Klimaanpassung mit Agroforst
Mit Bäumen zu mehr Wasser im Grünland und Acker
Hans Pfeffer hat die Walnussbäume auf seiner Hangfläche nach dem Keyline-Prinzip gepflanzt, um Wasser möglichst gut in der Fläche zu halten.
Cordula Sailer-Röttgers

Verdunstung verhindern, zum Humusaufbau beitragen und Böden aufnahmefähiger für Regen machen – das können Agroforstsysteme. Wie man die Kombination aus Landwirtschaft und Baumpflanzungen gewinnbringend einsetzt, untersuchen Forscher aus Birkenfeld.

Bäume und Sträucher auf landwirtschaftlichen Flächen können die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterlagen machen. Der Fachbegriff für die Kombination von Gehölzen mit einer landwirtschaftlichen Nutzung heißt Agroforst. Wie Agroforst-Systeme mehr Wasser in der Landschaft speichern können, untersucht derzeit ein EU-Projekt, dessen Leitung am Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) in Birkenfeld angesiedelt ist.

Das IfaS ist ein sogenanntes In-Institut, das an die Verwaltung der Hochschule Trier beziehungsweise deren Standort am Umwelt-Campus Birkenfeld angedockt ist. „Wir arbeiten komplett drittmittelfinanziert“, erklärt Jörg Böhmer. Der Diplom-Agraringenieur leitet das internationale EU-Projekt AFaktive. Die Abkürzung steht für den englischsprachigen Projekttitel, der auf Deutsch „Agroforstwirtschaft als Schlüssel zur Verbesserung des Wassermanagements und der Anpassung an extreme Wetterereignisse“ lautet.

Internationales Projekt läuft fünf Jahre lang

Beteiligt an AFaktive sind elf Partner aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden – neben dem IfaS beispielsweise ein niederländischer Wasserverband, ein belgisches Agrarforschungsinstitut oder die Forschungsgruppe Wasser der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar in Saarbrücken. Das Projekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren und ist mit 5,8 Millionen Euro Budget ausgestattet, 3,4 Millionen Euro kommen aus EU-Fördermitteln. Zudem erhält das IfaS eine Kofinanzierung von 250.000 Euro vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium, wie Böhmer erklärt. Gestartet ist das Projekt im Oktober 2023.

„Agroforstsysteme sind eine Landnutzungsform, bei der die Nutzung von Bäumen oder Sträuchern in einer Weise mit Pflanzenbau oder auch Tierhaltung verbunden wird, sodass dort Synergien entstehen“, erläutert Projektleiter Jörg Böhmer. Unterstützen können die Systeme etwa bei der Ertragssicherung – beispielsweise an Standorten, an denen Getreide im Sommer sehr hohen Temperaturen und viel Wind ausgesetzt ist.

Bäume auf landwirtschaftlichen Flächen schützen vor Verdunstung

„Baumreihen helfen, die Windgeschwindigkeit zu reduzieren und so die Verdunstung von Wasser zu mindern“, sagt Böhmer. Den Pflanzen steht dadurch mehr Wasser zur Verfügung. Auch Staubstürme und das Wegwehen fruchtbaren Oberbodens können so abgeschwächt werden.

Gerade in Hanglagen tragen Agroforstsysteme auch zum Hochwasserschutz bei. Durch Gehölzstreifen, so Böhmer, kann die Fließgeschwindigkeit des Wassers, das bei Starkregenereignissen den Hang hinunterfließt, verringert werden. Mitgerissener Boden bleibt dann in den Sträuchern hängen und geht nicht als Schlammlawine in den Ort ab.

Jörg Böhmer leitet das internationale EU-Projekt AFaktive.
Umwelt-Campus Birkenfeld/Jannik Scheer

„Davon hat auch der Landwirt etwas: Der fruchtbare Oberboden, der da abgeschwemmt wird, ist die Produktionsgrundlage unserer Landwirtschaft“, betont Böhmer. „Wir brauchen diesen Boden dort, wo er hingehört – und nicht als Schlammlawine auf der Kreisstraße oder im Wohnzimmer.“

Welches Agroforstsystem das richtige ist, komme auf den Betrieb und die Bedürfnisse vor Ort an. Die Effekte, die erzielt werden können, seien vielfältig: Es könne etwa Lebensraum für wildlebende Tiere geschaffen werden, zudem lagern die Bäume und Sträucher Kohlenstoff ein und dienen so dem Klimaschutz. Doch der Fokus im Projekt AFaktive liegt auf dem Thema Wasser: „Für das Wassermanagement in der Landschaft können wir sehr, sehr viele positive Effekte erzielen – und damit eine bessere Anpassung an den Klimawandel erzeugen“, erläutert Böhmer.

„Baumreihen helfen, die Windgeschwindigkeit zu reduzieren und so die Verdunstung von Wasser zu mindern.“
AFaktive-Projektleiter Jörg Böhmer

Das Projekt hat unter anderem das Ziel, diese Effekte zu messen und zu beziffern. „Dazu werden erhebliche Mess- und Modellierungsarbeiten durchgeführt“, sagt Böhmer. Außerdem sollen Werkzeuge entwickelt werden, die dabei helfen, Agroforstsysteme zu entwickeln – dabei geht es etwa um Handreichungen zur Vorgehensweise, Methoden zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit sowie um hydrologische Modelle, um die Wirkweise solcher Systeme sichtbar zu machen.

„Das dritte Projektziel ist es, mehr gute Beispiele zu schaffen“, erläutert Jörg Böhmer. In allen drei beteiligten Ländern gibt es Pilotbetriebe. In Deutschland sind es derzeit zwei, in Hessen und Sachsen-Anhalt. Weitere sollen dazukommen. Sie nehmen eine Vorreiterrolle ein und setzen Agroforstsysteme um.

Bannmühle trägt zum Erkenntnisgewinn bei

Zum Teil, so Böhmer, haben die Pilotbetriebe solche Systeme schon vor mehreren Jahren angelegt. „In diesen gereiften Agroforstsystemen forschen wir, weil wir nicht nur die Effekte neu gepflanzter Bäume betrachten wollen – man muss auch darauf schauen, was nach fünf oder zehn Jahren passiert.“ Außerdem sollen ganze Regionen für das Projekt gewonnen und davon überzeugt werden, die Agroforstwirtschaft als Werkzeug in ihr Wassermanagement zu integrieren.

Ein Betrieb aus Rheinland-Pfalz, der zur Wissenserkenntnis im Projekt beiträgt, ist die Bannmühle in Odernheim im Landkreis Bad Kreuznach. Inhaber Hans Pfeffer hat vor etwa vier Jahren auf einer elf Hektar großen Hangfläche sein Agroforstsystem erweitert – mit wissenschaftlicher Begleitung durch das IfaS. „Das Forschungsteam führt auf dieser Fläche Messungen durch, um die Quantifizierung der Agroforst-Effekte voranzubringen“, erläutert Böhmer.

Doppelnutzung wertet Gelände ökonomisch auf

Hans Pfeffer kombiniert auf besagter Fläche Rinderhaltung mit Obstanbau. Hinter der Doppelnutzung steht zunächst eine ökonomische Aufwertung des Geländes, erläutert der Biolandwirt. Zum Tal hin hat Pfeffer bereits vor 30 Jahren Mostobstbäume gepflanzt. „Wenn ich hier Kühe auf unserem steilen Grünland mit sehr wenig Niederschlägen halte, dann habe ich ein Ertragspotenzial von 300 bis 500 Euro pro Hektar und Jahr“, erklärt Pfeffer. Schlicht zu wenig, um eine Familie zu ernähren, so der Landwirt.

Die Kombination mit den Äpfeln ermöglicht zusätzliche Einnahmen: Kommen die Bäume nach der Jungphase in den Ertrag, rechnet Pfeffer bei wenig ertragreichen Bäumen mit zehn Tonnen Äpfel pro Hektar. Als Biobetrieb könne er das Obst bei einem schlechten Preis für etwa 20 Euro je Doppelzentner verkaufen. „Das heißt, dass wir da noch mal 2000 Euro pro Hektar Einnahmequelle haben“, rechnet der Landwirt vor.

Gepflanzt sind die Walnussbäume auf Pfeffers Hang in parallelen Reihen. Ganz gerade sind diese allerdings nicht. Sie orientieren sich an der Hangkontur und haben ein Gefälle, sodass Regenwasser auch zu trockenen Teilen der Fläche fließt.
Cordula Sailer-Röttgers

Die schon bestehende Struktur hat Pfeffer mithilfe des IfaS um weitere Gehölze ergänzt: um Walnussbäume, eine Futterhecke, deren Blätter an die Kühe verfüttert werden können, sowie Wertholzbäume, die nach mehreren Jahrzehnten Wachstum Geld in die eigene Rentenkasse oder die der Hofnachfolger spülen sollen. Alles ist in einer bestimmten Linienstruktur gepflanzt, nach dem sogenannten Keyline-System, das Hans Pfeffer später noch näher erläutert.

Das eine ist der ökonomische Wert der Bäume, „aber in diesem Agroforst, da steckt so viel mehr drin“, betont Pfeffer. Richtig wohlfühlten sich seine Kühe zwischen minus 5 und plus 10 Grad. Temperaturen, die im Sommer nicht zu halten sind. „Wir brauchen also auf jeder Weide eigentlich auch Bäume und Schatten für das Tierwohl.“

Dünger für die Anlage liefern die Kühe frei Haus

Durch die kombinierte Nutzung müsse er das Gras nicht mulchen und spare Maschinenkosten, da er den Dünger nicht extra ausbringen muss – den liefern seine Rinder quasi frei Haus. „Und ich habe weniger Pilzkrankheiten in der Anlage“, sagt Pfeffer. Vielleicht sei das auf Mikroorganismen im Kot oder Urin der Tiere zurückzuführen, genau wisse er es allerdings nicht. Außerdem fressen die Kühe im Frühjahr die untersten Blätter der Apfelbäume ab, von denen aus sich gern Pflanzenkrankheiten verbreiteten. „Die Anlage läuft einfach super.“

Zur Thematik Wasser sagt Pfeffer: Bäume helfen allein schon dadurch, Wasser im Boden zu speichern, weil sie Schatten werfen und die Erde nicht so schnell austrocknet. Ist der Boden nicht ausgetrocknet, kann Regenwasser besser versickern. Doch der Biolandwirt hat nicht einfach nur Bäume gepflanzt, er hat dabei auch noch eine bestimmte Systematik verfolgt.

„Die Australier haben schon immer Sommertrockenheit und Brände – und auf der anderen Seite starke Niederschläge.“
Landwirt Hans Pfeffer über das aus Australien stammende Keyline-Prinzip

Das Keyline-Prinzip geht auf einen australischen Farmer und Ingenieur zurück. „Die Australier haben schon immer Sommertrockenheit und Brände – und auf der anderen Seite starke Niederschläge“, sagt Pfeffer. Je mehr Wasser in der Landschaft gehalten werde, desto weniger Brandgefahr bestehe und desto höher sei die Ertragsleistung in der Landwirtschaft.

Gepflanzt wird das Gehölz in parallelen Linien. „Um das Wasser zu bremsen, pflanzen wir immer quer zum Wasserfluss“, erklärt Pfeffer. Ganz gerade sind die Reihen nicht, sie orientieren sich an der Kontur des Hangs und bekommen ein Gefälle, um das Wasser auch zu den eher trockenen Teilen der Fläche zu führen. „Da wo es eh zu nass ist, da braucht man nicht noch mehr Wasser“, sagt Pfeffer, „aber wenn ich dieser Konturlinie ein kleines Gefälle in die richtige Richtung gebe, dann fange ich an, das Wasser nicht nur zu bremsen, sondern auch zu verteilen.“

Zum Konzept der Agroforstfläche in Odernheim gehören auch eine Futterhecke sowie Wertholzbäume. Die Pflege von Jungbäumen ist aufwendig. So müssen sie etwa vor Verbiss geschützt werden.
Cordula Sailer-Röttgers

Durch einen verlangsamten Abfluss habe das Wasser auch Zeit zum Versickern. Da durch die Wurzeln der Bepflanzung der Boden gelockert werde, gelinge dies noch besser. Hinzu komme, dass durch Agroforst-Systeme der Humusgehalt im Boden erhöht wird. „Humus kann sehr viel Wasser binden“, erklärt Pfeffer, er habe eine „wahnsinnige Schwammfunktion“.

„Durch die Durchwurzelung des Bodens mithilfe der Bäume, die auch stärkere Wurzeln haben, kriege ich mehr Luft in den Boden rein“, erklärt der Landwirt. „Das ist eine Voraussetzung, dass Bodenleben überhaupt stattfinden kann.“ Und ohne Bodenleben auch keine Humusbildung.

Gelände soll weiter gut zu bewirtschaften sein

Ein Wiesengraben auf der Fläche hilft zusätzlich dabei, bei Starkregen Wasser auf der Fläche zu halten. Überschüssiges Wasser, das am Ende doch noch den Hang hinunterläuft, komme zeitverzögert unten im Ort an, „wenn da schon kein Hochwasser mehr ist“, sagt Pfeffer.

Bei der Planung der Reihen berücksichtigt wird auch, dass das Gelände weiter gut zu bewirtschaften ist. Durch die parallelen, wenn auch nicht ganz geraden Reihen, ist weiter der Einsatz von Maschinen möglich. „Wir können hier noch gut Heu oder Silage fahren“, erklärt Pfeffer. Wie die Baumlinien überhaupt angeordneten werden müssen, um den gewünschten Wasserabfluss zu erzeugen, dabei hat das IfaS Hans Pfeffer mit wissenschaftlichem Know-how unterstützt.

„Man muss ein bisschen neue Fähigkeiten erwerben und Spaß dran haben, damit das klappen kann.“
Hans Pfeffer über das Anlegen von Agroforstsystemen 

Pfeffer hat etwa auch Flächen mit Holunder und Sauerkirschen in der Beweidung. Seine Agroforstsysteme will er gern ausweiten. Er weist allerdings auch auf die Arbeitsintensität hin: „Die Jungbaumpflege ist aufwendig“, sagt der Landwirt. „Man muss ein bisschen neue Fähigkeiten erwerben und Spaß dran haben, damit das klappen kann.“

Dass Agroforstflächen betreuungsbedürftig sind, weiß auch Jörg Böhmer vom IfaS. „Wenn Bäume neu gepflanzt werden, ist das kein Selbstläufer, da muss man sich drum kümmern, was für viele Betriebe eine Herausforderung ist.“ Zahlreiche Betriebsleiter hätten zudem Vorbehalte, dass ihnen Bäume in den Weg gepflanzt werden, die ihre Arbeit behindern.

Wertschöpfung durch die Bäume muss mitgedacht werden

Doch es gehe stets darum, die Gehölzstrukturen so anzulegen, dass sie einen möglichst guten Wasserrückhalt gewährleisten, gleichzeitig aber kein Bewirtschaftungshindernis auf dem Acker darstellen. „Die Praxis zeigt, dass wir Flächen, die nicht gut bewirtschaftbar sind, durch Gehölzstrukturen am Ende vielleicht sogar besser für eine künftige Ackerbaubewirtschaftung ausformen können“, sagt Böhmer.

Und dies gelinge, ohne Flächen aus der Nutzung zu nehmen. Denn die Wertschöpfung durch die Bäume und Sträucher im Agroforst müsse von Beginn an mitgedacht werden – sie dienen etwa zur Obstgewinnung oder als Energieholz für kommunale Wärmenetze.

Topografie in Rheinland-Pfalz macht Agroforstsysteme interessant

Hans Pfeffer freut sich darauf, das AFaktive-Projekt mit Messungen auf seinem Gelände unterstützen zu können. „Es gibt ganz viele Dinge, die ich erzählt habe, die plausibel sind“, sagt Pfeffer, „aber wo es auch richtig cool wäre, wenn man anfängt, das nachzumessen und es dann auf andere Standorte übertragen kann.“

Er erhofft sich – wie die Forscher –, dass die Erkenntnisse aus AFaktive auf größere Strukturen und Ebenen übertragen werden können. Jörg Böhmer sagt: „Es gibt einen hohen Bedarf an solchen Agroforst-Konzepten in der Agrarstruktur von Rheinland-Pfalz – die vielen Hanglagen und die Topografie in vielen Teilen unseres Landes machen das Thema interessant.“

Zusammenarbeit mit Schwammregion-Projekt

Das Projekt AFaktive ist mit dem Forschungsprojekt „Schwammregion Soonwald-Nahe“ verknüpft, dessen Projektträger die Hochschule Geisenheim ist. Wie diese erklärt, stehe die Region Soonwald-Nahe – wie viele ländliche Räume – vor der Herausforderung, Wasser besser in der Landschaft zu halten und so dem Klimawandel zu begegnen.

Ziel des Projekts sei es, „den flächigen Wasserrückhalt in der Soonwald-Nahe-Region zu stärken“. Gefördert wird es von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Gemeinsam mit den Landnutzenden vor Ort sollen Maßnahmen entwickelt werden, die zu den jeweiligen Standortbedingungen passen, erklärt die Hochschule. Die Arbeitsgruppen „Landwirtschaft“ und „Forstwirtschaft“ sollen im Projektverlauf stärker miteinander verzahnt werden, um Synergien zu erkennen.

Projekt-Partner sind das Regionalbündnis Soonwald-Nahe sowie der Naturpark Soonwald-Nahe. „Wir ergänzen unser Spezialthema Agroforst und Wasserrückhalt“, erklärt AFaktive-Projektleiter Jörg Böhmer. red, csa

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