei dies schwer vorstellbar.

„Bau doch einfach!“: So lautet das Thema des 24. Bauforums Rheinland-Pfalz am 17. Juni in Mainz. Es geht ums Bauen in Zeiten knapper Ressourcen. Tiny Houses werden dabei aber nicht in den Fokus genommen, „denn man möchte auch hier übertragbare Lösungen für viele aufzeigen“. tim

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