Rheinland-Pfalz
Mehrwertsteuer in der Gastro steigt: Viele Folgen sind ungewiss – bis auf eine
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Georg Gerhards will mit dem Anstieg der Mehrwertsteuer kreative Lösungen für seine Speisekarte suchen, damit seine Gäste nicht zu tief in die Tasche greifen müssen.
Jens Weber

Der abgesenkte Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants auf 7 Prozent läuft zum Jahresende aus. Ab kommendem Jahr sollen wieder die alten 19 Prozent gelten. Ob wirklich so viele Gaststätten pleitegehen, wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband befürchtet? Ob die Preise steigen? Eine Spurensuche bei Gastronomen und einem Steuerexperten.

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Christa Storch vom Gasthaus Assenmacher in Altenahr sagt: "Wenn Sie gute Qualität und Service bieten, sind die Leute bereit, das zu bezahlen." Doch die Gastronomin befürchtet, dass der eine oder andere Gast durch die gestiegene Mehrwertsteuer im neuen Jahr überlegen wird, ob er essen geht.
Dominik Ketz/Gasthaus Assenmache

Bereits im Sommer hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Alarm geschlagen: Komme die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen in der Gastronomie 2024 zurück, warnte der Dehoga, könnten laut einer Umfrage bundesweit mehr als 12.000 Betriebsschließungen in der Branche drohen. In der Corona-Krise war die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent gesenkt worden, aufgrund der Energiekrise wurde die Regelung bis Ende 2023 verlängert. Inzwischen haben die Ampelkoalitionäre im Bund entschieden, dass der gesenkte Mehrwertsteuersatz ausläuft. Unsere Zeitung hat sich bei Gastronomen in der Region umgehört, was das für sie und ihre Kunden bedeutet. Teurer wird Essengehen allemal.

Für Christa Storch steht fest: Die zwischenzeitlich gewährten 12 Prozentpunkte Nachlass bei der Mehrwertsteuer haben die gestiegenen Kosten bei Löhnen, Energie und Lebensmitteln nicht aufgefangen. „Wir sind mit dem Rotstift an die Preise rangegangen“, sagt Storch, die mit ihrer Familie das Gasthaus Assenmacher in Altenahr betreibt. Zuerst kam die Pandemie, dann die Ahrflut. Das Gasthaus war mehr als ein Jahr geschlossen. Danach sind die Preise auf der Karte gestiegen: Das Rumpsteak ist um 4 Euro teurer geworden, nennt Storch ein Beispiel.

Die Angst, die jetzt da ist, ist, dass der eine oder andere sich überlegt, ob er essen geht.

Christa Storch betreibt mit ihrer Familie das Gasthaus Assenmacher in Altenahr.

Doch die Gastwirtin sagt auch: „Wenn Sie gute Qualität und Service bieten, sind die Leute bereit, das zu bezahlen.“ Die Gäste seien da. Trotz der Preissteigerung habe ihr Gasthaus viel zu tun. Für das laufende Jahr prognostiziert sie einen besseren Umsatz als vor der Pandemie. Doch man werde nicht drumherum kommen, die steigende Mehrwertsteuer auf die Preise aufzuschlagen. „Die Angst, die jetzt da ist, ist, dass der eine oder andere sich überlegt, ob er essen geht“, sagt die Restaurantbetreiberin.

„Ziemlich gebeutelt“, sei man als Gastronom aus der Pandemie gekommen, sagt Georg Gerhards, Inhaber und Küchenchef, von Gerhards Genussgesellschaft am Deutschen Eck in Koblenz. Er blicke auf ein anständiges Jahr zurück. Komplett konsolidiert sei die Branche nach der Pandemie und den damit verbundenen Monaten der Schließungen aber noch nicht.

Ob die Mehrwertsteuersenkung geholfen habe, um Kostensteigerungen für Löhne, Energie und Lebensmittel nicht an Kunden weitergeben zu müssen? „Ich glaube, dass es bei den wenigsten der Fall war, dass sie gesagt haben, sie können den Preis für die Kunden reduzieren“, sagt Gerhards. Aus seiner Sicht waren die 7 Prozent Mehrwertsteuer vielmehr ein Instrument, um der Branche wieder auf die Beine zu helfen. Er hätte sich die Absenkung zumindest für ein weiteres Jahr gewünscht.

Gerhards hat seine Preise nach der Pandemie um 25 Prozent erhöht – ein neuer Manteltarifvertrag in der Gastronomie, energetische Belastungen und „durchaus spannende Preissteigerungen im Lebensmittelsektor“ hätten das ihre dazu beigetragen. Er reibe sich manchmal selbst die Augen, was gewisse Zutaten im Einkauf heute kosten. Bei Edelfleischteilen habe es teils eine Preiserhöhung um 100 Prozent gegeben. Die erneute Anhebung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr müsse er komplett weitergeben. „Sie haben keine Chance, Sie können nicht sagen, ich schlucke das in irgendeiner Art und Weise“, sagt der Gastronom. Auch Sanierungsarbeiten seien zu machen, Reserven müssten gebildet werden.

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Georg Gerhards will mit dem Anstieg der Mehrwertsteuer kreative Lösungen für seine Speisekarte suchen, damit seine Gäste nicht zu tief in die Tasche greifen müssen.
Jens Weber

Damit seine Gäste nicht zu tief in die Tasche greifen müssen, will Gerhards – wieder einmal – kreativ werden. Er schaut sich um, welche teureren Zutaten er gegebenenfalls auf der Karte ersetzen kann. Der Küchenchef nennt ein Beispiel: Statt Rinderfilet gibt es dann vielleicht „die sous-vide gegarte Rinderhüfte, sodass man zumindest das Angebot des rosa gebratenen Rindfleisches machen kann“. So müsse er den Preis nicht bei mehr als 40 Euro ansetzen, sondern lande vielleicht bei etwas mehr als 30 Euro. Für seine Genussgesellschaft bleibt der Gastronom optimistisch: „Wir werden das überleben.“ Doch er habe auch Kollegen, die es wohl nicht schaffen.

Die Pandemie habe durch die Etablierung von Homeoffice auch die Nachfrage nach Mittagstischen in den Lokalen sinken lassen. Er selbst habe noch nie einen sehr starken Mittagstisch gehabt, „aber da muss ich jetzt für die Kollegen in der Stadt sprechen, die teilweise ein Minus von 30 Prozent dort eingefahren haben“, sagt Gerhards. Diese würden bei der Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen mit einem weiteren Einbruch rechnen. Dann könne es für manchen existenziell werden.

Kundenstruktur ist entscheidend dafür, wie sehr höhere Mehrwertsteuer schmerzt

Ob die höhere Mehrwertsteuer für ein Restaurant zum Problem wird, hänge letztlich von dessen Kundenstruktur ab – also vom Anteil der Kunden, die die Preiserhöhung kommentarlos hinnehmen. Auch Business-Kunden spielen hier eine Rolle. „Die haben die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs, denen ist es per se egal, ob sie 7 oder 19 Prozent bezahlen“, erklärt Gerhards. Aber dann gebe es natürlich auch Gäste, die sich den Restaurantbesuch alle drei Monate gegönnt haben – und die Zahl der Besuche jetzt vielleicht weiter reduzieren. Mit welchem Faktor diese Gäste zu multiplizieren seien, „das ist für uns jetzt noch eine unbekannte Größe“.

Die Furcht, dass Kunden durch die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz ausbleiben, hat Kai Ruckdeschel nicht. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Lisanne Güll betreibt er das „Vonundzu“ im Bad Emser Kursaalgebäude. Vor mehr als zwei Jahren haben die beiden ihr Geschäftsmodell auf den Kopf gestellt und sich vom Essen à la carte verabschiedet. Geöffnet wird nur für im Voraus gebuchte Feste, Essen für Gruppen, Firmenfeiern oder Events im Restaurant. Auch Catering bietet das Team an. „So sind wir am Ende des Tages immer wieder gut aufgestellt“, sagt Ruckdeschel.

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Angst, dass Gäste im kommenden Jahr aufgrund des höheren Mehrwertsteuersatzes ausbleiben, haben Lisanne Güll und Kai Ruckdeschel nicht. Gemeinsam betreiben sie das "Vonundzu" im Bad Emser Kursaalgebäude. Sie haben sich inzwischen auf Events spezialisiert.
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Was er schon merke: Inzwischen gebe es auch Hochzeiten mit 60 Gästen, statt wie zuvor gern mit 80, oder auch Kunden, die mit klaren Budgetvorstellungen kommen. „Wenn etwas nicht im Budgetrahmen der Gäste liegt, versuchen wir andere Lösungen zu finden“, betont Ruckdeschel. Statt Roastbeef könne dann etwa Rinderhüfte Eingang ins Menü finden – qualitativ nicht schlechter, aber günstiger im Einkauf. Damit die Gäste zufrieden sind, gelte es generell, das Gespräch mit ihnen zu suchen. Für die vom „Vonundzu“ ausgerichteten Feiern müsse allerdings ein bestimmter Mindestumsatz erreicht werden.

Dass sie die höhere Mehrwertsteuer im kommenden Jahr auf die Preise aufschlagen, steht für Ruckdeschel und Güll außer Frage. Zwar hätten sie darüber diskutiert, aber „die Mehrwertsteuer verlangt der Staat von uns, die dürfen wir ja nicht behalten“, sagt Ruckdeschel. Das „Vonundzu“ sei ein Wirtschaftsunternehmen, die Preise seien genau kalkuliert: Den Wareneinkauf sowie weitere Kosten, wie für Energie, Personal und zusätzliche Nachtschichten, „muss ich einkalkulieren und dem Kunden weitergeben“, betont der Gastronom.

Kai Ruckdeschel sieht das A und O in einer guten Kalkulation

Er sehe es skeptisch, wenn gerade kleinere Gastronomen sagten: ,Mehr kann ich für ein Schnitzel nicht nehmen.' Sie sieht Ruckdeschel in Gefahr. Und was man nicht außer Acht lassen dürfe: Wer richtig kalkuliert, könne fallende Preise im Lebensmittel- und Energiebereich dann auch wieder an die Kunden weitergeben. „Die Lebensmittelpreise sind etwas gefallen, wenn es sich weiter so entwickelt, habe ich hier für nächstes Jahr etwas Spielraum.“

Dass in Deutschland wirklich – wie von einer Dehoga-Umfrage prognostiziert – mehr als 12.000 Gastrobetriebe wegen der Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer schließen müssen, glaubt Professor Martin Jacob nicht. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzen, Rechnungswesen und Steuerlehre an der WHU in Vallendar. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das passieren wird“, sagt der Steuerexperte. Er weist darauf hin, dass andere Branchen auch nicht von einer Subvention durch einen geringeren Mehrwertsteuersatz profitieren. Natürlich werde der wieder angehobene Steuersatz für den einen oder anderen Gastronomen ein Problem sein. Aber: „Im Großen und Ganzen zeigen die Firmendaten, dass wir bei den Umsätzen wieder bei Vor-Corona-Niveau sind.“ Das gelte vor allem für die Metropolen.

Es ist gut möglich, dass es auf dem Land den einen oder anderen mehr trifft – gerade in nicht touristischen Regionen.

Gerade in den Metropolen liege der Gastro-Umsatz wieder auf Vor-Corona-Niveau, erklärt Professor Martin Jacob von der WHU in Vallendar. Auf dem Land könnte die steigende Mehrwertsteuer härter zuschlagen.

Doch was ist mit ländlichen Gegenden? Noch im Sommer sagte der rheinland-pfälzische Dehoga-Präsident Gereon Haumann unserer Zeitung, er sorge sich weniger um die Betriebe in den Städten. „Es geht vor allem um den ländlichen Raum, der nicht in Tourismusgebieten liegt“, sagte Haumann damals. Auch Jacob sagt dazu: „Es ist gut möglich, dass es auf dem Land den einen oder anderen mehr trifft – gerade in nicht touristischen Regionen.“ Doch aus seiner Sicht gibt es bessere Maßnahmen, um solche Betriebe zu fördern, als die Senkung der Mehrwertsteuer. Jacob denkt viel mehr an eine Entlastung bei Bürokratie und Energiepreisen – dass Stadtwerke etwa konsequent gesunkene Großmarktpreise an die Betriebe weitergeben.

Letztlich sei die Beibehaltung der gesenkten Mehrwertsteuer auch eine Bevorzugung von Menschen, die besser verdienen. Denn Statistiken zeigten: „Der durchschnittliche Restaurantbesucher ist ein Besserverdiener“, sagt Jacob. Das Bundesfinanzministerium hatte das Volumen der Umsatzsteuerreduzierung im Sommer mit rund 3,4 Milliarden angegeben. Geld, das dem Staat fehlt. Angesichts der aktuellen Haushaltslage müsse man sich daher die Frage stellen, „ob wir eine Subvention von Restaurantbesuchen Besserverdienender brauchen“, so der Finanzexperte. Sinnvoll wäre es aus Jacobs Sicht allerdings gewesen, beim Essen in den Schulen bei der abgesenkten Mehrwertsteuer zu bleiben – „damit jedes Kind ein warmes Schulessen bekommt“.

Das rheinland-pfälzische Gastgewerbe erzielte von Januar bis September 2023 real weniger Erlöse als im Vorjahreszeitraum. Das teilt das Statistische Landesamt in Bad Ems mit. Nach vorläufigen Berechnungen des Landesamtes gingen die realen, also die um Preisveränderungen bereinigten Umsätze im Vergleich zum ersten Dreivierteljahr 2022 um 1,8 Prozent zurück. Nominal beziehungsweise bewertet in jeweiligen Preisen, sagt das Landesamt weiter, stiegen die Erlöse aufgrund der deutlichen Preissteigerungen um 6,1 Prozent. Deutschlandweit hätten die Umsätze im Gastgewerbe preisbereinigt um 0,2 Prozent zugenommen, in jeweiligen Preisen um 8,2 Prozent.

Auf die Gastronomie entfielen zwei Drittel der Gastgewerbeumsätze. Sie habe in den ersten neun Monaten 2023 rund 1,2 Prozent weniger reale Erlöse als im Vorjahreszeitraum (nominal: plus 7,5 Prozent) erzielt. In der peisengeprägten Gastronomie, zu der Restaurants, Cafés, Eissalons und Imbissstuben zählen, gingen die realen Umsätze laut dem Landesamt um 1,5 Prozent zurück. Dagegen hätten die Caterer und Erbringer sonstiger Verpflegungsdienstleistungen 0,8 Prozent mehr Erlöse erzielt. Die Umsätze im Beherbergungsgewerbe reduzierten sich laut Landesamt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 Prozent (nominal: plus 3,8 Prozent). red

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