Freudenberg
Mord an 12-jähriger Luise aus Freudenberg: Ermittlungen vor Abschluss – ohne Prozess
Abschied von Luise - Trauerfeier für getötete Zwölfjährige
Szene aus dem März 2023: Der Sarg von Luise steht in der evangelischen Kirche in Freudenberg, in der der Trauergottesdienst stattfindet.
picture alliance/dpa/Evangelische Kirchengemeinde Freudenber. picture alliance/dpa/Evangelisch

Nach dem gewaltsamen Tod der 12-jährigen Luise in Freudenberg sind die Ermittlungen so gut wie abgeschlossen. Die mutmaßlichen Täterinnen sind selbst Kinder. Einen Prozess wird es deshalb nie geben – doch der Fall wirkt auf vielen Ebenen nach.

Abschied von Luise - Trauerfeier für getötete Zwölfjährige
Szene aus dem März 2023: Der Sarg von Luise steht in der evangelischen Kirche in Freudenberg, in der der Trauergottesdienst stattfindet.
picture alliance/dpa/Evangelische Kirchengemeinde Freudenber. picture alliance/dpa/Evangelisch

Mitten im Wald erinnern noch immer Engel und Stofftiere an Luise. In einer Vase stehen rote Rosen, ein Grablicht brennt. Gut vier Monate ist es her, dass die Zwölfjährige in dem Waldstück bei Freudenberg an der Grenze zum Kreis Altenkirchen erstochen wurde. Zwei Mädchen, selbst erst 12 und 13 Jahre alt, haben die Tat gestanden. Die Kleinstadt war in Schockstarre – an den Schulen gab es keinen Unterricht, Veranstaltungen fielen aus, Menschen trauerten in den Kirchen. Und heute, gut vier Monate danach?

„Die Freudenberger haben jeder für sich einen Weg gefunden, mit dem Unfassbaren umzugehen“, sagt Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD). Im Sommer kommen viele Touristen in die Stadt, bewundern den Blick auf die berühmte Fachwerkkulisse der Altstadt. Immer wieder sei der Tod von Luise Gesprächsthema. „Es lässt niemanden so richtig los“, sagt Reschke.

Nach dem brutalen Tod der zwölfjjährigen Luise in Freudenberg
Fachwerkhäuser in Freudenberg stehen in der Altstadt nebeneinander. Im Sommer kommen viele Touristen in die Stadt – auch bei ihnen ist das Verbrechen aus dem Frühjahr Gesprächsthema.
Oliver Berg. dpa

Aber es überlagert nicht mehr alles andere. „Mittlerweile sind gemeinsame Feiern zum Glück wieder möglich, die Abschlussjahrgänge der Gesamtschule haben ihre Zeugnisübergaben fröhlich begangen, ebenso wie die Dörfer ihre Jubiläumsveranstaltungen“, sagt die Bürgermeisterin.

Dass zwei 12- und 13-Jährige ein gleichaltriges Mädchen umbringen, ist für viele Menschen unbegreiflich und hat den Fall über Tage hinweg zu einem beherrschenden Thema in Deutschland gemacht. Viele Diskussionen wurden geführt: Ist es zeitgemäß, dass die mutmaßlichen Täterinnen ohne Strafe davonkommen, weil Kinder unter 14 Jahren in Deutschland grundsätzlich nicht strafmündig sind? Kann und muss der Staat mehr gegen Jugendgewalt tun?

Die Tat von Freudenberg fiel ohnehin in eine Zeit, in der Statistiken einen ungewöhnlich starken Anstieg von Gewalttaten bei Jugendlichen und insbesondere bei Kindern zeigten. So ermittelte etwa die Polizei in Nordrhein-Westfalen 2022 gegen knapp 21.000 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren – ein rasanter Anstieg um 41,1 Prozent innerhalb eines Jahres, während die Entwicklung in anderen Altersgruppen weit weniger auffällig war. Vor allem im Bereich Gewaltkriminalität sei der Anstieg „signifikant“, schreibt das Innenministerium von NRW. Der Fall Luise hat diese Statistiken für viele Menschen konkret werden lassen.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Tod von Luise inzwischen so gut wie ausermittelt. Das Verfahren gegen die beiden geständigen 12- und 13-jährigen Mädchen werde bald eingestellt, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen. Weil die Mädchen nicht strafmündig sind, wird es keine Anklage geben, keinen Prozess und kein Urteil.

Nach dem brutalen Tod der zwölfjjährigen Luise in Freudenberg
Ein Stein mit dem aufgemaltem Namen Luise liegt am Waldrand an der Stelle, an der das Mädchen tot gefunden wurde.
Oliver Berg. dpa

Auch die Frage nach dem Warum wird für die Öffentlichkeit unbeantwortet bleiben. Warum musste die Schülerin sterben? Und warum begingen zwei Kinder eine so grausame Tat? Die Ermittler haben Erkenntnisse dazu, äußern sich aber öffentlich nicht. Die mutmaßlichen Täterinnen müssten geschützt werden – weil sie selbst noch Kinder seien. Nur so viel: „Was für Kinder möglicherweise ein Motiv ist für eine Tat, würde sich einem Erwachsenen möglicherweise nicht erschließen“, hatte der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler im März gesagt.

Pressekonferenz im Fall des getöteten zwölfjährigen Mädchens
Mario Mannweiler, Staatsanwaltschaft Koblenz, hier bei einer Pressekonferenz im Frühjahr 2023.
Sascha Ditscher. picture alliance/dpa/Sascha Dits

Die beiden mutmaßlichen Täterinnen müssen ebenfalls einen Umgang mit dem Geschehenen finden. „Die tatverdächtigen Mädchen befinden sich nach wie vor in therapeutischen Einrichtungen“, sagt eine Sprecherin des Kreises Siegen-Wittgenstein. „Die Mädchen unterliegen der Schulpflicht, die aktuell nicht in einer regulären Schule erfüllt wird.“ Die Frage, ob die beiden eines Tages womöglich wieder in Freudenberg leben könnten, sei Teil der therapeutischen Gespräche.

Pastor Thomas Ijewski, der Luises Familie nach der Tat begleitet und auch die öffentliche Trauerfeier gehalten hat, ist beeindruckt davon, welchen Umgang die Menschen in Freudenberg mit den beiden Mädchen und ihren Familien gefunden haben. „Es gibt keinen Hass gegen die Täterfamilien“, sagte er der „Siegener Zeitung“. „Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft lassen sie nicht fallen und verstoßen sie nicht.“

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