Von Alexander Meisner fehlt seit fast drei Monaten jede Spur. Hat der Tatverdächtige im Fall des Dreifachmords von Weitefeld jetzt etwa Lebenszeichen über ein soziales Netzwerk gesendet? Entsprechende Medienveröffentlichungen sorgen derzeit für Gesprächsstoff – im Westerwald, aber auch weit darüber hinaus. Was steckt dahinter?
Auf den ersten Blick erwecken Postings im russischen Netzwerk „Odnoklassniki.ru“ („ok.ru“) tatsächlich den Eindruck, als hätte Meisner sie abgesetzt. Auf den zweiten Blick aber werfen die digitalen Grußkarten aber vor allem Fragen auf. Die Seite „ok.ru“ könnte man als russische Variante von Facebook bezeichnen – und sie ist vor allem in ihrem Heimatland ungeheuer beliebt. Der Name bedeutet so viel wie „Klassenkameraden“.

Offenbar auch bei Alexander Meisner, der laut Polizei russischer beziehungsweise kasachischer Abstammung ist, er spricht fließend Russisch. Meisner wird verdächtigt, am Sonntag, 6. April, in Weitefeld im Kreis Altenkirchen drei Menschen brutal ermordet zu haben. Seitdem ist er wie vom Erdboden verschwunden. Die Polizei fahndet mit gigantischem Aufwand nach ihm – bislang ohne Ergebnis. „Es gibt weiterhin keine belastbaren Hinweise auf den Aufenthaltsort des Tatverdächtigen“, sagt jetzt der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler auf erneute Anfrage unserer Zeitung. Die Sachlage ist aus Sicht der Ermittler seit Wochen unverändert.
Das wird nicht nur in den Reihen der Polizei und der Strafverfolger als Belastung empfunden, auch in und um Weitefeld lässt die Tat die Menschen nicht los. Zumindest so lange nicht, wie Meisner potenziell auf freiem Fuß ist. Oder bis er tot gefunden wird. Auch diese Möglichkeit wird seitens der Fahnder ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Vom Tatort flüchtete er offenbar verletzt. Das hatte die Polizei kurz nach der Tat unter Verweis auf die Spurenlage am Tatort erklärt. Wie schwer die Verletzung war – unklar.

Umso größer das Echo auf eine Recherche von „Bild“, die inzwischen von mehreren Medien aufgegriffen wurde, unter anderem von „ t-online “. Demnach sind auf einem Profil auf „ok.ru“, das Meisner zugeordnet werden kann, wiederholt Aktivitäten zu beobachten. Die erste sei gleich am Tag nach der Tat von Weitefeld aufgetaucht – damals habe Meisners Profil ein Like an ein Video vergeben, das einen Brunnen in einer kasachischen Stadt zeige.
Später seien dann digitale Grußkarten auf dem Account aufgetaucht, „kitschige Bilder mit Sprüchen, Blumen- und Taubenmotiven“, wie „t-online“ es beschreibt. Zuletzt seien am 22. Juni gleich fünf solcher Karten an eine Tatiana in Nowosibirsk verschickt worden. Laut „t-online“ isst ein automatischer Versand auf „ok.ru“ nicht möglich, jemand müsse es manuell gemacht haben. Meisner selbst?
„Ein Rückschluss darauf, dass der Tatverdächtige noch lebt, kann aus den Accountaktivitäten nicht gezogen werden.“
Mario Mannweiler, Leitender Oberstaatsanwalt
Das ist völlig unklar – zumindest nach Kenntnis der Staatsanwaltschaft Koblenz. Die kennt die Aktivitäten auf dem Account, wie Mario Mannweiler auf Anfrage erklärt: Konkret geht es um diverse, allgemein gehaltene und bebilderte Grußkarten ohne jeden Tatbezug. Den Ermittlungsbehörden ist dies schon länger bekannt, und dies wird selbstverständlich in die Ermittlungen integriert“, sagt der Behördenchef.
Mannweiler betont aber auch: „Der tatsächliche Versandzeitpunkt ist indes nicht mehr feststellbar. Auch ist unklar, wer diese Grußkarten tatsächlich versendet hat. Ein Rückschluss darauf, dass der Tatverdächtige noch lebt, kann daher aus den Accountaktivitäten nicht gezogen werden.“ Ähnlich hatte sich zuvor bereits ein Polizeisprecher gegenüber der Deutschen Presseagentur geäußert. Der Sprecher bat darum, solche Postings zu melden, falls sie im Netz entdeckt werden.

Sie fahren virtuelle Streife: Wie die Arbeit der Intel-Officer bei der Polizei aussieht
Mit Internetrecherchen Polizeikollegen im Einsatz unterstützen und ihre Sicherheit gewährleisten. Das ist die Aufgabe sogenannter Intel-Officer bei der Polizei. Insgesamt vier gibt es in Rheinland-Pfalz: zwei in Koblenz und zwei in Mainz.
Diverse Nachfragen zu den Ermittlungen, etwa ob die sogenannten Intel-Officer der Polizei diese Ermittlungen im digitalen Raum unterstützen, lässt Mannweiler unbeantwortet – und bittet dafür um Verständnis. Er will die ohnehin schwierigen Ermittlungen nicht zusätzlich gefährden. Passen würde es: Die Intel-Officer der rheinland-pfälzischen Polizei recherchieren nach dem sogenannten Osint-Verfahren („Open-Source-Intelligence“). Sie sammeln in den öffentlich zugänglichen Quellen im Internet – vorrangig auf den sozialen Medien – Informationen etwa über am Einsatz beteiligte Personen, um so die Polizeibeamten zu unterstützen und ihre Eigensicherung zu gewährleisten. Üblicherweise sind die Spezialisten also eher in Sofortlagen im Einsatz.
Mit sachdienlicher Hilfe von den Betreibern des russischen Netzwerks rechnet Mario Mannweiler derweil jedenfalls nicht: „Rechtshilfe mit Russland gestaltet sich derzeit aufgrund der politischen Lage sehr schwierig, sodass Anfragen nach dort als derzeit wenig erfolgversprechend einzustufen sind“, sagt der Oberstaatsanwalt.

Die Ungewissheit nagt an den Menschen in Weitefeld
In Weitefeld wird wieder auf der Straße gekickt, Kinder toben wieder über die Spielplätze, berichtet der Ortsbürgermeister. Der Alltag kehrt zurück – zwei Monate nach dem Dreifachmord. Von Normalität aber ist der Westerwaldort noch weit entfernt.
Laut Medienberichten meldete sich Meisner bei „ok.ru“ wohl erst Ende vergangenen Jahres an, zeigte sich dann dort aber sehr aktiv, postete Fotos von sich und seiner Katze oder auch Videos, die ihn am Steuer seines Autos zeigen. Manches mutet auch skurril an, in manchen Clips tanze er beispielsweise zappelig, klimpere auf einem Akkordeon, trage eine Clownsmaske und rede erratisch.
Meisner, der eine gerichtsbekannte Vergangenheit als Gewalttäter hat, lebte zuletzt in Elkenroth, einem Nachbarort von Weitefeld. Nach der Tat hat die Polizei insbesondere die Wälder zwischen den beiden Westerwalddörfern aufwendig durchsucht. Doch von Meisner keine Spur. Ist ihm vielleicht tatsächlich die Flucht ins Ausland gelungen? Laut Mario Mannweiler gibt es auch darauf keine belastbaren Hinweise, wenngleich international nach ihm gefahndet wird. Und: Schon vor etwas mehr als einem Monat veröffentlichte die Polizei auch einen Fahndungsaufruf auf Russisch.
10.000 Euro Belohnung: Wo ist Alexander Meisner?
Seit Montag, 7. April, wird per Öffentlichkeitsfahndung nach Alexander Meisner gesucht. Der Mann mit kasachischem Hintergrund lebte zuletzt in Elkenroth, wenige Kilometer von Weitefeld (beides Kreis Altenkirchen) entfernt. Der 61-Jährige gilt als gewalttätig, hat eine einschlägige Vorgeschichte, saß auch schon jahrelang im Gefängnis. Laut Fahndungsaufruf ist er 1,74 Meter groß, wiegt 74 Kilogramm, hat braune Haare und blau-graue Augen. Er könnte eine Brille tragen. Besondere Merkmale sind Narben am rechten Oberarm, am linken Unterarm sowie an der Augenbraue. Auf dem linken Handrücken trägt er ein Tattoo, das „Katja“ in russischer Schreibweise zeigt. Die Staatsanwaltschaft hat für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro ausgesetzt. Hinweise an die Polizei unter Telefon 0261/10350399. red