Gestiegener Mindestlohn setzt Landwirten in Rheinland-Pfalz zu - So gehen Direktvermarkter damit um
Mindestlohn setzt Spargelbauern zu: Das sagen Produzenten im Kreis Mayen-Koblenz
Spargelernte in Bayern
Der im Herbst gestiegene Mindestlohn stellt die Spargelproduzenten vor eine Herausforderung.
Matthias Balk. Matthias Balk/picture alliance/d

Rheinland-Pfalz. Die Spargelsaison steht bevor – und sie bringt eine große Herausforderung für die Spargelbauern mit sich: den erhöhten Mindestlohn. Für die Betriebe ist es noch schwieriger geworden, mit ausländischem Spargel zu konkurrieren. Doch die Nachfrage nach regionalem Spargel ist da, sagen Landwirte auf dem Maifeld und an der Mosel.

Spargelernte in Bayern
Der im Herbst gestiegene Mindestlohn stellt die Spargelproduzenten vor eine Herausforderung.
Matthias Balk. Matthias Balk/picture alliance/d

Im Oktober ist der Mindestlohn auf 12 Euro gestiegen – das sind rund 22 Prozent mehr gegenüber der Vorjahressaison. „Die Betriebe werden unternehmerisch darauf reagieren“, sagt Andreas Köhr, Sprecher des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd. Bereits nach der nicht so guten Saison 2022 seien Flächen reduziert worden – auch mit Blick auf die damals schon angekündigte Mindestlohnerhöhung.

Die Lohnkosten machen in der Spargelproduktion mehr als die Hälfte der Produktionskosten aus, erklärt Köhr. Spargel ist ein handarbeitsintensives Gemüse. Die kompletten Mehrkosten auf den Endverbraucherpreis aufzuschlagen, sei nicht möglich. „Viele werden auf Marge verzichten in diesem Jahr“, sagt der Bauernverbandsprecher. Ein Großteil der Spargelflächen in Rheinland-Pfalz liegt im Süden des Landes. Die Anbauflächen im Norden machen nur wenige Prozent aus.

Mehr Direktvermarktung als im
Süden des Landes

Ein Blick in den Landkreis Mayen-Koblenz zeigt, dass hier die Absatzwege andere sind als etwa in der Pfalz: „Wir haben oft Direktvermarktung, und es wird weniger über den Großmarkt und Handel vertrieben“, erklärt Dr. Knut Schubert, Kreisgeschäftsführer im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau. Dass durch den gestiegenen Mindestlohn die Wertschöpfung beim Edelgemüse Spargel sinken wird, glaubt auch Schubert. Er mache sich aber um die Betriebe im Norden mit direkter Kundenanbindung weniger Sorgen. Dennoch bleibe es herausfordernd für die Betriebe, wenn der Großhandelspreis und der regionale Preis für Spargel weit auseinandergehen.

Inwieweit haben die Direktvermarkter überhaupt die Hoheit über ihre Spargelpreise? „Aldi oder Lidl, das sind letztlich die, die den Preis vorgeben“, sagt Lisa Kraft, die im elterlichen Familienbetrieb Feils in Naunheim mitarbeitet. Wird die Differenz zu den Supermarktpreisen zu groß, droht die Gefahr, dass weniger Kunden den Preis akzeptieren. Die Feils haben aufgrund des Mindestlohns Flächen reduziert.

Der höhere Lohn werde gern gezahlt, betont Lisa Kraft, die ausdrücklich die „Spitzenleistung“ ihrer Erntehelfer lobt. Doch dass in anderen EU-Ländern deutlich geringere Löhne gezahlt werden, verzerre den Wettbewerb. „Und es ist schwierig, den Preis durchzusetzen, den wir hier mit dem Mindestlohn brauchen“, sagt Kraft. Laut Statistischem Bundesamt hat Deutschland den zweithöchsten Mindestlohn in der EU hinter Luxemburg.

Sobald das Wetter besser wird, werden auf den Spargelfeldern der Familie Feils in Naunheim die Dämme für die anstehende Spargelsaison vorbereitet, erklärt Lisa Kraft, die im elterlichen Betrieb mitarbeitet.
Cordula Sailer

Dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Preise wesentlich mitbestimmt, sieht auch Dr. Holger Scherhag vom Naturhof Scherhag in Dieblich so. „Allerdings sind wir als Direktvermarkter in unserem Hofladen mit deutlich mehr angebotenen Sortierungen als der LEH preisflexibler“, schreibt Scherhag unserer Zeitung auf Anfrage. Fällt die Ernte bei bestimmten Sortierungen wie kürzeren Stangen, besonders dickem Spargel oder Grünspargel höher aus, könnten die Preise schnell nach unten angepasst werden – zum Vorteil der Kunden. Außerdem fielen durch den Verkauf vor Ort keine zusätzlichen Kosten für Lieferwege an.

Scherhag erwartet, dass durch die Erhöhung des Mindestlohns die Preise durchschnittlich um 50 Cent bis 1 Euro pro Kilo nach oben gehen. Doch er geht derzeit von einer gleichbleibenden Nachfrage aus. Die verschiedenen Sortierungen, die im Supermarkt in dieser breiten Palette nicht zu finden sind, böten „viele Möglichkeiten, den für sich passenden Spargel zu finden“, meint Scherhag und zählt auf: Spargel der Klasse I, dicker Spargel, dünner Spargel, Spargelspitzen, Suppenspargel oder auch nicht ganz gerader Spargel. „Spargel bleibt grundsätzlich ein gefragtes Edelgemüse, das dennoch für jeden Geldbeutel erschwinglich ist“, meint der Direktvermarkter.

Auch Lisa Kraft sagt: „Die Nachfrage ist da, ich denke, dass wir den Spargel vermarktet kriegen.“ Zum einen seien da Gastronomen, die Spargel abnehmen, zum anderen versuche ein Großteil der Kunden nicht, um den Preis zu feilschen, weil er im Supermarkt günstiger ist. „Sie kaufen unseren Spargel, weil sie unseren Spargel haben wollen.“ Doch dass es deutschlandweit künftig schwieriger für den Spargelanbau wird, glaubt sie schon.

Ob Anbauflächen weiter zurückgehen, hat der Kunde in der Hand, sagt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd. „Es ist am Verbraucher hier in Deutschland, ob er den vom Preis höheren deutschen Spargel einkauft oder zur ausländischen Ware greift“, betont Köhr. So sieht es auch Gregor Adams vom Familienbetrieb Adams in Polch. Aus seiner Sicht gibt es gute Gründe, sich für den heimischen Spargel zu entscheiden: Einer davon sind die kurzen Wege zum Endverbraucher. Denn die sind nicht nur gut fürs Klima, sondern auch für die Frische des Produkts: „Je frischer die Spargelstange, desto gesünder und vitaminreicher ist sie“, betont Adams.

Strom, Sprit, Düngemittel – einfach alles ist teurer geworden

Die vergangene Saison sei keine gute gewesen, Anbauflächen habe die Familie aber nicht reduziert. Durch entsprechendes Folienmanagement auf den Feldern sei es gelungen, den Ertrag zu steuern und die Erntemenge zu verkaufen. „Wir wissen, was wir an Abnehmern haben“, sagt Adams. Verkauft werde im Hofladen und  an die Gastronomie. Zu den erhöhten Lohnkosten, so Adams, seien noch weitere Teuerungen dazugekommen: erhöhte Stromkosten bei der Kühlung des Gemüses, höhere Dieselpreise und Düngekosten. „Da ist auf uns Produzenten ein gewaltiges Paket zugekommen“, sagt er.

Holger Scherhag bleibt optimistisch, was die Lage der Direktvermarkter angeht. Spargel bleibe ein stark nachgefragtes Gemüse. „Besonders in unserer Region um Koblenz herum, die kein großes Spargelanbaugebiet ist, bietet der Spargelanbau eine gute Möglichkeit, der Bevölkerung ein besonderes Gemüse vor der Haustür anzubieten“, ist er überzeugt. An eine Verkleinerung seiner Spargelfläche denkt er nicht. Doch in klassischen Spargelanbauregionen sei es nachvollziehbar, dass die Spargelflächen anders bewertet werden müssten, „da es sich dort um klare ,Spargelüberschussregionen‘ handelt und damit allein die (meist langen) Lieferwege berücksichtigt werden müssen“.

Noch sind keine Dämme auf den Spargelfeldern aufgeschüttet, erklärt Lisa Kraft. „Die Dämme werden erst erstellt, wenn es trocken genug ist“, erklärt sie. Klebt der Boden durch Nässe zusammen, besteht die Gefahr, dass die Spargelstangen aufgrund von Erdklumpen nicht gerade nach oben wachsen können. Bevor es so richtig mit der Spargelsaison in der Region um Koblenz losgeht, heißt es: Warten auf besseres Wetter. „Bei 15 Grad, wenn die Sonne scheint, erwärmen sich die Dämme, und dann geht es manchmal schneller, als man denkt“, sagt Kraft. Cordula Sailer

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