Von unserem Mitarbeiter Frank Giarra
Der Nürburgring-Skandal schwelt schon seit Jahren, aber erst nach dem Verkauf der Eifel-Rennstrecke für 77 Millionen Euro an Privatinvestor Capricorn, einen Autozulieferer aus Düsseldorf, wird allmählich das Ausmaß des Desasters sichtbar – immerhin sind von der damaligen SPD-Landesregierung 330 Millionen Euro in der Eifel investiert worden. Das Land bekommt nach der Ring-Pleite laut Sachwalter Jens Lieser zwar „einen erheblichen Betrag“ aus der Verkaufssumme zurück. Wie viel genau und wie hoch der Schaden für den Steuerzahler sein wird, stehe erst „in den nächsten Monaten oder Jahren fest“, sagt Lieser. Das Insolvenzgericht lege die Verfahrenskosten am Ende des Verfahrens fest. Es lägen auch noch keine Rechnungen von Beratern vor. Ferner sei die Insolvenztabelle noch nicht endgültig.
Lieser bezifferte die Gesamtforderung des Landes an die drei Nürburgring-Gesellschaften auf 544 Millionen Euro. Sie seien nachrangig, sprich andere Gläubiger werden zuerst bedient. Handwerker sollen „in vollem Umfang befriedigt werden“. Ende des Jahres werden laut Lieser am Nürburgring Arbeitsplätze abgebaut. Durch die von Capricorn geplante Schließung der Grünen Hölle, dem Abbau der Achterbahn Ring-Racer und der Abschaffung des Bezahlsystems mit der Ring-Card werde es „Vakanzen“ geben. Capricorn, für deren Finanzierung es eine Bankbestätigung der Deutschen Bank gebe, werde in der zweiten Jahreshälfte das Personalkonzept vorlegen.
Zu groß und handwerklich falsch
Mit einer Entscheidung der EU-Kommission, die dem Verkauf zustimmen muss, rechnet Lieser „im ersten Halbjahr dieses Jahres“. Auf die Frage, wie er Beschwerden des ADAC und des Vereins „Ja zum Nürburgring“ bewerte, sagt der Ring-Sanierer: „Ich sehe das gelassen.“ Es handele sich nicht um Beschwerden, sondern um Eingaben, die von der EU berücksichtigt würden.
Innenminister Roger Lewentz, zugleich SPD-Chef im Land, stellt fest, es sei zu groß, zu viel und handwerklich falsch gebaut worden. Das sei „ernüchternd, aber leider zutreffend“. Die politische Verantwortung sei vom damaligen Finanzminister Ingolf Deubel mit dem Rücktritt übernommen worden. Deubel steht zurzeit auch vor Gericht. Im Untreueprozess vor dem Landgericht Koblenz fällt am 16. April das Urteil. Die Staatsanwaltschaft fordert vier Jahre Haft. Sollte Deubel verurteilt werden, droht ihm auch finanzielles Ungemach. Regressansprüche gegen ihn sind laut Sachwalter Lieser bis Mitte des Jahres möglich. Minister Lewentz betont: Natürlich werde man das prüfen.
Lewentz sagt auf Nachfragen der CDU, die Landesregierung habe „keinen Einfluss auf das Verkaufsverfahren genommen“. Sie habe keine Kenntnisse über die Entscheidungskriterien und keine Unterlagen gehabt. Sachwalter Lieser pflichtet bei, mit dem Gläubigerausschuss und mit den Bietern sei strenge Vertraulichkeit vereinbart. Unterlagen dürfe man nicht herausgeben.
CDU: Millionen verpulvert
CDU-Chefin Julia Klöckner nutzt die Sitzung im Plenarsaal zu scharfer Kritik. Sie spricht von einer „gigantischen Fehlplanung der SPD-Landesregierung mit Landesmitteln“. Dies sei beispiellos in der Geschichte des Landes. „Die Millionen, die hier sinnlos verpulvert wurden, fehlen nun an anderer Stelle bei Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern.“
Die Grünen hingegen zeigen sich erleichtert. „Wir sind ziemlich illusionsfrei in die Koalitionsverhandlungen gegangen“, blickt Wirtschaftsministerin Eveline Lemke ins Jahr 2011 zurück. Man habe dem Ring eine Zukunft geben wollen und sei schrittweise vorgegangen. Investor Capricorn gehe jetzt „mit eigenem Geld in die Verantwortung“. Der Rückbau bestimmter Anlagen wie des Gastronomiedorfes Grüne Hölle führe „auch zur Marktbereicherung in der Region“.
Der grüne Abgeordnete Ulrich Steinbach fasst die Meinung seiner Fraktion so zusammen: „Es ist nicht Aufgabe eines Landes, eine Rennstrecke zu betreiben.“