Am zweiten Prozesstag ging es nur um Angaben zur Person. Informationen zu den Kontakten in die rechte Szene soll es dann im Dezember geben. Der Generalbundesanwalt wirft dem Saarländer Mord und 20-fachen versuchten Mord vor.
Peter S. soll 1991 als damals 20-Jähriger im Treppenhaus der Asylunterkunft Benzin angezündet haben – aus rassistischer Gesinnung und zu einer Zeit, als es mehrere rassistisch motivierte Übergriffe in der sächsischen Stadt Hoyerswerda auf Unterkünfte gab. In dem sich rasant ausbreitenden Feuer kam Samuel Yeboah (27) aus Ghana ums Leben, zwei weitere Bewohner verletzten sich beim Sprung aus dem Fenster. 18 weitere Menschen entkamen dem Brand unverletzt. Peter S., „Schlappi“ genannt, soll damals den Skinheads angehört haben, die sich am Marienbrunnen oder in der Gaststätte „Bayerischer Hof“ zum Saufen trafen. Dass er in der Tatzeit viel Alkohol getrunken hat, gibt der Angeklagte zu. Aber von seinen damaligen Freunden, die er teils aus Jugendstrafanstalten kannte, ist zunächst noch wenig die Rede.
“Schlappi" bestreitet die Tat
Der in Fuß- und Handfessel im auch von Polizei gesicherten OLG vorgeführte, dunkel gekleidete Angeklagte ist seit April 2022 in U-Haft und bestreitet bisher die Tat. Auf Fragen von Richter Leitges berichtet der Saarländer von einer schwierigen Kindheit. Mit sieben oder sechs Jahren soll er erfahren haben, dass er ein uneheliches Kind ist. Seitdem habe er seinen Stiefvater, den er für den Vater hielt, gehasst. Der Mann habe ihn auch ständig verprügelt und ihm verboten, Freunde zu treffen. Die Mutter habe das geduldet. Folge: „Ich war ein Außenseiter.“ Den leiblichen Vater habe er nie gesehen. Die Hauptschule verließ er nach der achten Klasse ohne Abschluss. Er kam in ein Wohnheim, wo er aber wegen Straftaten auch Probleme bekam.
Dutzende Reporter stehen am Mittwochmorgen vor dem Koblenzer Oberlandesgericht Schlange, wenige Meter weiter demonstrieren die Gruppe „Aktion 3. Welt Saar“ sowie die Antifa mit Plakaten und Transparenten.Mord verjährt auch nach 31 Jahren nicht: Angeklagter soll 1991 Flüchtlingsunterkunft angezündet haben
Er habe das Heim wechseln müssen und eine Bäckerlehre begonnen. Die konnte er aber nicht beenden, weil er wieder kriminell geworden sei. Später arbeitete er bei seiner Schwester und in einer Bäckerei – auch nicht lange, weil er nach eigenem Geständnis mit einem Gesellen Auto und Einnahmen der Bäckerei für eine Tour unter falschem Namen gestohlen hatte. Die Quittung: Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Dort traf er wohl den späteren Freund mit Glatze.
Nach zwei Jugendstrafen hatte er unterschiedliche Stellen, war zuletzt in der Waschstraße eines großen Einzelhandelsunternehmens beschäftigt und wurde nicht wieder kriminell. 2006 heiratete er, lebte aber vor der U-Haft getrennt von seiner Frau, mit der er aber wie mit seiner Tochter (15) ein sehr gutes Verhältnis habe.
Nach wie vor kommt es in Deutschland zu rassistischen Anschlägen und Tötungen – und viele Attentate aus den 1990ern sind noch nicht aufgearbeitet. In Koblenz muss sich nun zumindest ein Mann verantworten, dem vorgeworfen wird, eine Flüchtlingsunterkunft mit Benzin angezündet zu haben.31 Jahre nach Brandanschlag auf Geflüchtete: Mordprozess in Koblenz beginnt