Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über das Landesklimaschutzgesetz am Mittwoch im rheinland-pfälzischen Landtag haben sich die Regierungsfraktionen auf letzte Änderungen am Gesetz verständigt – und die Rechtsverordnung entschärft. Der Verabschiedung der Gesetzesnovelle an diesem Mittwoch dürfte damit nichts mehr im Wege stehen.
Die Mainzer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hält am Ziel der Klima- beziehungsweise Treibhausgasneutralität bis 2040 fest. Treibhausgasneutral zu werden, bedeutet, dass nicht mehr Gase wie CO2 durch die Industrie, Autos und Heizungen ausgestoßen werden als der Wald oder Böden aufnehmen können. Das 2040er-Ziel war vor allem ein Anliegen des grünen Koalitionspartners. Für die Grünen ist das Klimaschutzgesetz das Prestigeprojekt der Wahlperiode. Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne), gleichzeitig auch Spitzenkandidatin der Grünen, will im Landtagswahlkampf vor allem mit grünen Kernthemen, also auch und vor allem Klimaschutz, punkten.
Neuer Prüfschritt im Jahr 2031
Und dennoch: Die Regierungsfraktionen haben sich nun „in enger Abstimmung mit der Landesregierung“ darauf verständigt, einen neuen Prüfschritt im Jahr 2031 einzubauen. Das heißt: Ergibt die Überprüfung – am Dienstag ist von einem Grundlagengutachten die Rede –, dass die Klimaziele nicht erreichbar sind, werden sie angepasst. Sprich: Die 2040er-Zielmarke wird nach hinten verschoben. Außerdem entfällt das Zwischenziel für das Jahr 2030. Die Mainzer Ampel kommt damit der Wirtschaft in zwei Punkten – Wegfall des Zwischenziels 2030 und Überprüfung des Status 2031 – entgegen.
Nach dem Gesetzesentwurf der Landesregierung vom März sollte der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 bis 2040 schrittweise auf null sinken – bis 2030 etwa um 67 Prozent. Dieses Vorhaben entfällt nun. Dennoch will die Landesregierung fünf Jahre schneller als der Bund und zehn Jahre früher als die Europäische Union Klimaneutralität erreichen.

Das Dreierbündnis will außerdem eine „Klima-Wald-Offensive“ starten. Klimaschutzministerin Eder erklärt: „Damit der Wald auch weiterhin in großem Umfang Kohlendioxid speichert, müssen wir beim Aufbau eines klimaresilienten Waldes noch schneller vorankommen.“ Dafür stehen in den nächsten fünf Jahren jeweils 10 Millionen Euro, also insgesamt 50 Millionen Euro, bereit. Mit der „Klima-Wald-Offensive“ will das Klimaschutzministerium den Wald aufforsten und neue Wälder wachsen lassen.
Als Aufforstungsgebiete kämen vor allem Vernetzungsgürtel zwischen bestehenden großen Waldgebieten wie etwa zwischen dem Soonwald und dem Hoch- und Idarwald in Betracht. Außerdem soll zum Beispiel mehr Wasser im Wald verbleiben, Entwässerungsgräben zugeschüttet werden. Kurios: Die CDU-Opposition hatte vor der Landtagswahl 2021 ein solches Aufforstungsprogramm gefordert. Der plakative Vorschlag damals lautete: 4 Millionen Bäume für 4 Millionen Rheinland-Pfälzer.
Massive Kritik von der Opposition und der Wirtschaft
Die Pläne der Landesregierung waren zuletzt auf massive Kritik der Landtagsopposition, aber auch der Wirtschaft gestoßen. Dabei hatte der Ministerrat das Gesetz schon im November abgenickt. Seitdem mehrten sich die Zweifel und der Protest – innerhalb des Ampelbündnisses wie auch außerhalb. Plötzlich stand sogar das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 wieder infrage.
Vor allem Wirtschaftsverbände in seltener Union mit den Gewerkschaften liefen Sturm gegen die Regeln. Ungewohnt scharf lobbyierten sie zuletzt gegen das Gesetz. Von einer Gefährdung des Wirtschaftsstandortes war die Rede, von ausbleibenden Investitionen und von gefährdeten Arbeitsplätzen.
Zweifel an den Zielvorgaben des Landes weckte auch, dass eine entscheidende Rolle in den Berechnungen zur Klimaneutralität den rheinland-pfälzischen Wäldern zugesprochen wird. Aktuelle Forschungsergebnisse legen nahe, dass deren Fähigkeit zur CO2-Speicherung möglicherweise deutlich überschätzt wurde. Darauf hatten vor einer Woche auch Unternehmen hingewiesen.

Klimaschutzministerin Katrin Eder sagt am Dienstag nach harten Verhandlungen: „Ich bin mit dem nun vorliegenden Klimaschutzgesetz sehr zufrieden, es hat inhaltlich Hand und Fuß. Wir halten am Ziel der Klimaneutralität bis 2040 fest und lösen damit nun eine gewisse Dynamik aus.“ Die Landesregierung bekenne sich zum ambitionierten Klimaschutz, „was in dieser Zeit alles andere als selbstverständlich ist“.
Mit der „Klima-Wald-Offensive“ habe man die Möglichkeit, „unseren Wäldern unter die Arme zu greifen. In Verbindung mit dem Landesjagdgesetz ergibt das ein rundes Bild“, so Eder. In Regierungskreisen ist von einem klassischen Kompromiss die Rede, die Anspannung unter den Koalitionären sei in den vergangenen Tagen schon hoch gewesen, heißt es.

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) erläutert auf Nachfrage unserer Zeitung, wie die bis spätestens 2031 vorzunehmende Prüfung aussehen soll: „Es wird einen Kriterienkatalog geben, anhand dessen definiert wird, wo wir stehen.“ Je nach Grad der Zielerreichung werde, so Schmitt, dann entschieden, ob man das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 weiter aufrechterhalte oder in Gänze oder in Teilen auf ein anderes Jahr verlege, „zum Beispiel 2045“. Die Prüfung und Entscheidung solle, so Schmitt, im Ministerrat vorgenommen werden.
Dies sei folgerichtig, weil Rheinland-Pfalz gar nicht allein steuern könnte, wie schnell man bestimmte Ziele erreiche: „In das gesamte Thema spielen auch bundes- oder europarechtliche Vorgaben hinein, und die gilt es, sofern wir sie heute überhaupt schon kennen, immer mitzudenken.“ Die Frage, ob sich denn auch eine künftige Landesregierung bis 2031 an den nun gefundenen Kompromiss halten wird, beantwortet Schmitt folgendermaßen: „Erst einmal gibt es ja dann das Gesetz, das wird vorliegen. Und im Übrigen haben es auch die Wählerinnen und Wähler ein Stück weit bei der Landtagswahl 2026 in der Hand, wie eine neue Regierung, wie immer sie sich zusammensetzt, auf das Thema schauen wird.“

CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder lässt kein gutes Haar am Kompromiss. Dieser zeige, wie uneins die Landesregierung sei. Die vermeintlichen Änderungen lösten die Kritik der CDU und der Wirtschaft keinesfalls auf, sagt der Oppositionsführer. Der Eifeler ergänzt: „Was die Ampelfraktionen heute erklärt haben, ist allenfalls kosmetischer Natur und der Versuch, Einigung zu demonstrieren, wo keine herrscht.“ Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) fordert er auf, das Gesetz zu stoppen.
Und wie reagieren Wirtschaftsvertreter? Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) sagt, es seien nach wie vor nicht alle grundsätzlichen Kritikpunkte ausgeräumt. Die Revisionsklausel bezeichnet Tacke als sinnvoll und „dringend nötig“, sie ändere aber nichts am grundlegenden Problem: „Nicht haltbare Ziele später zu revidieren, ist eine Möglichkeit, sie gar nicht erst ins Gesetz zu schreiben, ist die bessere Alternative.“
Die Wirtschaft stehe zum Klimaschutz. Doch nur mit Augenmaß und wirtschaftlicher Vernunft könne man den Standort zukunftsfähig gestalten und wirksamen Klimaschutz voranbringen, so der LVU-Hauptgeschäftsführer.